Stefanie Purle

Scarlett Taylor


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wir ohne Chris keinen Dämonologen gehabt hätten, und wir somit auch keinen anderen Weg gefunden hätten, Elvira, Melissa und die anderen aus den Fängen der Besessenen zu befreien.“

      Ich seufze und senke den Blick. Mein Griff um Chris´ Oberschenkel verstärkt sich, ich habe das Bedürfnis ihn festzuhalten und niemals wieder loszulassen.

      „Chris hat mir von der Einladung des schwarzen Königs erzählt. Er hat es zeitlich so geregelt, dass nach deinem letzten Tag bei ihm die Vollmondnacht folgt. Und du wirst bei ihm schwarze Zauber wirken müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass er dich einfach dazu zwingt. Er hat die Macht dazu. Und weiße Magie wirkt in seinem Schloss nicht“, klärt Fletcher uns auf und zuckt mit den Schultern. Ich sehe in seinem Blick, dass er meine Situation für aussichtslos hält, für ihn scheint die Sache besiegelt und mein Wechsel auf die dunkle Seite steht bevor.

      „Na dann sollten wir besser anfangen!“, sage ich energisch und stehe auf.

      Kapitel 7

      Wir gehen nach draußen und Fletcher führt uns durch enge Tannen und Bäume hindurch, bis wir nach ein paar hundert Metern an einer Stelle ankommen, wo hohes Gras wächst. Es ist eine kleine, ovale Lichtung, gerahmt von Tannen und großen Farnen. Fletcher weist mich an, keine Pflanzen zu zertreten, da eine weiße Hexe, die mit der Natur im Einklang zaubern möchte, keiner Pflanze etwas zuleide tun darf.

      Chris steht am Rand der Grasfläche, steckt die Hände in die Hosentaschen und wartet gespannt. Er wirkt, als wüsste er, was Fletcher nun vorhat und nickt mir aufgeregt zu.

      Fletcher geht mit großen Schritten in die Mitte der Lichtung, das hohe Gras reicht ihm fast bis über die Knie. „Ich zeige dir jetzt etwas, das eigentlich keinerlei Nutzen hat, es ist so gesehen nur eine Demonstration dessen, wozu eine weiße Hexe fähig ist, wenn sie im Einklang mit der Natur arbeitet. Wenn ich fertig bin, wirst du es auch versuchen, und dann sehen wir ja, ob du Zugang zur weißen Magie hast, oder nicht.“

      Ich sehe angespannt rüber zu Chris. Ich habe keine Ahnung, was Fletcher gleich von mir erwartet und fühle mich, wie damals in der Schule, wenn man einen unangekündigten Test schreiben musste. Chris nickt mir erneut zu und deutet lächelnd auf Fletcher, der die Augen schließt und tief einatmet. Nun widme auch ich meine ganze Aufmerksamkeit diesem leicht verschrobenem Typen, der in der Mitte der kleinen Grasfläche steht, die Arme ausstreckt und den Kopf in den Nacken legt. Er atmet tiefer und tiefer, reißt die Arme höher und höher, als leise Wind aufkommt und das Gras zum Wiegen bringt. Die Grashalme beugen sich hin und her, der Wind wird stärker und wirbelt um uns herum. Mein Haar fliegt wild um meinen Kopf und ich versuche vergeblich es zu bändigen. Blätter beginnen zu wirbeln, drehen sich in einer Spirale um Fletcher, das hohe Gras legt sich flach auf den Boden und kleine, helle Lichtpunkte tanzen in dem Wirbelsturm, der sich um Fletcher herum gebildet hat. Staunend blicke ich empor, wo der Sturm sich wie eine gedrehte Turmspitze über den Baumwipfeln formt und versuche auszumachen, was diese kleinen Lichtpunkte sind. Womöglich handelt es sich um Glühwürmchen, oder so etwas in der Art. Was sonst ist so groß wie ein Insekt und gibt derart warmes Licht von sich?

      Der Sturm türmt sich weiter auf, wirbelt kreisend um Fletcher herum. In ihm sammelt sich buntes Herbstlaub, das immer mehr zu werden scheint, bis wir Fletcher durch den Wind hindurch nicht mehr sehen können.

      Dann ertönt ein lautes Klatschen. Das Laub fällt gerade und bleischwer zu Boden, der Wind hört schlagartig auf. Fletcher steht mit über den Kopf zusammengeschlagenen Händen in der Mitte der Lichtung und schlägt die Augen auf. Langsam senkt er die Hände und blickt auf den Boden. Als ich seinem Blick folge, sehe ich, dass das Gras um ihn herum flach am Boden liegt. Wie in einem Kornkreis liegen die Halme geknickt auf der Erde und formen ein verschlungenes Muster aus Kreisen und verschnörkelten Kringeln. Das bunte Herbstlaub liegt gefächert in diesem Muster, als hätte jemand tagelang jedes einzelne Blatt sorgsam in die Furchen im Gras gelegt. Es ist atemberaubend schön.

      „Wie...?“, stammle ich fassungslos und hocke mich hin. Meine Finger fahren über die abgeknickten Halme, heben die Blätter an, die fächerartig in das Muster hineingelegt sind. „Wie ist das möglich?“

      „Das ist weiße Magie“, sagt Fletcher und tritt aus dem Kreis. „Nun ja, es ist ein Teil davon, eher eine Spielerei, die keinen wirklichen Nutzen hat.“

      Ich sehe zu ihm hoch, die Hände noch immer auf das Gras und die Blätter gelegt. „Und diese hellen Lichtpunkte, was waren das? Glühwürmchen?“

      „Du hast sie gesehen?“, hakt Fletcher nach und wirkt fast ein wenig aufgebracht.

      „Ja, natürlich“, sage ich und blicke an Fletcher vorbei zu Chris. „Du hast sie doch auch gesehen, oder? Diese kleinen hellen Lichter im Wirbelsturm.“

      Chris zuckt mit den Schultern und schüttelt den Kopf. „Nein.“

      Ich stehe auf und sehe fragend in Fletchers hellblaue Augen.

      „Das ist ein sehr gutes Zeichen, Scarlett“, sagt er, dreht sich zu Chris um und zeigt ihm den erhobenen Daumen, bevor er sich wieder an mich wendet. „Das waren Feen!“

      „Ach, Quatsch“, sage ich und lache, doch mein Lachen verstummt, sobald ich Fletchers finstere Miene erblicke. „Im ernst? Feen?“

      Fletcher nickt. „Genau... Ich sehe schon, da liegt noch eine Menge Arbeit vor mir“, erkennt er und reibt sich die Stirn. „Willst du es jetzt mal versuchen, oder lieber noch nicht?“

      Ich besehe mir den hübschen Ring aus Blättern und umgeknickten Grashalmen, der die kleine Lichtung ziert und zucke mit den Schultern. „Ich wüsste nicht, wie ich es versuchen sollte.“

      „Es gibt sechs Elemente, Scarlett“, beginnt Fletcher und spreizt seine Finger. „Feuer, Erde, Wasser, Luft“, erklärt er und tippt einen Finger nach dem anderen ab. „Geistwesen und Dämonen.“

      „Geistwesen und Dämonen zählen zu den Elementen?“, hake ich nach, als Chris sich interessiert zu uns stellt.

      „In der magischen, übernatürlichen Welt ja, da gehören Geistwesen und Dämonen zu den Elementen. Alles hat seinen Gegenpol. Feuer hat Wasser, Erde hat Luft, Geistwesen haben Dämonen, verstehst du?“ Ich nicke. „Als weiße Hexen rufen wir gedanklich die Elemente auf, lassen aber die Dämonen weg. Die sind für die dunkle Seite gedacht.“

      „Verstehe“, sage ich. „Und wie rufe ich die Elemente im Geiste?“

      „Du stellst dich hin, mit beiden Füßen stramm auf die Erde“, erklärt er weiter und macht vor, wie ich mich hinstellen soll. Ich mache es ihm nach. „Hüftbreit auseinander, genau so. Und dann stellst du dir vor, aus deinen Füßen würden Wurzeln bis tief in die Erde wandern.“ Fletcher schließt die Augen, legt den Kopf in den Nacken und sein Körper wird starr, wie der Stamm eines Baumes. „Somit bist du mit dem Element Erde verbunden. Dann geht es weiter mit dem Element Luft. Atme tief ein und aus, spüre, wie die Luft deine Lungen füllt.“

      Ich tue, wie er sagt und atme die kühle Waldluft tief ein. Der Duft erinnert mich an Chris; Fichtennadeln, frischer Regen, saftiges Gras mit einer Prise feuchter, salziger Erde.

      „Feuer und Wasser hast du schon in dir“, fährt Fletcher fort. „Das Feuer ist die Wärme in deinem Blut. Konzentriere dich darauf, spüre, wie es warm durch deine Adern gepumpt wird. Somit hast du das Element Feuer.“

      Ich stehe stramm, stelle mir die Wurzeln zu meinen Füßen vor, konzentriere mich auf die Luft in meinen Lungen und das Feuer in meinen Adern.

      Fletcher lässt die Schultern sacken und nimmt wieder eine lockere Haltung an. „Und das Element Wasser sind deine inneren Säfte“, sagt er und ich verziehe ein wenig angewidert das Gesicht.

      „Meine inneren Säfte?“, hake ich verwundert nach.

      Fletcher nickt. „Dein Speichel, dein Blut, deine Magensäure, und so weiter. Der menschliche Körper besteht zum Großteil aus Wasser.“

      „Okay, verstehe“, sage ich und nicke,