Stefanie Purle

Scarlett Taylor


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fasst er langsam Vertrauen in mich und lässt endlich seine Abneigung gegen meine Herkunft fallen.

      „Das war Elvira“, sagt Chris, als er wieder zu uns kommt. „Es gibt Probleme mit ein paar Dämonen. Offenbar erheben sie sich, da deine Macht nun aktiviert ist.“

      „Oh nein!“, schrecke ich hoch und halte meine Hände vor den Mund.

      Chris blickt betreten drein. „Ja, es sind ziemlich viele, wie Elvira berichtet. Ich muss hin und ihnen helfen. Vielleicht frage ich Bianca, ob sie auch noch einmal zurückkommen kann.“

      „Soll ich auch mit? Kann ich irgendwas tun?“, frage ich.

      „Nein“, antwortet Chris und schüttelt mit dem Kopf. „Es ist wichtiger, dass du die weiße Magie übst. Wenn du nämlich die neue weiße Königin wirst, dann haben wir solche Probleme nicht mehr so häufig.“ Er wechselt einen Blick mit Fletcher und beide nicken sich zu. „Du bleibst bei Fletcher, in Ordnung? Er fährt dich heute Abend zu meinem Haus. Warte...“, sagt er und kramt in seiner Hosentasche. „Hier ist der Schlüssel. Falls ich noch nicht da bin, kannst du damit rein. Fühl dich einfach wie Zuhause, ja?“

      Ich nehme ihm den Schlüssel ab und stecke ihn in meine Hosentasche. „Danke“, sage ich und hole meinen Autoschlüssel aus meiner Manteltasche. „Nimm meinen Wagen. Zum Glück haben wir deine Sachen in meinen Kofferraum gelegt.“

      „Stimmt. Danke“, sagt Chris, zieht mich in seinen Arm und küsst mich flüchtig. „Bis später, und pass auf dich auf“, sagt er und sprintet davon. Innerhalb weniger Sekunden ist er außer Sichtweite.

      „Lass uns zum Wohnwagen gehen, ja?“, schlägt Fletcher nach ein paar Sekunden Stille vor und führt mich aus der kleinen Lichtung zurück in den dunklen Wald. „Ganz schön beängstigend, zu wissen, dass all die guten und bösen Wesen der Welt kommen, um dich zu sehen, oder?“

      „Oh ja, absolut beängstigend“, ächze ich, während ich mich durch die dichten Tannen zwänge.

      „Weißt du eigentlich, welche Wesen es überhaupt gibt?“

      „Nein. Ich kenne nur Dämonen, Urdämonen und Besessene. Und seit ein paar Minuten auch Feen“, gebe ich zu und hole Fletcher ein.

      Er sieht mich an und bleibt stehen. „Die Dämonen gehören zur dunklen Seite, wie du wahrscheinlich schon festgestellt hast. Dann gibt es noch Vampire, Poltergeister, Wendigos, Werwölfe,...“

      „Moment!“, unterbreche ich ihn und halte eine Hand hoch. „Werwölfe? Sowas wie Mannwölfe?“

      „Nein“, antwortet Fletcher und lacht. „Mannwölfe gehören zur weißen Seite. Sie haben einen Vertrag mit dem Vatikan, um die Schuld ihrer Werwolf-Vorfahren zu begleichen. Sie jagen im Namen der Kirche Dämonen, sind also Dämonologen, und im Gegenzug wird jede Folgegeneration ein bisschen weniger Mannwolf sein. Bis eines Tages das Wolfs-Gen ganz aus ihrem Geschlecht verschwunden ist. Hast du Chris schon als Mannwolf gesehen?“

      Ich denke an den Moment, als dieses riesige Wesen, welches Chris´ Klamotten trug und seine Stimme hatte, ins Tierheim rannte, um mich zu retten. Es hatte gedauert, bis ich meinen Chris darin erkannte. Seine Haut war von seidig schwarzem Fell überzogen, er hatte Reißzähne und Krallen. „Ja, einmal“, antworte ich.

      „Dir ist wahrscheinlich aufgefallen, dass er nicht auf allen Vieren ging, keine Schnauze, keine wolfsähnlichen Ohren und keine Rute hatte.“

      „Ja, stimmt.“

      „Das haben die Mannwölfe ihren Vorfahren zu verdanken. Chris´ Eltern zum Beispiel hatten noch eine Schnauze, seine Großeltern Schnauze und Rute, und so weiter. Da seine Familie aber schon seit Generationen für den Vatikan Dämonen tötet, ist Chris weitaus weniger ein Wolf, als Mannwölfe vor fünfhundert Jahren es noch waren.“

      „Interessant … Du sagst also, der Vatikan weiß, dass es Dämonen, Werwölfe und all das gibt?“

      Wieder lacht Fletcher. „Oh ja. Auch die Regierung weiß davon, aber es soll ein Geheimnis bleiben. Was meinst du, wie die Menschen reagieren würden, wenn sie wüssten, dass Werwölfe unter ihnen leben?“

      Ich denke darüber nach und kann mir nur allzu gut vorstellen, wie ich vor ein paar Wochen reagiert hätte, wenn man mir erzählt hätte, mein namenloser Nachbar sei besessen von einem Dämon, oder der heiße Typ mit den moosgrünen Augen sei in Wirklichkeit ein Mannwolf.

      „Solch einen Pakt haben auch ein paar der Vampire mit dem Vatikan abgeschlossen“, erzählt Fletcher weiter, während wir in Richtung seines Wohnwagens laufen.

      „Es gibt also wirklich echte Vampire? Solche, die den Menschen das Blut aussaugen?“

      „Ja, genau. Die echten Vampire hypnotisieren ihre Opfer, saugen ihnen einen halben Liter Blut aus und verschwinden dann wieder. Die Opfer können sich danach an nichts mehr erinnern. Dann gibt es wiederum welche, die haben sich nicht unter Kontrolle und können nicht aufhören zu trinken. Sie trinken, bis das Opfer leer und tot ist.“

      „Und die Vampire gehören zur dunklen Seite“, schließe ich daraus.

      „Nicht alle“, widerspricht Fletcher. „Ein paar von ihnen wollen auch die Sünden ihrer Vorfahren wiedergutmachen und haben einen Vertrag, der besagt, dass sie nur das Blut von echten Werwölfen trinken dürfen. Sie trinken sie in Gruppen leer und stellen so das Gleichgewicht wieder her.“

      „Oh man“, sage ich und versuche diese ganzen Informationen zu verdauen. „Und dann werden die nächsten Generationen auch immer weniger Vampir sein?“

      „Fast. Vampire sind genau genommen tot und können sich nicht fortpflanzen. Aber die sogenannten weißen Vampire verspüren immer weniger Blutdurst, und je mehr Werwölfe sie aussaugen, umso mehr altern sie und können irgendwann sterben.“

      „Die weißen Vampire wollen also sterben?“, hake ich nach, als wir endlich die Lichtung erreichen, auf der Fletchers Wohnwagen steht.

      „Ja. Nach Jahrhunderten einsamen Lebens, wünschen sich viele von ihnen nichts sehnlicher, als sich niederzulassen, alt zu werden und endlich zu sterben.“

      „Irgendwie verständlich“, sage ich und remple gegen Fletchers Rücken, der plötzlich vor mir stehen bleibt und die Arme angewinkelt ausstreckt. Er scheint zu lauschen.

      „Psst“, zischt er. „Wir sind nicht allein.“

      Kapitel 9

      Ich blicke über Fletchers Schulter, der im Vergleich zu Chris klein, schmächtig und dünn wirkt, und sehe rein gar nichts. Vor ihm ist die Lichtung, an der Seite steht sein Wohnwagen und schräg dahinter parkt sein alter Mercedes.

      „Was ist denn?“, frage ich, doch Fletcher zischt mir nur ein aufgebrachtes „Psst“ entgegen.

      Wieder spähe ich über seine Schulter und diesmal sehe ich raschelnde Blätter in der Mitte der Lichtung, obwohl kein Lüftchen weht. Das Blätterrascheln kommt näher, es sieht fast so aus, als komme jemand Unsichtbares auf uns zugelaufen.

      Es läuft mir eiskalt den Rücken herunter und ich würde mich am liebsten an Fletcher klammern, wenn wir uns besser kennen würden.

      „Wer sind Sie?“, fragt Fletcher scharf in die Stille hinein und sofort hören die unsichtbaren Schritte auf.

      Ein Fingerschnippsen ertönt, und dort, wo gerade eben noch die Blätter raschelten, steht nun eine Frau. Sie ist vermutlich Mitte sechzig, korpulent und hat lange aschblonde Haare, die sie zu einem kunstvoll drapierten Dutt im Nacken trägt. Sie legt den Kopf schief und guckt uns aus zu stark geschminkten Augen an. Ihre unzähligen Ketten um ihren Hals klappern und klimpern, als sie neugierig einen weiteren Schritt auf uns zukommt.

      „Stehenbleiben!“, zischt Fletcher und breitet die Arme weiter aus, während ich mich hinter seinem Rücken verstecke und über seine Schulter lauere. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“

      „Ich möchte zu