Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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stehe auf Kitsch, also raus damit.“

      „So ein Quatsch! Du stehst auf alles andere, aber nicht auf Kitsch.“

      „Egal, raus damit.“

      „Deinetwegen bin ich dabei, ein vernünftiger Mensch zu werden.“

      „Oh warte. Kannst du mir das schriftlich geben. Oder noch besser, kannst du meine Eltern anrufen, die glauben mir das sonst nicht.“

      Lisa reagierte mit ernster Miene auf Sarahs lapidar ausgesprochener Bemerkung.

      „Ernsthaft! Das, was dir passiert ist…, was in Globelitz passiert ist…“

      „Glostelitz.“

      „…sag ich doch. Wie du dich um diese Sina, um den neuen Friedhof, die Kirche, diesen Benno gekümmert hast. Deine Liebe zu Frank und seiner Tochter, all das hat mich zum Nachdenken animiert. Scheiße, wie kannst du nur so ein toller Mensch sein?“

      Sarah hockte verlegen, gerührt und ein bisschen stolz auf ihrem Hocker. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Langsam fasste sie sich wieder. Wusste Lisa mehr als sie sagen wollte und war das vielleicht nur der Versuch, sie zu überreden, mit Frank nach Bern zu fliegen? Sie zweifelte kurz an Lisa, war sich aber nicht sicher. Nein! Lisa war immer gerade heraus. Schließlich hatte sie ihr auch gleich an der Tür gesagt, was sie für ein ungutes Gefühl in Bezug auf ihre weitere berufliche Zukunft hatte. Sarah überlegt, ob sie Lisa jetzt sagen müsste, was sie für sie ist. Ihr sagen, wie sehr sie es genossen hat, mit ihr den erlebten Polizeialltag mit all seinen negativen Eindrücken in der bisschen dienstfreien Zeit hinter sich zu lassen. Wie sehr sie abspannen konnte, wenn sie quatschten, tratschten, Wein tranken oder sich, wie sie sagte, die Seelen aus dem Leib haben vögeln lassen. Ihr sagen, wie froh sie war, ihre Hilfe bei dem ewig nervenden Schreibkram zu haben. Wie sehr sie ihre Hilfe gebraucht hat, den Tücken der Computertechnologie entgegenzutreten. Wie wichtig sie war, wenn sie jemanden zum Ausheulen, ja manchmal sogar zum Auskotzen brauchte. All das könnte sie ihr jetzt sagen.

      „Weißt du…“

      „Nein“, wurde sie von Lisa unterbrochen. „Du musst jetzt nichts sagen. Ich weiß, was du denkst. Hebe es dir für den Augenblick auf, wo ich das vielleicht mal brauche.“

      „Ist jetzt nicht so ein Augenblick?“

      „Nein! Ich fühl mich im Moment ganz glücklich. Wenn es mir mal schlecht geht, dann kannst du mir sagen, was ich für eine tolle Freundin bin…, die sogar ne echte Pizza backen kann.“

      Da war es wieder. Lisas unvorstellbar schönes Lächeln, mit dem sie sie ansah. Langsam schob sie Lisa ihre Hand entgegen.

      „Ich wollte dir ja nur sagen, dass du ruhig noch eine Weile weiterreden kannst. Nein, mal ganz im Ernst, du irrst dich. Als ich damals erfahren habe, dass Frank über meine Vergangenheit Bescheid weiß, als ich hier bei dir war, damals vor einem Jahr, und du mich zusammengestaucht hast, da warst du für mich da. Da hast du sogar den Abend mit Philipp für mich sausen lassen…“

      „Echt? So was habe ich gemacht?“

      „Du hast dich für mich verantwortlich gefühlt. Also, so toll das auch alles klingt, was du da gerade gesagt hast. Du…, du verrücktes kleines Miststück…, du hast mich dazu gebracht endlich vernünftig und erwachsen zu werden.“

      Die beiden Frauen ließen für den Augenblick, ihre Hände ineinander verschlungen, nicht den Blick voneinander. Sie sagten kein Wort und verharrten so für den Moment.

      „Man. Das ist ja nicht mit anzuhören, was wir hier von uns geben. Genug Gefühlsduselei, können wir jetzt endlich was trinken und so tun, alles wären wir noch jung und verrückt.“

      Sarah konnte Lisas Wunsch nur mit einem Kopfnicken bejahen.

      „Außerdem bist du doch hier, weil dir was quer liegt? Frank vermute ich mal? Oder Kuntz? Oder beide?“

      „Ja, so in etwa der Reihenfolge.“

      Lisa goss Wein ein, schnappte sich ihr Glas, kam um den Tresen herum und machte es sich neben ihr bequem.

      „Aber denk dran, ich mag deinen Frank und wenn du auf dem falschen Dampfer bist, dann sage ich dir das.“

      Sarah musste lächeln. „So wie damals?“

      „So wie damals!“

      „Als Freundin?“

      „Genau, als Freundin!“

      Sarah suchte nach den richtigen Worten um Lisa von ihrem Gefühlskarussell zu erzählen.

      „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll?“

      „Na dann helfe ich dir. Ich weiß, dass es Ansprüche einer Schweizer Bank auf diese Kunstgegenstände gibt und dass Frank deshalb nach Bern muss. Und nun vermute ich mal, sonst wärst du nicht hier in Berlin und schon gar nicht hier bei mir, dass du da mit hinsollst. Nicht als Polizistin, sondern vielleicht im Auftrag dieser Sonderkommission. Du hast aber gehofft, dass du wieder als Polizistin da hinsollst. Richtig?“

      Wieder zweifelte Sarah kurz daran, ob Lisa nicht doch mehr weiß, als sie zugibt.

      „Woher weißt du das denn schon wieder?“

      „Na das haben wir doch gerade geklärt. Weil du meine Freundin bist. Weil ich weiß, was dich aus den Schienen drückt. Und weil ich eins und eins zusammenzählen kann.“

      „Schön, wenn das mit Frank auch so wäre.“

      „Ach, ich glaube das ist bei ihm auch so. Wenn ich das richtig deute, ist meine Vermutung richtig. Kuntz braucht dich da in Bern. Frank wusste das, wusste aber auch, dass das nicht über den offiziellen Weg als Polizistin geht und hat sich nicht getraut, dich vorzuwarnen. Und du, du bist beim Alten freudestrahlend ins offene Messer gelaufen.“

      Sarah, immer noch skeptisch über Lisas schnelle Auffassungsgabe, blieb nichts weiter übrig, als ihr mit einem Kopfnicken zuzustimmen.

      „Ich verstehe das.“

      „Was?“

      „Na, dass er dir nichts gesagt hat. Warum sollte er derjenige sein, der dir die Hiobsbotschaft überbringt. Vielleicht dachte er, wenn er in dem Augenblick bei dir ist, wo du es erfährst, reicht das. Wie ich dich kenne, reicht das aber nicht. Alle die dabei sind, sind Mitwisser, also mitschuldig.“

      „Wenn er mich liebt, dann…“

      „Warte, warte…“, wurde sie von Lisa unterbrochen. „Du verrennst dich da. Eben, weil er dich liebt. Er wollte dir nicht wehtun, dir nicht die Hoffnung nehmen. Wahrscheinlich hat er sich, seitdem er es erfahren hatte, nächtelang im Bett hin- und hergewälzt, weil er nicht wusste, wie er dir das verklickern soll. Man, so lange kennt ihr euch doch nun auch noch nicht. Das muss sich doch alles erst finden. Vielleicht wusste er auch, dass du, wenn du es weißt, sowieso nicht mitkommst und dir das nicht mal anhörst. Problem nur aufgeschoben.

      Grundsätzlich falsch, aber aus seiner Sicht nachvollziehbar und am bequemsten sowieso. Männer wählen immer den bequemsten Weg.“

      Sarah verfolgte aufmerksam, was Lisas ihr vorhielt. Ihre Mine verzog sich, weil sie mal wieder das Gefühl hatte, auf wenig Verständnis zu stoßen.

      „Man, früher war das einfacher mit dir. Da waren die Anderen schuld und du musstest mir nur zustimmen. Jetzt kriege ich immer bloß Ansagen von dir.“

      Lisa entgegnete Sarahs Worten mit einem verständnisvollen Lächeln.

      „Und hör auf so zu lächeln. Das macht es nicht einfacher für mich.“

      „Wer sagt denn, dass das Leben einfach ist. Erzähl mir doch erst mal, was ihr da sollt.“

      Sarah begann Lisa zu erzählen, was Kuntz und Waschkow ihr zu sagen hatten. Während sie redete, stellte sie erneut fest, wie Lisa ihr im Gegensatz zu früher aufmerksam zuhörte, ohne sie auch nur ansatzweise zu unterbrechen. Sie schien fast interessierter zu sein als sie selbst es von sich zugegeben hätte.