Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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ich doch. Auf alle Fälle packst du ein paar Sachen ein und dann fliegst du Donnerstag mit Frank nach Bern und machst das, was du am besten kannst. Für diese Sonderkommission arbeiten und dafür sorgen, dass die sich nicht den ganzen Schnickschnack einkrallen. Die Schweizer sind eh so ein komisches Volk. Die kotzen ihre Sätze immer.“

      „Ich soll klein beigeben?“

      „Wenn es das Richtige ist, kann man auch mal klein beigeben.“

      „Und Frank? Dem soll ich das einfach so durchgehen lassen?“

      Mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht warf Lisa den Autoschlüssel ein aufs andere Mal von einer Hand in die Andere.

      „Naja, du kannst ihn ja mit Sexentzug bestrafen. So ein zwei Tage. Je nachdem wie lange du es aushältst.“

      Sarahs Lächeln war gequält. Zu sehr hatte sie noch mit dem zu tun, was Lisa ihr unmissverständlich ins Gesicht geknallt hatte.

      „Und du? Wie kommst du morgen zur Arbeit?“

      Lisa unterbrach die Spielerein mit ihrem Autoschlüssel.

      „Ja stimmt. Du hast Recht. Die zehn Minuten, die man zu Fuß bis ins Präsidium braucht, die fahre ich mit dem Auto und lasse dich zwei Stunden mit‘n vollgekotzten Regio fahren.“

      „Der braucht keine zwei Stunden.“

      „Aber vollgekotzt ist er.“

      „Und wie kriegst du dein Auto wieder?“

      „Stell es am Flughafen ab. Ist doch gleich am Präsidium, außerdem habe ich doch meinen eigenen Chauffeur.“

      „Und die Schlüssel? Die lass ich stecken oder was?“

      „Die gibst du dem Alten, oder Philipp.“

      „Ich denke die sind in Schwerin.“

      Lisa beugte sich über den Tresen um Sarah ganz nah zu sein.

      „Eins kann ich dir versichern, Kuntz wird da sein. Und wenn er, bzw. Philipp, die ganze Nacht durchfahren müssen. Sie werden da sein.“

      „Na toll. Dann muss ich vor dem auch noch klein beigeben.“

      „Sarah! Das hatten wir doch gerade. Wenn es das Richtige ist..., außerdem kennt er dich doch. Er wird froh sein, dass du dir das überlegt hast. Er wird dir dankbar sein.“

      „Noch habe ich mich ja gar nicht entschieden.“

      Lisa nahm sich wieder zurück und legte dabei den Schlüssel in Sarahs Hände. Für einen Augenblick verharrten sie, ohne ihr Augenmerk voneinander zu lassen.

      „Na klar hast du. Und das mit Frank, das wird schon wieder.“

      „Was ist, wenn er mich gar nicht dabeihaben will? Vielleicht nerve ich ihn ja mit meinen ewigen Rumgezicke.“

      Nachdenklich schaute Lisa drein, eh sie sich wieder Sarah zuwandte.

      „Du hast Recht. Obwohl du so gut aussiehst, bist du eine ganz schöne Zicke!“

      „Alle gutaussehenden Frauen sind doch Zicken.“

      „Feines Mädchen! Ist ja schon mal ein Anfang, wenn du dich selbst in Frage stellst. Klar nerven wir die Männer mit unserem Rumgezicke. Schließlich sind wir Frauen. Männer wollen aber Zicken haben, sonst müssten sie sich ja nicht anstrengen. Und sei dir sicher, er will dich dabeihaben, und nicht nur, weil er dich braucht. Männer sind doch irgendwie alle gleich. Jedenfalls die Netten. Du musst als Frau nicht darauf schauen, was dir an einem gefällt, sondern darauf achten, wer wie am besten mit deinen eigenen Macken umgehen kann. Frank kennt deine Macken. Jedenfalls eine ganze Menge davon. Und er kann auch damit umgehen, und deshalb darfst du ihn nicht wieder loslassen.“

      *

      Das Gesicht in den Händen vergraben hockte Sarah auf einem Betonsims vor Franks Wohnhaus. Den ganzen Tag über hatte sie schon über Lisas Worte nachgedacht. Und nun war sie hier, ohne sich aber schlüssig zu sein über das, was sie gerade tut. Auch nach Gustavs lapidarer Bemerkung, er hätte es geahnt, hatte sie noch ihre Zweifel. Aber ihr wollte nichts Gescheites einfallen, um Lisas Worten etwas Sinnvolles entgegenzusetzen. Während sie hektisch durch ihr Haus eilte, um ein paar Sachen zu packen, beobachtete Gustav sie argwöhnisch. Irgendwann dann nahm er sie, ohne ein Wort zu verlieren in den Arm. Vorsichtig strich er ihr durch die Haare. Er spürte förmlich Sarahs Aufregung. Ihr Herz puckerte wie verrückt an seiner Brust.

      „Janz ruhig Kleene. Watte och vorhast, mach in Ruhe.“

      Sarah wollte nicht reden, genoss es aber, für den Moment in den Armen des alten Mannes zur Ruhe zu kommen. Keine Ahnung wie lange sie so verharrten. Irgendwann löste sie sich aus Gustavs Umarmung, schaute ihn an und klopfte ihm behutsam auf die Brust.

      „Wie geht’s dir alter Mann?“

      „Hah! Wie neujeboren!“

      „Kommst du ein paar Tage ohne mich zurecht?“

      „Klar! Hab ick sturmfrei? Kann ick ja mit Sina ne Party schmeißen.“

      Außer einem müden Lächeln hatte Sarah nichts mehr zu erwidern. Sie schnappte sich ihre Tasche, schaute sich noch mal um und machte sich auf nach Berlin, zu Frank, begleitet von ihren Selbstzweifeln.

      Nun saß sie hier und starrte vehement auf ihre gepackte Tasche zwischen ihren Füßen.

      „Sarah?“

      Während Franks Mutter, durch die Haustür kommend, ihrer Überraschung freien Lauf ließ, fiel Franzi ihr im Sturzflug um den Hals. Nur mit Mühe konnte Sarah ihr Gleichgewicht halten.

      „Scheinbar geht die Klingel nicht.“

      „Oh nein. Ich habe noch gar nicht geklingelt.“

      Franks Mutter verstand.

      „Na ja, noch ist er nicht da. Hat noch was zu erledigen bevor er morgen nach…, na ja, du weißt schon…“

      Sarah wirkte verstört und Franks Mutter bemerkte das. Sie wandte sich an Franzi.

      „Lässt du uns mal kurz alleine? Ich will nur ganz kurz mit…“

      „Ja, ja, ich verstehe schon. Erwachsenengespräch. Ich bin auf dem Spielplatz. Ruft mich wenn ihr fertig seid und vielleicht kann Sarah ja mitkommen?“

      Während sich Franziska langsam davonmachte, setzte sich Franks Mutter neben Sarah. Sie legte ihren Arm um ihre Schulter und zog sie an sich ran. Für den Moment verharrten die Frauen ohne ein Wort zu verlieren. Sie beobachteten Franziska beim rumtollen auf dem Spielplatz.

      „Du weißt…?“

      „Ein bisschen“, fiel ihr Franks Mutter ins Wort. „Aber ich werde mich in den ganzen Polizeikram nicht einmischen. Weißt du, ich war die Frau eines Möbeltischlers und du kannst dir denken, dass wir für unseren Sohn eine andere Vorbestimmung hatten. Es sah auch alles ganz gut aus. Er war handwerklich begabt, hat das ja auch gelernt. Aber irgendwann stand er in der Tür und wollte zur Polizei. Und das hier in Berlin. Da ist man froh, dass die Jungs nicht zur Bundeswehr mussten und dann so was. Eine Sportskanone war er ja schon immer. Na ja, und ein Gerechtigkeitsfanatiker sowieso. Ob auf dem Bolzplatz, in der Schule, im Verein, wo auch immer, wenn es irgendwo was zu schlichten gab, war er in vorderster Front. Wir haben gar nicht erst versucht ihn umzustimmen. Heute…, egal wie tief ich schlafe, bin ich froh, wenn ich nachts seinen Schlüssel höre. Das Geräusch, wie er langsam im Türschloss verschwindet. Den Dickkopf und vor allem das Durchsetzungsvermögen hat er von seinem Vater. Welche Eltern können es ihrem Sohn schon verdenken, wenn er zur Polizei gehen will.“

      „Na ja…, also ich kenne da welche.“

      „Ach, glaube das nicht. Deine Eltern waren bestimmt nicht weniger stolz auf dich als wir auf Frank. Vielleicht nicht gleich, aber spätestens bei diesem Richtfest in Glostelitz. Da waren sie nicht nur stolz auf das was du da vollbracht hast. Wenn man in so einem Augenblick erfährt, was das eigene Kind geleistet hat, dann schaut man auch zurück auf das, was davor