Nadja Christin

Fatalis


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Ich… «

      »Ist sie nicht … dein Typ?«

      »Nicht mein Typ?«, fragt David leise zurück. Natürlich ist sie das, er weiß das ebenso, wie ich. Diese kleine, Schwarzhaarige ist sogar mehr als das. Sie spült Gefühle an die Oberfläche, von denen ich längst dachte, sie verloren zu haben. Sie entspricht genau dem Typ Weib, das ich vor Augen habe, wenn ich von der perfekten Frau spreche.

      Sie ist alles, was ich will, alles was ich mir je gewünscht habe, sie verkörpert das, was ich niemals töten und auffressen würde.

      Sie ist das Mädchen, in das ich mich verlieben könnte, wenn ich solche Gefühle in mir zuließe.

      »Doch, das schon«, beantwortet er Mickis Frage nach langem Nachdenken.

      »Ich denke nur, dass es dir gut tun würde, sie herum zukriegen. Das wäre eine Wohltat für dein Selbstbewusstsein.«

      Nicht, das du das nötig hättest, setzt er in Gedanken hinzu, aber es ist meine beste Ausrede.

      Nachts

      Sie haben in ihrer Wohnung kein Bett stehen, da sie eigentlich beide überhaupt nicht schlafen. Aber ab und zu will Micki sich einfach ausruhen, David hingegen liest lieber.

      Es ist kurz vor drei Uhr nachts, Micki versucht krampfhaft zurück in seine Träumen zu finden und David schmökert in einem Wälzer.

      Aber eigentlich tut er nur so. Heimlich verfolgt er die Zeiger seiner Uhr, wie sie träge und für seinen Geschmack viel zu langsam vorrücken.

      Er will um die gleiche Zeit, wie gestern, hinaus auf die Straße gehen.

      Er möchte nochmals nach der Katze sehen, vielleicht ist es ihm ja heute Nacht vergönnt, dieses kleine Appetithäppchen für sich zu gewinnen.

      Ist das auch der wahre Grund, hadert er mit sich selbst. Entspricht es nicht vielmehr der Tatsache, dass du hoffst, Vivien am Ende der Straße zu treffen? Mit ihr zu reden, sie besser zu verstehen?

      Ärgerlich gibt er seiner drängenden Stimme keine Antwort, beobachtet nur gespannt die Zeiger seiner Armbanduhr.

      Drei Minuten vor drei Uhr legt er seufzend sein Buch beiseite, streckt sich übertrieben und meint zu dem immer noch wachen Micki:

      »Ich geh mal kurz vor die Tür, vielleicht störe ich dich ja auch und du kannst besser schlafen, wenn ich weg bin.«

      »Ist in Ordnung«, murmelt sein Freund, ohne den Arm, den er schützend über die Augen gelegt hat, herunterzunehmen.

      Diebisch grinsend verlässt David die Wohnung und geht, wie gestern schon, mit in den Taschen vergrabenen Händen die schmale Straße hinunter.

      Er muss sich zwingen, langsam zu gehen. Zu groß sind seine Erwartungen und die Hoffnung darauf, das Mädchen zu treffen, das vielleicht erneut am Feldrand steht.

      Viviens Haus schenkt er im vorbeigehen kaum Aufmerksamkeit, sein Blick ist starr geradeaus gerichtet, auf das Ende des Weges.

      David kann sich ein enttäuschtes Knurren nicht verkneifen, als er sieht, dass niemand hier ist.

      Verdammt, denkt er bei sich, jetzt jage ich auch schon Hirngespinsten hinterher.

      Ich bin nicht besser, als Micki.

      Eine freundliche Stimme lässt ihn erschrocken herumfahren:

      »Guten Abend, der Herr. Noch so spät unterwegs?«

      Davids Gesicht strahlt vor Freude, als er Vivien langsam auf sich zukommen sieht.

      »Oder sollte ich lieber sagen, so früh«, setzt sie grinsend hinzu.

      Er räuspert sich kurz.

      »Beides scheint mir hier angebracht zu sein«, antwortet er amüsiert.

      »Ich wünsche dir auch einen schönen Abend. Vivien. Es … es ist schön, dich hier so zufällig zu treffen.«

      Das Mädchen schnaubt kurz.

      »Zufällig? Das glaube ich kaum.«

      Sie stellt sich dicht neben ihn und blickt verträumt in die Dunkelheit vor ihnen.

      Unauffällig zieht David ihren Geruch in seine Nase, das bringt sein Blut in Wallung, es kocht fast über. Sein gesamter Körper kribbelt, es ist so, als habe er tausend lebendige Schmetterlinge auf einmal verschluckt. Sie streicheln von innen seine Bauchdecke und ihre zarten Flügelschläge kann er durch die Haut spüren, ein unheimliches, aber zugleich wunderschönes Gefühl.

      Er gibt ihr keine Antwort, ist viel zu beschäftigt, mit seinem Empfinden.

      Sie sieht ihn kurz an, nur für ein, zwei Sekunden. Das reicht aber aus, um eine kleine Explosion in seinem Inneren zu verursachen. Er schnappt erschrocken nach Luft.

      »Das glaube ich ja nicht… « murmelt er vor sich hin und bemerkt nicht mal, dass er laut gesprochen hat.

      »Was glaubst du nicht?«, sie klingt irritiert, »ist es doch ein Zufall, dass wir uns schon wieder um die gleiche Uhrzeit am selben Ort treffen?«

      Sie wirft ihm einen fragenden Blick zu.

      David ist für einen Moment völlig verwirrt. Er hat schon lange den Anschluss an diese Unterhaltung verloren und weiß auch nicht mehr, dass er soeben laut gesprochen hat. Er muss kurz seine Gedanken sortieren, bevor er ihr antwortet:

      »Eh… Du hast natürlich recht. Es ist kein zufälliges Aufeinandertreffen«, er grinst kurz und hat sich schon wieder ganz gefangen.

      »Ich habe es darauf angelegt, vorsätzlich bin ich um die gleiche Zeit aus dem Haus gegangen. Es war mein dringlichster Wunsch, dir hier zu begegnen.«

      David holt kurz Luft, legt seine Hand auf die Brust.

      »Ich bekenne mich schuldig«, er deutet eine Verbeugung an.

      »Verzeih mir und urteile nicht so hart über mich.«

      Viviens helles Lachen schallt durch die Nacht, David blickt sie von unten her schelmisch grinsend an. Es freut ihn, dass er ein Lachen aus ihr hervorgezaubert hat. Auch wenn dieses kleine Geräusch ihm einen wohligen Schauer über den Rücken jagt, die Eingeweide zusammenzieht und er seine ganze Willenskraft aufbringen muss, um sich nicht sofort auf sie zu stürzen.

      »Das war echt komisch«, meint Vivien und vollführt plötzlich einen kleinen Knicks, ganz so, wie es in früheren Jahrhunderten die Hofdamen vor dem König taten.

      »Ich vergebe dir«, sagt sie laut und David erinnert sie an eine echte Königin, eine, die er mal kannte.

      »Deine Gesinnung, fürwahr edel, so doch nicht sehr wohlerzogen.« Vivien hebt das Kinn ein wenig an, jeder Zentimeter an ihr, eine Würdenträgerin.

      »Habt Dank, meine Königin«, flüstert David und kann sich ein Kichern nicht verkneifen.

      Die Stirn runzelnd, dreht sie sich nach vorne, der Dunkelheit zu und verschränkt die Arme vor dem dünnen Körper. Sie scheint zurück in ihre alte Rolle geschlüpft zu sein, jetzt ist sie wieder nur Vivien.

      Was tue ich hier, denkt sie, dieser Kerl ist wie alle anderen auch, an ihm ist nichts Besonderes. Wenn ich mal davon absehe, das, wann immer ich ihn ansehe, ich nur diese bernsteinfarbenen Augen aus meiner Vergangenheit erblicke. Sie tanzen vor mir her, leuchten, glühen voller Hohn.

      Ich werde niemanden an mich heranlassen, überlegt sie weiter, niemals. Er könnte mich verletzen, mein Inneres könnte zu Staub zerfallen und alles würde plötzlich sterben. Genauso, wie es Ellen erging, auch ihr Inneres ist damals gestorben, selbst ihr Äußeres war mit einem Mal weg.

      Nein, ich werde mich auf nichts einlassen, auf nichts und niemanden.

      »Was gibt es hier eigentlich so Interessantes zu sehen?«, fragt David und reißt sie damit aus ihren Gedanken.

      »Nichts«, murmelt sie unverbindlich,