Samina Haye

Der Weg nach Freeling


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sie ihren Vater an, der versuchte aus dem Schlamassel wieder raus zu kommen.

      „Ach, meine Kleine, es war doch nicht so schlimm und ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen.

      Ich war beim Doktor und auch zur kurzen Untersuchung im Krankenhaus und die haben mir eine Pflegerin zugeteilt. Die kommt dreimal am Tag kurz für eine halbe Stunde vorbei, bringt mir Essen und sieht nach, ob alles in Ordnung ist“, sagte er, und Anne beruhigte sich nun wieder ein bisschen.

      „Hm, also gut, das finde ich dann irgendwie gut, wenn die Helferin ab und zu mal bei dir vorbei schaut“, meinte sie und sprach gleich weiter.

      „Aber Papa, besser wäre es einfach, wenn du diese Wohnung hier aufgibst, ich suche mir dafür eine größere und wir ziehen zusammen, dann kann ich für dich Sorgen“, sagte sie gefühlvoll und ihr Vater legte seine Hand auf die ihre.

      „Schatz, das ist eine gute Idee. Doch nun werde ich noch etwas hier in Petingen in meiner Wohnung bleiben und irgendwann können wir darüber reden, dass wir zusammen ziehen“, erwiderte er darauf, und Anne nickte.

      „Hm, wie du meinst. Mir wäre trotzdem wohler dabei, wenn ich dich in meiner Nähe haben könnte.“ Er tätschelte sie.

      „Ja, ich weiß. Aber jetzt erzähl doch mal, wie komm ich dazu, dass du mich heute schon besuchen kommst, wenn morgen erst Weihnachten ist?“, fragte er seine Tochter, die nun endlich wieder ein Strahlen ins Gesicht bekam.

      „Deswegen bin ich ja hier. Wir sind für morgen bei Sophie und Paul zum Weihnachtsessen eingeladen, sie hatte mich gestern früh angerufen und uns beide eingeladen, toll, oder?“, sagte sie und zauberte somit ihrem Vater ein Lächeln ins Gesicht.

      „Oh schön, das freut mich sehr. Dann komme ich auch wieder mal raus“, meinte er glücklich und Anne war zufrieden.

      „Ja, ich finde es auch schön. Ich werde dich morgen Nachmittag abholen, wir fahren gemeinsam zur Kirche und gehen in den Weihnachtsgottesdienst. Danach ist dann das leckere Essen bei der Familie Böhm, das wird sicher ein schöner und lustiger Weihnachtsabend“, sagte sie zu ihrem Vater.

      Sie aßen das Essen, das Anne mitgebracht hatte, tranken Kaffee und aßen Kekse, ein wenig später verabschiedete sich Anne und machte sich auf den Heimweg. Die Gedanken in ihrem Kopf spielten verrückt.

      „Warum geht es meinem Vater so schlecht? Er sieht gar nicht gut aus und ich, ich habe nie etwas gemerkt“, machte sich Anne Vorwürfe, stützte ihren Ellbogen auf das Innenfenster und legte ihren Kopf in die Hand.

      „Als ich letzte Woche bei ihm war, ging es ihm doch noch so gut und jetzt auf einmal hatte er eine Kreislaufschwäche. Ich verstehe das einfach nicht, hoffentlich ist er bald wieder fit“, meinte sie traurig und drehte das Radio lauter.

      **

      Dienstag, 27. Dezember 2011

      Anne und ihr Vater verbrachten wunderschöne Weihnachtstage, es war sehr schön bei der Familie Böhm und alle genossen es.

      Denn auch Sophie und Paul fanden es gut, in diesen Feiertagen nicht alleine zu sein, denn ihre beiden Töchter waren ja nach Australien ausgewandert und hatten ihre Eltern alleine in Luxemburg zurück gelassen.

      Sie telefonierten viel über Skype, auch Anne machte das so, denn sie vermisste ihre beiden Freundinnen genauso wie die Böhms ihre Töchter. Aber das ist nun mal so, und ja, es ist auch gut so. Zoe und Lina haben in Australien ihr Glück und die große Liebe gefunden.

      Als Anne an diesem Morgen in ihrer kleinen Küche saß und über ihre Freundinnen nachdachte, überkam sie das Gefühl der Traurigkeit.

      Sie dachte an Joshua.

      „Ach, ich würde so gerne wissen, wie es ihm geht, oder ob er auch öfter an mich denkt“, meinte sie zu ihren Vögeln.

      „Verdammt, warum hat er mich bloß geküsst? Ich vermisse ihn und weiß nicht, was ich dagegen tun soll“, sprach sie mit sich selbst, stand auf und trug ihre Tasse zur Spüle.

      Anne sah aus dem Fenster, überlegte kurz und beschloss, ihren Vater zu besuchen, denn sie hatte diese Woche noch Urlaub. Sie zog sich an und machte sich etwas hübsch, schloss die Tür hinter sich ab und machte sich auf den Weg zu ihrem Papa.

      Die Freude war groß, doch das würde sich an diesem Tag leider schnell ändern.

      Anne kam bei der Wohnung von Michael an, doch als sie klingelte öffnete ihr niemand die Tür, sie klingelte erneut, aber es rührte sich nichts. Anne nahm das Telefon aus ihrer Tasche und versuchte ihn zu erreichen. Sie hörte das Telefon innerhalb der Wohnung läuten, aber es folgten keine Schritte, Schritte die zu dem Telefonapparat gingen um endlich abzuheben. Anne wurde nervös und ungeduldig, denn Michael war immer zuhause, die Einkäufe erledigte jetzt seine Pflegerin. Es hieß, ihr Vater solle sich in den nächsten Tagen und Wochen etwas schonen, um wieder auf die Beine zu kommen.

      Als Anne umkehrte und zum Auto gehen wollte, kam ihr die Nachbarin entgegen und rief ihr zu:

      „Hallo Kleines, was machst du denn hier? Bist du denn noch gar nicht auf dem Weg ins Krankenhaus?“, fragte sie, und Anne bekam weiche Knie.

      „Hallo Frau Williams. Warum denn ins Krankenhaus? Ist etwas passiert?“, fragte sie sofort nach, und die alte Dame ging auf Anne zu.

      „Haben sie dich denn noch nicht angerufen? Dein Vater wurde vor einer halben Stunde mit dem Rettungswagen abgeholt und eingeliefert. Ich weiß nur so viel, dass er von der Treppe runter gestürzt war und sie vermuten, dass er einen Herzinfarkt hatte“, versuchte sie Anne so schonend wie möglich beizubringen.

      „Oh mein Gott, ich muss sofort zu ihm. Vielen Dank Frau Williams“, sagte sie schnell und lief zum Auto.

      Anne raste ins Krankenhaus und fragte an der Anmeldung sofort nach ihrem Vater. Ihr wurde gesagt, dass er sich derzeit im OP befand und sie warten musste.

      Sie fuhr mit dem Lift in das Stockwerk, wo sich der OP befand, sie erkundigte sich, ob es schon was Neues von ihrem Vater gab. Doch die Krankenschwester sagte nur, sie solle doch bitte im Wartezimmer Platz nehmen und warten, bis der Doktor mit der Operation fertig war. Es dauerte Minuten, nein Stunden, es kam ihr ewig vor und es war wieder ein Augenblick in ihrem Leben gekommen, an dem sie sich alleine fühlte. Sie saß im Krankenhaus im Wartezimmer und wartete nun seit zwei Stunden, bis sie mit der Operation fertig waren. Anne war alleine, alleine mit ihrer Angst und ihren Sorgen. Sie fragte sich, ob sie vielleicht Sophie anrufen sollte, um ihr zu sagen, was mit Michael geschehen ist. Doch Anne beschloss, damit noch zu warten, es könnte doch nicht mehr lange dauern, ihr Vater war stark und er würde das schon überstehen und bald wieder ganz gesund sein. Anne holte sich noch einen Kaffee aus dem Automaten. Hm, naja, wenn man es so nennen konnte.

      Sie setzte sich wieder in das Wartezimmer und wartete, stand auf und lief im Gang auf und ab, als auf einmal ein Doktor durch die OP-Tür kam.

      Anne ging sofort schnurstracks auf ihn zu.

      „Herr Doktor, wie geht es meinem Vater? Ist alles in Ordnung mit ihm? Wird er wieder gesund?“, fragte sie schnell und ängstlich. Der Doktor sah Anne in die Augen und nahm sie am Arm.

      „Frau Weber?“, meinte er fragend und Anne nickte.

      „Kommen Sie kurz mit, setzen wir uns“, meinte er und sie wurde ungeduldig.

      „Ich will mich nicht setzen, denn ich sitze nun schon seit fast drei Stunden hier rum. Herr Doktor, sagen mir doch bitte endlich, was mit meinem Vater los ist, was hatte er und wie geht es ihm?“, fragte sie ungeduldig und drängte ihn auf eine Antwort.

      „Es tut mir leid. Ihr Vater ist schwer gestürzt, er hatte vermutlich einen Herzinfarkt und er wurde mit schweren inneren Blutungen eingeliefert“, sagte er und sprach weiter.

      „Wir haben ihn sofort notoperiert, doch wir konnten leider die Blutungen nicht stoppen. Ich muss ihnen leider mitteilen, dass das Herz von ihrem Vater diese inneren Blutungen nicht verkraftet hat und aufhörte zu schlagen“, erklärte er ihr mitfühlend und tätschelte