Bernd Radtke

Träume aus dem Regenwald


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du mich einmal besuchst.« Er bat ihn einzutreten und bot ihm einen Stuhl an.

      »Komm, setz dich. Willst du ein Bier? Heute gibt es etwas zu feiern.« Ohne eine Antwort abzuwarten, holte er das Bier aus dem Kühlschrank.

      »Was hast du denn zu feiern? Du machst mich neugierig.«

      »Ich habe heute die Post bekommen. In einem Brief wurde mir zugesichert, dass eine Ärztin zu uns unterwegs ist und sie wahrscheinlich im nächsten Monat hier eintreffen wird.«

      »Na, das ist mal eine gute Nachricht. Saúde.« Eduardo prostete Hans zu und die Gläser klirrten, als sie aneinanderstießen.

      »Es passt genau, das Hospital ist fast fertig, die Ärztin kann gleich einziehen und operieren«, freute sich Hans.

      Er bemerkte, dass Eduardo mit seinen Gedanken woanders war.

      »Du bist nicht zu mir gekommen, weil du ein Bier trinken wolltest, du hast doch etwas auf dem Herzen.«

      »Ja, das stimmt.« Eduardo seufzte. »Ich mache mir Sorgen um Jaíra. Seit sie mit Adriano zusammen ist, hat sie sich sehr verändert. Wir haben sie gewarnt und Manara hat ihr gesagt, was die Leute über ihn reden. Seit dieser Zeit war sie nicht mehr zu Hause. Selbst zu Juçara geht sie kaum noch.« Er schaute in sein Glas. »Was hältst du eigentlich von ihm?«

      »Als Arbeiter kann ich mich nicht über ihn beschweren, er ist gewissenhaft und zuverlässig. Er hat ein großes Mundwerk und gibt gerne an.«

      »Letícia hat mir einmal erzählt, dass er zwei Kinder in Novo Airão hätte. Nachdem er die Frauen geschwängert hatte, ist er abgehauen und hat sich nie wieder dort blicken lassen. Ich möchte nicht, dass es Jaíra so geht.« Eduardo nahm einen tiefen Zug und leerte sein Glas.

      Hans holte neue Flaschen und füllte die Gläser.

      »Mir ist sie auch böse, ich habe ebenfalls mit ihr geredet und ihr abgeraten. Sie liebt ihn und lässt sich nicht von ihm abbringen, sie ist furchtbar stur.«

      »Das ist sie.« Eduardo nickte. »Dass sie sich ausgerechnet an so einen Weiberhelden hängt, der sie unglücklich macht!«

      »Na ja, vielleicht hat er sich wirklich geändert. Jedenfalls sehe ich ihn kaum noch bei Sandro. Vielleicht tun wir ihm unrecht und alles wird gut«, beschwichtigte Hans seinen aufgebrachten Freund.

      »Ich hoffe es, glauben kann ich es nicht.«

      Während sie über Jaíras Kindheit redeten, tranken sie noch ein paar Flaschen eisgekühltes Bier, bis Eduardo aufstand und sich verabschiedete.

      »Es ist spät geworden, ich gehe lieber, sonst macht sich Manara Sorgen, wenn ich nicht nach Hause komme, weil ich bei dir unterm Tisch liege.« Er lachte gequält.

      Hans sah ihm nach, wie er leicht schwankend die Straße zum Hafen hinunterging. Während er die Flaschen wegräumte, die sie in den letzten Stunden getrunken hatten, dachte er an Jaíra und wurde zornig. Warum hatte ausgerechnet er Adriano hergebracht? Er machte sich Vorwürfe und merkte bald, dass Eifersucht in ihm aufstieg.

      »Warum reden alle schlecht über ihn?«, dachte Jaíra. Sie war traurig, endlich hatte sie ihre große Liebe gefunden, aber anscheinend gönnte sie ihr niemand und Trotz stieg in ihr auf. Wenn alle schlecht dachten, sie würde es beweisen. Sie würde mit Adriano glücklich werden, und so setzte sie alles daran, ihm zu gefallen. Sie bemühte sich aufmerksam um ihn und es schien, als würde sie recht behalten. Nur noch selten ging Adriano nach der Arbeit in Sandros Bar, sondern kam gleich nach Hause.

      Jaíra gefiel das Zusammenleben mit ihm. Es machte ihr Spaß, die Hütte sauber zu halten, sie kochte und wusch für ihn, so, wie sie es von ihrer Mutter her kannte. Nachts zog Adriano sie an sich, und sie liebten sich. Er war erfahren genug, um Jaíra dazu zu bringen, seine Wünsche und Forderungen zu erfüllen. Jaíra genoss seine Berührungen und tat alles, was er von ihr verlangte.

      Es herrschte ein reges Treiben am Ufer, die Bewohner des Dorfes und der Umgebung warteten auf die Ankunft der Ärztin, die endlich eintreffen würde. Jaíra stand mit ihrer hochschwangeren Schwester in der Menge, in den nächsten Wochen musste es so weit sein, dass Juçaras Kind zur Welt kam.

      Hans hatte die beiden entdeckt und schob sich durch die Menge, um mit ihnen zu reden. Er war froh, Jaíra zu sehen und hoffte, dass sie ihm nicht mehr böse war. Er hatte ihr ebenfalls seine Meinung über Adriano gesagt und seit dieser Zeit ging sie ihm aus dem Weg.

      »Hallo, Jaíra, Juçara.« Er nickte ihnen freundlich zu. Juçara grüßte lachend zurück, Jaíra nickte nur mit dem Kopf.

      »Na, bei dir ist es wohl bald so weit.« Hans deutete auf Juçaras Bauch.

      »Hoffentlich, ich kann es kaum noch erwarten, alles fällt mir so schwer. Jaíra sagt, ich sehe aus wie ein dicker Frosch.«

      »Das ist wirklich nicht nett.« Er grinste Jaíra an.

      »Oft sagt man Dinge, die nicht schön sind und den anderen verletzen«, antwortete sie kurz.

      »Jetzt streitet nicht, der Tag ist viel zu schön dazu und ich möchte meine gute Laune nicht wegen euch verlieren«, versuchte Juçara zu schlichten.

      »Ich dachte, dass ich offen mit dir reden könnte, so wie damals, bei der Sache mit Fabio. Vergessen?«, bat er Jaíra gekränkt und reichte ihr seine Hand.

      Jaíra litt selber darunter, dass ihre Freundschaft einen Riss bekommen hatte, sie ärgerte sich, dass sie so heftig reagierte, als Hans mit ihr über Adriano geredet hatte. Gerne ergriff sie daher die Gelegenheit und nickte.

      »Ich möchte, dass du nachher mitkommst, um die Ärztin zu begrüßen.« Bittend sah er Jaíra an. »Stell dir vor, was sie für Augen machen wird, wenn hier jemand deutsch mit ihr redet, das wird bestimmt eine tolle Überraschung für sie.«

      Jaíra nickte. Sie freute sich, dass Hans an sie gedacht hatte.

      »Ich werde dich vorstellen und du wirst sie begrüßen.« Hans war erleichtert, dass Jaíra zusagte.

      Gerne hätte Jaíra mit Hans geredet, es machte ihr immer noch zu schaffen, dass er sie dieses Mal nicht verstand, dass sie mit ihrer großen Liebe glücklich werden wollte. Es war eine Wand zwischen ihnen, von der sie sich wünschte, dass sie zusammenbrechen würde. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, sich wieder zu versöhnen.

      Endlich tauchte am Horizont die Silhouette des Schiffes auf, die langsam größer wurde und bald konnten die Wartenden Einzelheiten erkennen. Am Bug stand neben Padre Laurindo eine Frau, die aufmerksam die Leute am Ufer betrachtete.

      Es dauerte noch einige Zeit, bis das Schiff endlich anlegte. Hans nahm Jaíra an die Hand und ging auf die Angekommenen zu, die jetzt am Ufer standen.

      »Guten Tag, ich bin Hans Ferber, der Lehrer. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise«, stellte er sich vor. Er gab der Frau die Hand.

      »Margot Westkamp«, stellte sie sich ebenfalls vor, »ja, es war interessant und ich konnte mir einen ersten Eindruck von meiner zukünftigen Heimat machen. Padre Laurindo hat mir alles haarklein erklärt.«

      »Darin ist er gut. Hat er in Ihnen endlich einen Zuhörer gefunden?« Hans lachte und stieß seinem langjährigen Freund in die Rippen.

      »Oi, Jaíra, du wirst jedes Mal schöner, wenn ich herkomme. Wie geht es dir?«, fragte Padre Laurindo.

      Jaíra lachte erfreut über das Kompliment.

      »Danke, mir geht es gut.«

      Jaíra wandte sich an Margot Westkamp, sie gab ihr ebenfalls die Hand und sagte auf Deutsch: »Ich bin Jaíra. Es freut mich, dass Sie in unser Dorf gekommen sind. Hans hat so viel dafür getan, bis er die Zustimmung für das Hospital bekommen hat.«

      Etwas verwirrt drückte Margot Westkamp Jaíras Hand.

      »Bin ich jetzt am Rhein oder am Amazonas? Ich dachte, ich komme ins finsterste Amazonien und nun werde ich auf Deutsch begrüßt. Ich glaube ich träume.« Sie lachte und sah Jaíra freundlich in die Augen.

      »Jaíra