Heinz Plomperg

Alter Postplatz


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Strauß Rosen um die Hand Tonis angehalten, der Kommerzialrat hatte coram publico und begleitet von einer einzigen, dafür sündteuren Orchidee, um die Hand von Frau Schwaninger angehalten, beide Anträge wurden angenommen und man hatte im Hotel einige neue Wildspezialitäten des Maître Brix verkostet, von denen man eine gewisse Anzahl, - diesmal ohne groß darüber nachzudenken -, in die Monatskarte aufgenommen hatte. Dr. Neuländer hatte Cillys Schwangerschaft bestätigt und Franz hatte sich nicht gegen eine Ehe gewehrt, wie Hannes glaubhaft versichern konnte. Der Hallodri wollte wohl ehrbar werden.

      Jetzt saß der Kommerzialrat dem Grafen Ludwig in dessen Arbeitszimmer gegenüber. Der Graf trug einen Trauerflor am Arm, jeder Spiegel im Haus war schwarz verhängt,

      am Tor hing ein Trauerbukett.

      „Eine Tragödie, des alles,“ der Graf warf eben eine Zeitung auf einen Stapel anderer, „und wie immer in Wien, ist keiner schuld d´ran. Sie wissen von der Cousine?“

      Der Kommerzialrat nickte und drückte sein Beileid in konventionellen Worten aus.

      „Die Baroness und der Rittmeister hatten gar keine Chance. Sie hatten Karten ganz vorn, dort wo offenbar der Brand ausgebrochen is´, oder was. Man kann nur hoffen, dass es schnell gegangen ist. Wussten Sie, dass es eigentlich unsere Karten waren, also für meine Gattin und mich?“

      Kupferwieser verneinte, wiewohl er auch das wusste, und ließ den Grafen einfach weiter reden, während er am Cognac nippte.

      „Ich musste sie identifizieren. Ich hab´ sie nur an ihren Juwelen erkannt. Und den Rittmeister halt an der Uhr. Originelles Modell, Schweizer Sache, hat er mir vorher eben erst präsentiert. Furchtbare Sache, wünsch´ ich meinem ärgsten Todfeind nicht. So wie es ausschaut, wird meine Gräfin die Erbin sein. Trotzdem net´ angenehm. Muss ihr alles abnehmen. Und wer nicht aller gestorben ist. Die Schwiegertochter vom Stadtrat Lueger ..., der junge Vetsera, erst siebzehn, hübscher Bub, soviel ich weiß, schrecklich, einfach schrecklich. Kennen Sie vielleicht die Baronin Vetsera, seine Mutter? Sie wissen schon, die Schwester von diesen Levantinern, den Baltazzi-Brüdern, eine mysteriöse Schönheit von zweifelhaftem Ruf. Wunderschönes Palais in der Salesianergasse, freilich gekauft, nicht geerbt, ihr Mann ist ja bloß Legationsrat. Aber sowas verdient die zweifelhafteste Frau nicht. Hat ja Gottseidank noch zwei Töchter, die eine, die Marie oder Mary, oder was, sie ist erst acht oder so, aber die wird noch von sich reden machen, jaja, die Mary Vetsera, die wird noch schöner werden als ihre schöne Mama. Schönes Geschlecht, die Vetseras, feine Monarchiemischung, wenn auch fragwürdig. Was sich heutzutage alles zum Hof drängt, … . Aber Hauptsache, die Potapova gibt immer noch launige Interviews.“

      Der Graf fischte eine Zeitung aus dem Stapel und hielt sie Kupferwieser hin.

      Der kannte diesen Artikel natürlich und alle anderen auch.

      Eine Zeichnung von Madame Potapova, flankiert von Mlle. Kurtz, Baron Lichtenstern, Cavaliere dei Sciffi, dem Impresario und Mr. Beckworth, dem Pianisten war eines der am häufigsten abgebildeten Bildnisse gewesen.

      Sie war die berühmteste Überlebende.

      Der vorgebliche Graf Romanik, Dr. Moroz und Leutnant Fedin hingegen hatten sich unsichtbar gemacht, wiewohl es im Grunde der Leutnant gewesen war, der alle geistesgegenwärtig gerettet hatte. Seinerseits naturgemäß in keiner Weise vertraut mit den Gegebenheiten des ihm völlig unbekannten Theaters, hatte er instinktiv den Stiegenhäusern misstraut und die ganze Gesellschaft relativ rasch auf den großen Balkon und damit ins rettende Freie geführt.

      Der Cavaliere hatte sich beim Absprung den Fuß verstaucht und Mr. Beckworth zog sich eine Platzwunde und eine leichte Gehirnerschütterung an einem Türstock zu. Ansonsten war man unversehrt geblieben.

      Kupferwieser bestätigte, die Artikel zu kennen und meinte, sein Haus sei von Madame lobend erwähnt worden, wie sehr man seitens der Direktion ihr und ihren Freunden behilflich gewesen sei. Angesichts der Mengen an Champagner und Wodka, welche die geschockten Russen und Nichtrussen in jener Nacht noch auf Kosten des Hauses konsumiert hatten, schienen Kupferwieser Madame Potapovas lobende Äußerungen allerdings auch mehr recht als billig zu sein.

      Im Gegenzug hatte Kupferwieser es auch verstanden, den Großfürsten aus sämtlichen Ermittlungen heraus zu halten. Seitens des Hofes war gar angedeutet worden, er könne mit einer gewissen Ordensverleihung rechnen, denn der Hof, die beteiligten Ministerien und andere, geheimnisvollere Behörden waren natürlich bestens unterrichtet über die wahre Identität jenes vorgeblichen Grafen Romanik.

      „Alles gerettet“, der Graf schnaufte verächtlich, „Wer hat bloß als erster diesen Satz von sich gegeben? Der blöde Taaffe hat es sogar so dem Kaiser nach Gödöllö telegraphiert. Peinlich, wirklich peinlich. Ich hör´, Ihre Mädchen waren da?

      Kupferwieser nickte etwas betreten, „Ja und bei allem Respekt gegenüber Ihrer Familie, Herr Graf, ich danke Gott jeden Tag, dass uns nix passiert is´.“

      „Und jetzt ihre Toni also unseren Hannes heiraten?“, Graf Ludwig lächelte und Anton straffte sich, jetzt kam man der eigentlichen Sache näher.

      „Muss ich mir da irgendeinen kausalen Zusammenhang denken? Oder is´ es einfach so, dass zwei junge Leute angesichts des drohenden Todes plötzlich d´raufkommen sind, was sie einander bedeuten?“

      „So ist es Herr Graf, genauso. Der Hannes hat sich noch in der Nacht nach meiner Toni erkundigt, nachdem er wegen der Baroness auf der Polizeiwache war.“

      Anton betonte die Reihenfolge sehr sorgfältig.

      „Die Karten waren sein Geschenk an meine Tochter und meine Nichte und er hat bis dahin nur gehofft, dass ich ihm bald erlauben würde, die beiden auch amal zu begleiten. Ich hätt´s ihm auch bald amal erlaubt, oder wenigstens irgendwann, aber angesichts der Ereignisse hat sich halt alles rascher entwickelt.“

      „Bei meiner Gattin war´s ein Reitunfall. Nur war ich der Verunfallte.“, der Graf lachte, „Entre nous, sagen Sie´s ja nie der Gräfin, aber sie kokettierte mit mir, hatte andere Verehrer. Ich war zornig, so richtig an´g´fressen und deshalb wohl auch nicht ganz bei der Sache, während dem Parforceritt. Ich bin noch nie in meinem Leben so dermaßen bled vom Pferd g´fallen, wie damals. Sowas ist mir weder davor noch danach jemals wieder passiert. Die erste, die mich am Krankenbett besucht, ist sie, die so zurückhaltende Freiin Eugenie und macht mir die schwersten Vorwürfe, wie ich ihr so was antun kann. Ich hab´ ihr auf der Stelle einen Antrag g´macht. Sie hat mich „Scheusal“ genannt und erst am nächsten Tag angenommen.

      Jaja, wenn man sein Liebstes in Gefahr sieht, will man erst recht nicht mehr davon lassen.“ Der Graf lächelte in der Erinnerung.

      „Nun, meinen Segen haben sie. Obwohl es natürlich auch mein Verlust ist. Mir ist klar, dass Sie Ihre Tochter nicht zu mir ins Haus geben wollen, sondern au contraire, den Hannes für ihr Haus gewinnen wollen, hab´ ich recht?“

      Entweder hatten Wotrubas den Grafen schon vorbereitet, oder jener stand den Befindlichkeiten seiner Mitmenschen gar nicht so gleichgültig gegenüber, wie er gerne vorgab.

      „Er wär´ tatsächlich ein Gewinn für mein Haus.“, gestand Anton.

      „Ja, schön,“ sagte der Graf, „aber net´ gleich. Vor Weihnachten geht´s sowieso net´ mehr. In der Fastenzeit heiratet man nicht, wenn man nicht muss. Man muss doch nicht, oder?“, und als Kupferwieser verneinte, „Gut, dann sagen wir, nach Ostern. Es braucht ja auch noch eine Zeit, bis der Hannes alles dem Franz übergeben kann.

      Hab´ ich schon erwähnt, dass seine Mutter, die Frau Wotruba, sich auf eines unsere Güter in der Steiermark zurückziehen wird? Ja, ich werd mir den Franz zum Majordomo aufbauen. Ich hoff´ nur, der find´t auch bald die passende Frau. Ich hab´ nix dagegen, wenn mein Personal heiratet und Kinder kriegt, jedenfalls solang sie verheiratet sind, wegen der Kinder, mein´ ich.“

      Wagemutig und weil der Graf schon so entspannt war, preschte der Kommerzialrat jetzt vor: „Hat er schon, der Franz, und ich verbürge mich für seine Wahl. Aber er wird