Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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ihr ein Schmunzeln. Die Tür wurde aufgerissen und Lisas freudestrahlendes Gesicht ließ Sarahs Wohlfühlpegel sofort nach oben steigen.

      „Schlüssel vergessen?“

      „Weiß ich, ob du mit Philipp gerade wieder rumturnst?“

      „Sturmfrei! Philipp muss den Alten nach Schwerin fahren.“

      „Stimmt, na dann…“

      Die beiden umarmten und küssten sich. Lisa löste sich aus der Umarmung und schaute Sarah sich auf die Lippe beißend eindringlich an.

      „Warte. Bevor du reinkommst muss ich dir sagen, dass ich…, ich habe geahnt…, man Scheiße, ich weiß nicht wie ich es dir sagen soll. Aber ich hatte so ein Gefühl, ich habe geahnt, dass Kuntz dich nicht wieder zurück in den Polizeidienst holt. Ich wusste bloß nicht, wie ich dich darauf vorbereiten soll. Ich erfahre sowas ja als Letzte, aber ich habe es geahnt.“

      Sarah schaute Lisa regungslos ohne ein Wort zu erwidern an.

      „Jetzt bist du sauer? Verstehe ich, aber…“

      „Hör auf“, wurde sie unterbrochen. In Sarahs Gesicht kam das Freundliche zurück.

      „Solange bin ich nun auch nicht weg. Ich kenne die Hierarchien, und dass Kuntz das nicht an die große Glocke hängt, ist mir schon klar.“

      „Aber als deine Freundin…“

      „…wird er dich bestimmt nicht als Erste davon in Kenntnis setzen. Aber Frank, Frank wusste es, und das stinkt mir.“

      Lisa schien erleichtert.

      „Ok, dann komm rein und lass uns über Frank herziehen.“

      Sarah war wieder hin und hergerissen zwischen ihrem eigenen Gemütszustand und dieser nimmermüden Frische und unkonventionellen Lebensfreude, die Lisa ausstrahlte.

      „Mach‘s dir bequem. Ich habe ne Pizza im Ofen. Dauert noch, aber mach schon mal den Wein auf. Dann können wir besser lästern.“

      Während sich Sarah die Jacke auszog, beobachtete sie Lisas Rumhantieren in der Küche. Ein kurzes Lachen untermauerte die Verwunderung über deren Tun. Mit Topflappen an den Händen und einem Geschirrtuch über der Schulter kämpfte sie mit den Dampfschwaden, die durch die offene Herdklappe entwischten.

      „Na sage mal, macht es dir neuerdings Probleme die Pizza aus der Schachtel zu nehmen?“

      Lisa hielt inne, richtete sich auf und starrte Sarah an, als hätte sie etwas Weltbewegendes zu verkünden.

      „Das ist eine echte Pizza! So richtig mit Teig und Tomaten und Käse und so.“

      Sarahs Verwunderung irritierte sie.

      „Guck nicht so. Ich habe dir eine richtige Pizza gebacken. Den halben Tag steh ich hier schon in der Küche. Die Hälfte der Zeit hatte ich damit zu tun, die Bedienungsanleitung zu suchen. Ich wusste gar nicht, wie so ein Backofen funktioniert. Bis jetzt war ich froh, wenn ich den richtigen Knopf für die richtige Herdplatte gefunden habe.“

      Ein wenig abwesend durchstreifte Sarah den Raum ohne auf Lisas Bemerkung einzugehen. Sie musterte das Loft. Alles war aufgeräumt. Das Bett war gemacht. Keine umherliegenden Sachen, keine vollen Aschenbecher, ja selbst die Badewanne mitten im Raum schien wie gerade aufgestellt und frisch poliert. Auch Lisas Computerecke mit all den Bildschirmen, Tastaturen und sonst was für technischen Schnickschnack schien System zu haben. Sie drehte sich Lisa zu und fühlte sich bei ihrer Beobachtungstour erwischt. Für einen kurzen Augenblick verharrten sie von Angesicht zu Angesicht. Vermutlich dachten beide gerade dasselbe, zögerten aber es auszusprechen. In Sarahs Gesicht machte sich zaghaft ein Lächeln breit und sie fragte mit leiser Stimme:

      „Ist es jetzt soweit? Sind wir jetzt so wie wir nie werden wollten? Alt und spießig?“

      „Keine Ahnung. Das habe ich mich aber auch schon gefragt.“

      Lisa wuchtete das Blech mit der Pizza auf den Tisch. Dampfschwaden suchten sich ihren Weg zur Zimmerdecke. Ihr Blick richtete sich auf die echt lecker aussehende appetitlich duftende Pizza.

      „Das Schlimmste ist ja, ich finde Gefallen daran.“

      Sarah machte es sich, ohne ihre Freundin aus den Augen zu lassen, an der Küchentheke auf einem Hocker bequem.

      „Woran?“

      „Na daran, dass ich gerade ein anderer Mensch werde.“

      „Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Ich fand dich eigentlich ganz in Ordnung so wie du warst.“

      Lisa drehte sich ab und starrte nachdenklich aus dem Fenster. Sie schien kurz zu überlegen, drehte sich dann aber wieder Sarah zu.

      „Du bist doch schuld.“

      „Ich?“

      „Na sei doch mal ehrlich, was haben wir denn gemacht. Wir waren arbeiten, was ja schon mal nicht schlecht ist. Du warst eine der besten Polizistinnen die ich kenne und meinen Job mache ich, glaube ich, auch ganz gut. Aber ansonsten haben wir uns in der wenigen Zeit, die wir frei hatten, doch nur vom Leben treiben lassen. Wir haben gequatscht, getratscht, Wein getrunken, sind um die Häuser gezogen und haben uns, wenn wir Lust hatten, die Seele aus dem Leib vögeln lassen. Aber außer in unserem Job haben wir doch nie was Richtiges gemacht, nie Verantwortung übernommen.“

      „Verantwortung? Bist du schwanger?“

      Lisa legte ihr Stück Pizza umgehend zurück aufs Blech und fasste sich an den Bauch.

      „Wie kommst du denn darauf. Sehe ich fett aus?“

      „Quatsch! Aber was meinst du mit Verantwortung? Du weißt schon, dass mit Verantwortung übernehmen nicht gemeint ist, dafür zu sorgen, dass regelmäßig Bierflaschen im Kühlschrank stehen?“

      „Na einfach alles. Das geht doch los damit, einfach mal die Bude aufzuräumen und das geht weiter damit, für Andere da zu sein.“

      „Für Andere? Ich glaube, ich kann dir nicht folgen. Redest du von Philipp?“

      „Zum Beispiel. Wenn man jemanden liebt, muss man doch auch für ihn da sein. Dafür sorgen, dass er sich in deiner Nähe wohlfühlt. Man muss für zwei denken. Ist das nicht eine Art von Verantwortung?“

      „Äh…, ja…, ich glaube schon.“

      Sarah hatte schwer damit zu tun, Lisas Gerede zu verarbeiten. Eigentlich wollte sie sich ja bei ihr ausheulen, aber im Moment schien es, dass Lisa jemanden brauchte, der ihr zuhört.

      „Hast du gerade gesagt, wenn man verliebt ist?“

      Lisa schaute Sarah an, als hätte sie etwas ausgefressen.

      „Ich mache mir Sorgen, wenn Philipp zwei Tage mit Kuntz durch die Gegend düst. Ich mache mir keine Gedanken mehr, ob es irgendwo einen Mann gibt, der besser für mich wäre, ich mache mir vielmehr Gedanken darüber, wie es mit Philipp noch besser werden könnte. Früher…, früher wollte ich gevögelt werden, heute will ich geliebt werden.“

      „Scheiße…“

      „Sag ich doch.“

      „…es hat dich voll erwischt!“

      „Erwischt ist das richtige Wort. Ich erwische mich dabei, wie ich zum Rauchen immer öfter auf den Balkon gehe. In meiner Bude. Oder wie ich’s mir sogar ganz verkneife. Philipp mag das nicht.“

      „Kenn ich.“

      „Ich merke das, aber er sagt nichts. Früher wäre mir das scheißegal gewesen, aber jetzt, schau mich doch an, ich stehe hier in der Küche und backe Pizza. Für ihn habe ich auch schon was gebrutzelt und es hat ihm sogar geschmeckt, …hat er jedenfalls gesagt.“

      „Also auf den Balkon zu gehen oder weniger zu rauchen, ist definitiv verantwortungsvoll! Aber wieso ist das meine Schuld?“

      Erneut starrte Lisa Sarah an, als würde ein großer Moment bevorstehen.

      „Ich weiß nicht