Bernd Radtke

Träume aus dem Regenwald


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und? Was soll ich denn anders machen, wenn meine Frau den ganzen Abend bei den feinen Leuten sitzt und glaubt, etwas Besseres zu sein.«

      »Sie sind nichts Besseres wie wir. Außerdem sind es meine Freunde.«

      »Deine Freunde, dass ich nicht lache. Dein feiner Lehrer würde doch auch am liebsten mit dir ins Bett gehen oder habt ihr es schon zusammengetrieben?« Adriano redete sich in Rage.

      Fassungslos starrte ihn Jaíra an.

      »Wie kannst du nur so etwas behaupten. Hans würde das nie tun.«

      »Glaubst du? Ich weiß wie die Männer sind.« Adrianos Stimme überschlug sich fast.

      »So wie du? Wie viele Frauen hast du denn schon sitzen lassen?«, rutschte es Jaíra heraus.

      Im gleichen Moment spürte sie einen harten Schlag im Gesicht. Tränen traten ihr in die Augen, mehr aus Enttäuschung, als aus Schmerz.

      »Komm endlich!«, herrschte er sie an und zerrte sie ins Kanu.

      Mit kräftigen Paddelschlägen trieb er das Kanu über den ruhigen Fluss. Jaíra starrte auf seinen Rücken und beobachtete, wie sich seine Rückenmuskeln im Takt der Paddelschläge bewegten. Ihre Hand hatte sie auf die Stelle gelegt, auf die sie Adriano geschlagen hatte; sie schmeckte Blut.

      Das war nicht ihr Adriano, so kannte sie ihn nicht. Hatten die Leute doch recht? Nein, das war nur ein Versehen, es war ihr Fehler gewesen, sie hatte ihn gereizt, er war anders geworden, er hatte sich verändert.

      Knirschend stieß der Bug ans Ufer. Adriano stieg aus und zog das Kanu höher, damit es nicht abgetrieben werden konnte. Er blickte zu Jaíra, die mit starrem Gesicht im Kanu saß. Ihre Blicke kreuzten sich und einen Augenblick sah er in ihre Augen.

      »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich kurz.

      Jaíra fühlte sich schuldig, sie hatte ihn so weit gebracht. Tatsächlich hatte sie sich den ganzen Abend nicht um ihn gekümmert, er musste böse sein. Hilflos stand sie vor ihm und zuckte mit den Schultern. Sie gingen in die Hütte. Kaum hatte er die Tür zugezogen, nahm er sie in die Arme.

      »Ich wollte dich nicht schlagen. Ich werde es nicht mehr tun«, entschuldigte er sich.

      Jaíra sagte nichts, sie sah ihn nur an. Adriano zog sie aufs Bett und griff nach ihrem Busen. Jaíra versuchte seine Hand wegzuschieben, erfolglos, Adriano ließ sich nicht davon abbringen und bedrängte sie weiter. Er ließ ihr keine Ruhe, bis sie schließlich aufgab und sich auszog. Seine Berührungen waren grob und hart. Nach dem kurzen Akt drehte er sich zur Seite und schlief gleich ein. Jaíra brauchte lange, bis sie endlich einschlief.

      Am anderen Morgen verlor Adriano kein Wort über den Vorfall, er benahm sich wie immer, trank seinen Kaffee und paddelte mit dem Kanu zur Arbeit. Deprimiert blieb Jaíra am Ufer zurück und blickte ihm nach. Gerne wäre sie zu ihrer Schwester oder zu der Ärztin gefahren. Da ihre Wange angeschwollen war und sie nicht wollte, dass jemand sie so sah, blieb sie lieber in der Hütte und machte sauber.

      Während sie die Hütte aufräumte, legte sie sich immer mehr Entschuldigungen für Adriano zurecht, immer wieder kam sie zu dem Ergebnis, dass es ihre Schuld gewesen war, dass er sie geschlagen hatte. Sie hatte schlimme Dinge zu ihm gesagt, jetzt, da er sich geändert hatte. Adriano war ihr ‚Boto’, sie liebte ihn und sie würde mit ihm glücklich werden, sie würde es schaffen.

      Als die Schwellung zurückgegangen war, besuchte Jaíra ihre Schwester. Juçara kletterte behäbig aus ihrer Hängematte und Jaíra musste lachen.

      »Warum lachst du?«, fragte Juçara.

      »Ich musste daran denken, dass du jeden Moment platzen könntest.«

      Entgeistert starrte Juçara ihre Schwester an, dann fing auch sie an zu lachen.

      »Manchmal denke ich das selber. Komm, setzt dich!« Sie deutete auf einen Stuhl.

      Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, fragte Juçara vorsichtig nach dem Vorfall in der Schule.

      »Was war eigentlich los, warum bist du so plötzlich von dem Fest weggegangen?«

      Juçara wusste mehr, als sie sagte. Viele Leute hatten das Geschehene mitbekommen und darüber geredet.

      »Ach, es war meine Schuld. Ich hatte mich die ganze Zeit nicht um Adriano gekümmert und er war sauer. Es ist wieder alles in Ordnung«, versuchte Jaíra das Thema herabzuspielen.

      »Warum lässt du dich so von ihm behandeln?«

      »Er hatte recht, ich habe nur an mich gedacht.«

      »Na und? Er hätte sich nicht so aufführen dürfen, außerdem war er betrunken.«

      »Er hatte etwas getrunken, betrunken war er nicht«, verteidigte sie ihn.

      »Seitdem du mit ihm zusammen bist, hast du dich ganz schön verändert, und nicht nur zu deinem Guten.« Juçara blickte Jaíra besorgt an. »Ich hoffe nicht, dass du mich jetzt auch als deine Feindin betrachtest. Früher konnten wir uns alles sagen und ich denke, dass das immer noch gilt.«

      »Es tut mir selber furchtbar leid, dass es so gekommen ist, jeder redet schlecht über ihn und jeder hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass er nicht gut für mich ist. Aber das ist er nicht! Wir lieben uns und wir sind glücklich.« Sie seufzte. »Ich fühle mich auch schlecht, dass ich mich mit den Eltern, mit Hans und vielen Freunden verkracht habe, aber ich konnte nicht anders.«

      »Ich hoffe, dass du mit ihm glücklich wirst«, sagte Juçara vermittelnd und drückte Jaíras Hand.

      Noch lange unterhielten sich die Schwestern über anderen Klatsch, wobei sie das Thema Adriano vermieden. Später verabschiedete sich Jaíra.

      »Ich gehe noch mal zu Margot und entschuldige mich wegen Adriano.«

      Mit einem flauen Gefühl im Magen machte sich Jaíra auf den Weg zu der Krankenstation. Zögernd trat sie ein. Margot war gerade dabei, die mitgebrachten Gegenstände zu verteilen und Ordnung zu machen. Eifrig steckte sie Mullbinden in die dafür vorgesehenen Kästchen in einem Regal. Erfreut sah sie auf, als sie Jaíra bemerkte.

      »Hallo, Jaíra! Schön, dass du vorbeikommst.«

      An ihrem erfreuten Gesichtsausdruck erkannte Jaíra, dass sie es ernst meinte und sich wirklich freute, sie zu sehen.

      »Komm, wir gehen in die Küche, ich kann jetzt erst mal eine Pause gebrauchen.« Sie ging voran und deutete auf einen Stuhl.

      »Setzt dich, möchtest du ein Stück Kuchen?«

      Jaíra nickte und setzte sich an den Tisch. Margot schenkte Kaffee aus einer Thermoskanne ein und legte jedem ein Stück Kuchen auf den Teller.

      »Noch ein paar Tage, dann habe ich alles fertig und es kann losgehen. Ein paar Kleinigkeiten habe ich schon behandelt.« Margot trank einen Schluck Kaffee.

      Jaíra druckste herum. »Ich möchte mich für Adriano entschuldigen. Es war meine Schuld, ich hatte mich den ganzen Abend nicht um ihn gekümmert und deshalb war er sauer.«

      Margot sah sie an. »Er hat selber mit mir geredet, also vergessen wir die ganze Angelegenheit.« Sie lächelte.

      Jaíra war erleichtert, wenn er sich bei Margot entschuldigt hatte, dann tat es ihm auch leid. Sie würde recht behalten, er war ein guter Mensch.

      »Die Arbeiten sind fast fertig. Adriano und Naldino werden dann arbeitslos sein. Haben sie etwas Neues in Aussicht?«

      »Sandro will seine ‚Barraca’ neu machen, dort haben sie erst einmal zu tun. Später?« Jaíra zuckte mit den Schultern.

      »Was hältst du denn davon, wenn du mir hilfst? Die Krankenschwester kommt erst in ein paar Wochen und ich brauche jemanden, alleine schaffe ich das nicht. Du könntest bis dahin hier arbeiten.«

      »Das wäre toll, ich helfe dir gerne.« Jaíra war begeistert.

      »Prima.« Margot lachte. »Jetzt etwas anderes. In Mosambik war ich