Nadja Christin

Fatalis


Скачать книгу

du kannst meinen verdammten Hintern haben.«

      Sie sehen sich in die Augen, Sekunden vergehen, dann erzittert das kleine Badezimmer von ihrem gemeinsamen Gelächter.

      Laut, übertrieben laut, und befreit klingt es.

      Sie haben auch beide allen Grund dazu.

      *

      Ein paar Stunden später sitzen sie nebeneinander auf dem Sofa. Micki hat den Fußboden, das Bad und auch die Couch gründlich gereinigt. Während dessen erzählte er David von seinem seltsamen Traum, der eigentlich keiner gewesen sein kann. Zu real waren seine Empfindungen und Erlebnisse.

      Mickis Wunden verheilten innerhalb kürzester Zeit, jetzt sieht er wieder so aus wie vorher, ohne einen einzigen Makel, oder gar Narben.

      Sie trinken beide eine Tasse Kaffee und hängen ihren eigenen Gedanken nach.

      David hat für sich beschlossen, Micki nichts von seinem kleinen nächtlichen Gespräch mit Vivien zu erzählen, es würde nur neue Probleme aufwerfen, und wie es scheint, hat sein langjähriger Freund im Moment mehr als genug davon am Hals.

      »Ich verstehe immer noch nicht, wie das möglich ist«, meint David nachdenklich und wischt sich mit dem Daumen über die Lippen.

      »Was genau meinst du?«, fragt Micki und lehnt sich entspannt zurück.

      »Warum bist du gestorben, und wieso sieht diese Amazone in deinem … hm… « David scheint nach Worten zu suchen. »Nennen wir es mal Traum, ja?«

      Micki bewegt zustimmend den Kopf auf und ab.

      »Okay«, fährt David fort, »also in deinem Traum, diese Amazone, warum sieht sie so aus wie Vivien? Wo kommen all diese Monster her?«

      Er sieht, wie Micki uninteressiert mit den Schultern zuckt.

      David lehnt sich in Mickis Richtung.

      »Eine Frage brennt mir besonders auf der Seele.

      Gibt es das alles wirklich? Existiert dieses Nexanima, die Ebene der Verdammten und Venustas, inklusive der ätzenden Dämonen, gibt’s das alles wirklich?«

      »Du wirst lachen«, antwortet Micki seelenruhig, »diese Frage habe ich mir auch schon gestellt.«

      David lehnt sich zurück und murmelt:

      »Ich werde nicht lachen, dafür ist die Sache viel zu ernst.«

      Micki seufzt und trinkt den rechtlichen Kaffee, die leere Tasse stellt er geräuschvoll auf den kleinen Tisch.

      »Kennst du den Spruch: Es gibt mehr zwischen Himmel und Hölle, als du bereit bist, zu glauben?«

      David nickt leicht mit dem Kopf.

      »Ja, allerdings. Wer kennt den Satz nicht.«

      »Hm«, macht Micki und legt einen Finger gegen die perfekt geformte Nase.

      »Kennst du auch seine Bedeutung?«, fragt er irgendwann.

      »Nun ja«, murmelt David und denkt scharf nach, »ich denke… « Er zuckt kurz mit seinen Schultern.

      »Ich … weiß nicht so genau. Glaube aber, dass es eben mehr zwischen oben und unten gibt, als man denkt.«

      »Eben nicht«, fährt Micki ihn an.

      »Die verdammte Betonung liegt auf den Wörtern: bereit zu glauben.«

      Mickis Blick ist fest und starr, David zuckt erneut mit den Schultern.

      »Ja und?«

      »Bist du bereit zu glauben, mein Freund?«

      »Was zu glauben?« David verdreht die Augen zur Decke.

      »Mann, rede nicht in Rätseln mit mir, das kann ich überhaupt nicht leiden.«

      Langsam wird er wütend, einfach und klar, sollten die Dinge sein und nicht so einen verworrener Kuddelmuddel.

      Hämisch lächelt Micki ihm zu.

      »All das, was ich erlebt habe, Kumpel«, er holt kurz Luft. »Glaubst du daran? Dann wird es auch existieren. Bezweifelst du hingegen die ganze Geschichte, wird sich Nexanima, Venustas und die gesamte Dämonenschar in Luft auflösen.« Gespannt blickt er seinen Freund an.

      »Wieso ich?«, fragt David aufgebracht, »hier geht es nicht um mich. Du hattest diese Illusion, sonst keiner.«

      »Ich glaube nicht nur, ich weiß es. Das ist etwas anderes.«

      Langsam versteht David ihn.

      »Ach so«, murmelt er vor sich hin.

      »Wenn ich also nicht daran glaube, dann gibt es diesen Ort und die Personen nicht wirklich. Du hingegen … «

      Micki lächelt sanft.

      »Ich hingegen habe es erlebt. Nicht nur das, ich habe es gefühlt, tief in mir drin. Dieser Ort und alle dort, gibt es wirklich, Irgendwo.«

      Micki steht auf, nimmt seine Kaffeetasse und geht langsam in Richtung Küche um sich neu nachzuschenken. Dabei flüstert er mehr zu sich selbst, als zu seinem Freund:

      »Ich muss sie nur wiederfinden, das ist alles.«

      Am Abend

      Es klingelt zum wiederholten Mal an ihrer Haustür.

      Dieser Typ ist ganz schön hartnäckig, denkt Vivien zusammenhanglos und betrachtet nachdenklich das Gemälde vor ihr.

      Sie malt schon den ganzen Tag an dem Bild herum, aber heute scheint es nichts zu werden.

      Eigentlich wollte sie eine Frau und ihren Peiniger zeichnen, aber aus irgendeinem Grund verwandelt sich der Angreifer immer wieder in ein grässliches Monster, mit Stierkopf und großen Reißzähnen.

      Vivien arbeitet Zuhause, sie malt Bilder, regelrechte Kunstwerke sind das, die sie sich gut bezahlen lässt. Sie zieren Cover von Büchern oder CDs, sogar auf einigen Verpackungskartons sind ihre Zeichnungen zu sehen.

      Sie fertigt ein Bild auf Anfrage an, oder denkt sich selbst eins aus, die Arbeit macht ihr Spaß, falls in ihrem merkwürdigen Leben irgendetwas spaßig sein kann.

      Dank ihrem außergewöhnlichem Talent, Farben eine perfekte Form zu geben, lebt sie davon nicht schlecht und, was für sie am meisten zählt, sie hat keine festen Zeiten, sie malt, wann immer sie es will, auch mitten in der Nacht.

      Es klingelt erneut an der Tür.

      Du kannst mich mal, denkt sie grimmig und verbessert sich in Gedanken sofort. Nein, lieber nicht, wer weiß, wie er das versteht. Als würde der Besucher ihre Gedanken lesen können.

      Vielleicht ist es aber auch der andere, sagt eine leise Stimme tief in ihr drin, es könnte auch David sein, der so beharrlich die Klingel malträtiert.

      »Und wenn schon«, sagt sie laut und ballt die kleinen Hände zu Fäusten, »da ist einer nicht besser, als der andere, alles die gleiche Brut.«

      Das glaubst du doch selbst nicht, meldet sich die Stimme erneut zu Wort.

      Manchmal hat Vivien das Gefühl, als sei diese Stimme sie selbst, aber doch irgendwie anders, ganz so, wie sie geworden wäre, wenn sie und Ellen sich vor zwanzig Jahren einfach die Decken über die Köpfe gezogen hätten.

      Ein anders Mal hat sie eher das Empfinden, diese tonlosen Gespräche mit ihrer toten Schwester zu führen. In solchen Momenten ist sie ihr ganz nah, so, als stünde sie unmittelbar neben ihr.

      Nochmals klingelt es.

      Nein, ich geh nicht hin, denkt sie bestimmt und fügt ihrem Bild noch ein paar gekonnte Pinselstriche hinzu.

      Die Augen des Monsters leuchten jetzt bernsteinfarben.

      »Ach verdammt«, flucht sie laut und lässt den mit Farbe gefüllten Pinsel auf das Gemälde klatschen. Die gelborange