Nelia Gapke

Eva Sofie


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du? Sonst könnten deine Kopfschmerzen womöglich schlimmer werden.“

      Sie nickte und wischte sich die Tränen weg.

      „So ist es schon besser“, meinte er zufrieden, stellte die Tüten mit der Kleidung auf den Boden und setzte sich auf den Stuhl. „Die Sachen kannst du ja später anprobieren, vielleicht kann dir eine von den Krankenschwestern dabei helfen.“

      „Ja. Ani hat heute nachmittags Dienst. Sie wird mir bestimmt helfen. Sie kümmert sich sehr um mich.“

      „Das ist schön. Dann hast du also schon zwei Freunde gefunden.“

      Sie nickte und verzog plötzlich schmerzvoll das Gesicht. Er sah sie besorgt an.

      „Hast du Schmerzen? Soll ich wieder gehen?“

      Sie schloss die Augen und schwieg einen Moment, bevor sie wieder die Augen aufschlug und ihn ansah.

      „Nein, bleib bitte noch. Es ist schon wieder vorbei.“

      „Tut es sehr weh?“

      „Manchmal, schubweise. Die Medikamente unterdrücken zwar den Dauerschmerz, doch ab und zu fühlt es sich wie ein Krampf im Kopf an, der zum Glück immer nur von kurzer Dauer ist.“

      „Wenn es dir zu anstrengend wird und du wieder deine Ruhe brauchst, dann sag bitte Bescheid.“

      „Das mache ich.“

      Er sah sie an und rieb nachdenklich sein Kinn.

      „Weißt du, was ich mir überlege? Vielleicht sollten wir für dich einen Namen ausdenken, bis du dich an deinen richtigen wieder erinnern kannst?“

      Sie zog die Schultern hoch und sah ihn unsicher an, nickte dann aber langsam.

      „Vielleicht hast du Recht. Dann hätte ich einen richtigen Namen und wäre nicht mehr die junge Dame aus dem Zimmer elf. Hast du einen Vorschlag?“

      Er überlegte kurz.

      „Wie wär’s mit Eva? Eva, wie die erste Frau?“

      Der Name war kurz aber trotzdem schön.

      „Wieso nicht? Eva, finde ich gut.“

      „Dann heißt du also ab jetzt, Eva.“

      Sie blickte ihn lächelnd an.

      „Ich bin gespannt, was die Schwestern dazu sagen werden.“

      „Die werden ganz bestimmt froh sein, dass sie dich mit einem so kurzen Namen anreden können. Die junge Dame aus dem Zimmer elf, war doch ein ganz schön langer Name, nicht?“

      Sie lachte.

      „Du hast Recht. Ani soll es als Erste erfahren.“

      Es freute ihn, sie zum Lachen gebracht zu haben. Sie hatte ein schönes, glockenhelles Lachen. Er überlegte, wie alt sie wohl sein mochte? Sie sah mit ihren zarten Gesichtszügen und den großen blauen Augen sehr jung aus. Er schätzte sie auf etwa sechzehn Jahre.

      „Ich hoffe, dass es dir, wenn ich dich das nächste Mal besuchen komme, noch etwas besser geht und wir dann eine Runde im Park spazieren können.“

      „Wann kommst du denn wieder her?“

      Er überlegte kurz.

      „Ich denke mal, dass ich am Samstag wieder Zeit haben werde.“

      Sie schenkte ihm ein erfreutes Lächeln, doch schon im nächsten Moment bekam ihr Gesicht einen unglücklichen Ausdruck.

      „Andres, ich muss dich schon wieder um etwas bitten.“

      „Ja, nur zu.“

      Sie zögerte kurz.

      „Ich… ich bräuchte Straßenschuhe, um nach draußen gehen zu können. Die Stoffpantoffeln, die ich habe, würden sofort schmutzig werden. Ich werde dir das Geld, das du für mich ausgibst, wieder zurückgeben, sobald ich mich erinnern kann, wer ich bin. Vielleicht verdiene ich ja schon selbst oder ich habe Eltern, die dir das Geld werden abgeben können…“

      Er blickte sie tadelnd an.

      „Ich will nichts mehr davon hören. Hast du mich verstanden? Wenn du Schuhe brauchst, dann kaufe ich dir welche, aber dafür messe ich auf jeden Fall deinen Fuß aus, damit ich weiß welche Größe ich dir kaufen soll. Ich frage bei den Schwestern nach einem Maßband oder wenigstens einem Lineal.“

      Er verließ das Zimmer und Eva blickte ihm nach. Sie war so froh, dass sie Andres hatte. Sie war ihm auf jeden Fall zu großem Dank verpflichtet. Er hatte ihr nicht nur das Leben gerettet, sondern kümmerte sich auch jetzt noch um sie.

      Andres kam wieder ins Zimmer zurück und hielt grinsend ein Lineal in die Höhe.

      „Ich war erfolgreich!“ Er trat an ihr Bett heran und meinte lächelnd: „So, und nun steck deine Füße heraus.“

      Sie gehorchte und streckte ihre Füße unter der Decke hervor. Er setzte sich an den Bettrand, ergriff ihren schmalen Fuß und hielt das Lineal an ihre Sohle. Sie entzog ihm ruckartig ihren Fuß und kicherte.

      „Es ist kitzelig!“

      Er schüttelte missbilligend den Kopf.

      „Kitzelig hin oder her, du musst es aushalten. Schließlich willst du die Schuhe ja haben.“

      Gehorsam streckte sie ihm ihren Fuß wieder hin. Er maß die Länge ihres Fußes, so gut es mit dem Lineal ging, ab. Sie presste ihre Lippen fest zusammen, um nicht wieder loszukichern.

      „Ich messe am besten auch noch die Breite deines Fußes, um es den Schuhverkäufern etwas einfacher zu machen.“

      Er maß also auch die Breite ab und ließ ihren Fuß wieder los. Holte dann sein Handy aus der Tasche und tippte die Maße dort ein, um sie nicht zu vergessen.

      „So, und nun muss ich los, sonst jagen mich die Krankenschwestern gleich hier raus. Sie haben mich schon gewarnt, dass die Besuchszeit zu Ende ist.“

      Er erhob sich, beugte sich vor und drückte sanft ihre Hand.

      „Bis Samstag, Eva.“

      Sie erwiderte seinen Händedruck.

      „Tschüss, Andres.“

      *

      Tante Milvi kam gerade aus dem Haus, als Andres aus seinem Auto stieg.

      „Guten Abend, Tantchen“, grüßte er lächelnd.

      Sie schüttelte zweifelnd den Kopf.

      „Guten Abend, mein Junge. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es ein guter Abend für dich wird.“

      „Wieso sollte er nicht gut werden, wenn er es doch schon ist?“, entgegnete er gut gelaunt.

      „Nun, dich erwartet eine Überraschung im Haus. Und verzeih mir, deiner alten Tante, dass ich geplappert habe. Ich wusste nicht, dass deine Freundin nicht im Bilde war, wo du hingefahren bist. Sie ist regelrecht explodiert, als ich es ihr gesagt habe“, sie sah ihm ins Gesicht, „Silvie hat auch Neli aus dem Haus gejagt. Sieh dir deine Hündin nur an.“

      Andres blickte zur Hundehütte. Neli lag zur Hälfte drin, ihr Kopf auf die Vorderpfoten gelegt, und blickte ihn traurig an. Andres seufzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

      „Danke, dass du mich gewarnt hast.“

      Tante Milvi nickte.

      „Die Milch steht, wie immer im Kühlschrank, die Kuh und die Hühner habe ich gefüttert. Um Neli kümmere dich bitte selbst, denn ich glaube nicht, dass Silvie ihr was zum Fressen gegeben hat.“

      „Ich danke dir Tante. Du bist und bleibst mein Schatz.“

      Er umarmte sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Tante Milvi winkte ab.

      „Ich mache es doch gerne. Und außerdem habe ich auch etwas davon. Du brauchst dich also nicht immer dafür zu bedanken. Wie geht es denn deinem