Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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irgendeinem Museum? Die müssen dir doch die Bude eingerannt sein?“

      „Tja Sarah, dazu kommen wir gleich.“

      „Was ist das wert?“

      Nachdenklich, als müsse er nach einer Antwort suchen, schüttelte Bernhard den Kopf.

      „Du hattest damals nicht ganz Unrecht. So wie es hier steht, ohne Bezug auf jegliche individuelle Interessen…, ich glaube so um die fünf bis sechs Millionen.“

      Sprachlos, den Mund vor Erstaunen geöffnet, starrten die Beiden Kuntz an.

      „Ja, ja, ihr habt richtig gehört. Das ist schon ein mächtiges Ding. Und du hast noch mal Recht. Sie sind uns die Bude eingerannt. Es gab Augenblicke, da war ich mir nicht mal mehr sicher, ob ich Museumsverwalter oder Polizeidirektor bin.“

      „Wenn die das in Glostelitz erfahren, flippen die aus.“

      Kuntz unterbrach Sarah mit einem kurzen: „Erfahren sie ja nicht. Jedenfalls nicht von euch.“

      „Aber…, warte…, du hast gesagt, wir sind vielleicht die letzten Außenstehenden, die das sehen? Und was meinst du mit ideellen Interessen?“

      „Kommt. Lasst uns nach nebenan gehen.“

      Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ Kuntz die Räumlichkeiten. Immer noch überwältigt von dem Anblick folgten Sarah und Frank dem Direktor den Flur entlang in einen Art Konferenzraum. Die drei nahmen Platz. Vor ihnen lagen verschiedene Akten, Dossiers wie es schien. Ein Haufen Papierkram jedenfalls.

      „Nehmt Platz.“

      Während sich Kuntz die Brille auf die Hälfte der Nase schob, wühlte er in einer der Akten. Mit skeptischem Blick zog er behutsam ein Schreiben hervor. Das Papier unterschied sich von der Qualität der anderen erheblich. Edles Büttenpapier, fein marmoriert mit einem, trotz der Schrift, gut zu erkennenden Wasserzeichen. Anscheinend irgendein Wappen. Die Zeilen schienen per Hand geschrieben. Auf alle Fälle sah das Schreiben vornehm aus, fast wie ein königliches Papier, in Wichtigkeit wohl kaum zu überbieten.

      „Es wurden Ansprüche gestellt. Besitzansprüche.“

      Während Kuntz, fast schon ein wenig hoffnungslos zu Gehör brachte, was ihm seit Tagen auf der Seele brannte, verteilte er Kopien von dem Schreiben. So konzentriert Frank das Schreiben las, so oberflächlich überflog Sarah es. Ab und an blickte sie zu Kuntz. Eigentlich erwartete sie von ihm, etwas ganz Anderes zu hören, als dass irgendwer jetzt Ansprüche stellt. Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her.

      „Banque pour l’art- schon mal was von gehört?“, fragte Kuntz in den Raum hinein ohne seinen Blick von dem Schreiben zu nehmen. Jetzt schaute auch Sarah kurzeitig konzentrierter auf das Schreiben.

      „Bank für Kunst?“

      „Eine Schweizer Bank. Sitz in Bern, gegründet irgendwann mal in Lausanne.“

      Während Sarah das Schreiben durchblätterte, blickte sie ab und an erwartungsvoll zu Kuntz. Der ließ sich aber nicht beirren.

      „Also. Ich versuche es mal kurzzufassen. Diese Banque pour l’art vertritt die Ansprüche einer sogenannten Ruben Compagnie. Sie sind der Meinung, nachweisen zu können, dass die gefundenen Kunstgegenstände Teil eines größeren Privatvermögens sind und damit ihnen gehören.“

      „Der Bank?“

      „Nein. Dieser Compagnie. Die Bank verwaltet deren Vermögen und vertritt mit einer Armada von Anwälten, selbstredend mit Vollmacht, die Ansprüche von denen. Die haben natürlich ein Interesse daran, den Rest auch noch unter ihre Fittiche zu bekommen. Verständlich.“

      Frank schien irritiert. „Eine Bank die nur Kunstgegenstände verwaltet?“

      „Tja, so lernt man immer mal wieder was dazu. Ich habe so was auch noch nicht gewusst.“

      „Gibt es Informationen über diese Bank oder dieser Ruben Compagnie?“

      Kuntz verneinte die Frage mit einem eindringlichen Kopfschütteln. Frank hakte nach. „Google, Wikipedia, Nichts?“

      „Nichts! Nicht die kleinste Information. Ein kaum zu erkennendes Bild von dem Gebäude in Bern, nichts Spektakuläres.“

      „Ist das Rechtens…, und woher wissen die überhaupt davon?“

      Kuntz nahm seine Brille ab und lehnte sich zurück.

      „Wenn man so was findet, musst du nachforschen wem es gehören könnte. Außerdem gibt es ein sogenanntes Art-Loss-Register.“

      „Art-Loss-Register?“

      „Eine weltweite Datenbank über verlorene Kunstgegenstände. Da werden alle gestohlenen oder vermissten Kunstgegenstände aufgelistet.“

      „Alle?“

      „Ein Großteil jedenfalls. Mit Kunstgegenständen ist das so eine Sache. Manche sucht man, manche werden gefunden, andere werden gestohlen, wieder andere sollen gar nicht gefunden werden usw., usw. Auf alle Fälle können wir uns das nicht einfach in die Vitrine stellen. Auch wenn wir das gerne wollen, wir müssen erst mal klären, wem das gehören könnte.“

      „Die Russen machen es aber nicht so kompliziert.“

      „Oh, das ist ein anderes Kapitel. Hier aber scheinen die Besitzverhältnisse klar auf der Hand zu liegen. Es gibt internationale Abkommen, die besagen in solchen Fällen zu prüfen, inwiefern es sich tatsächlich um Beutekunst oder etwas Ähnliches handelt. Offiziell nennt man das ja Restitutionsansprüche. Und glaube mir eins, die es darauf anlegen, die kriegen das auch mit. Für die hat das oberste Priorität. Die haben ihre Augen und Ohren überall. Dieses Art-Loss-Register ist auf dem Computer bei solchen Leuten in der Favoritenliste ganz oben. Bei jedem neuen Eintrag klingeln bei denen die Alarmglocken. Diese Ruben Compagnie hat Unterlagen, Besitzurkunden bzw. Kaufverträge die angeblich zweifelsfrei belegen, dass diese Kunstgegenstände aus jüdisch-russischem Besitz ihnen gehören.“

      Während Frank in den Schreiben blätterte, wandte Kuntz sich an Sarah, die auffällig ruhig geblieben war.

      „Was sagst du dazu?“

      Sarah machte den Eindruck mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein, sie schien gar nicht zuzuhören. Langsam drehte sie sich zu Kuntz.

      „Bevor du dir meine Meinung anhörst, willst du mir nicht erst mal was sagen?“

      Kuntz nickte bedächtig, als würde es ihm gerade wieder einfallen.

      „Du hast Recht. Ich hätte dich erst mal fragen sollen. Dass ich dabei deine Hilfe brauche, habe ich ja schon gesagt. Diese komische Bank wünscht, und das müssen wir wohl auch tun, dass ihr ihnen sämtliche Unterlagen die uns zur Verfügung stehen, zukommen lasst. Die prüfen dann, ob es sich auch wirklich um die gesuchten Kunstgegenstände handelt und ihr müsst prüfen, ob diese Ansprüche berechtigt sind. Soll heißen, ihr seid vor Ort, natürlich in direkter Verbindung mit meiner Kommission.“

      Frank schien irritiert.

      „Aber wir leben doch im 21.Jahrhundert. Warum mailen oder faxen sie denen die Listen nicht einfach runter.“

      „Das darfst du mich nicht fragen. Vermutlich, weil alleine die Listen und Unterlagen die wir haben schon ein Vermögen wert sind. Abgesehen davon haben wir das schon getan, deshalb ja die konkreten Ansprüche und nun müssen wir die ihnen im Original vorlegen. Wie sollen die sonst ihre Echtheit prüfen?“

      „Aber man kann das doch schicken? UPS oder so.“

      Skeptisch wackelte Kuntz mit seiner Hand.

      „Nein, nein. Die wünschen, dass ihnen das persönlich übergeben wird. Die übernehmen auch die Kosten. Flug, Leihwagen, Hotel usw., das ganze Programm.“

      Frank lehnte sich zurück. Sein Blick richtete sich zu Sarah. Auch Kuntz drehte sich ihr zu.

      „Was sagst du Sarah? Wenn es nicht so ernst wäre, würde ich es euch als kleinen Erholungstrip verkaufen.