Heinz Plomperg

Alter Postplatz


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Publikum reagierte.

      An einem solchen „Menu-Abend“, wie er genannt wurde, - auch im Hotel gab es einen eigenen Jargon für die hauseigenen Gebräuche - an einem solchen Abend, musste Hannes zuschlagen!

      Nicht nur, dass der Kommerzialrat bis spät in die Nacht beschäftigt war, zog er sich nach dem Umtrunk mit seinen Herrn noch dazu meist reichlich angeheitert zurück. Es würde ihm nicht auffallen, wenn die Resi allein aus dem Theater zurück käme und die Toni detto allein und hoffentlich später.

      Es gab einen eigenen schmalen Seiteneingang, der direkt in die Familienwohnung und zu den Personalzimmern weiter oben führte und beide Mädchen hatten ihren eigenen Haustorschlüssel. Für den 8. Dezember war wieder ein solcher Menu-Abend einberufen worden und Hannes hoffte sehr, dass all seine Investitionen in puncto Theaterkarten und anderen Dingen während des Herbstes sich bald lohnen würden.

      Er kannte alle handelnden Personen durch seine Kontakte mit dem Hotel persönlich, auf dem Umweg über Franz konnte er dank Cillys allwöchentlicher Erzählungen den bereits gewonnenen Eindruck arrondieren, die Resi hatte er bereits halb und halb gewonnen, jetzt musste er nur noch die Toni gewinnen. Zunächst schickte er ihr mittels eines unauffälligen Dienstmannes zwei Karten für „Hoffmanns Erzählungen“, am 8. Dezember im Ringtheater.

      Er musste die Karten kaufen, denn für die Woche um jenen 8. Dezember war die Freiin Helene Belasi-Wrenkhfeldt im Hause angesagt, die Cousine der Gräfin.

      Die Baroness schien auch nicht heiraten zu wollen und trat neuerdings verstärkt in Begleitung eines Rittmeisters de Millstein auf, den man gegenüber der Dienerschaft immer ihren Verwalter nannte, für den die Gräfin jedoch stets ein Zimmer direkt neben der Baroness herrichten ließ. Auch verzichtete die Freiin auf die Mitnahme einer sonst so üblichen Gesellschafterin.

      Hannes hielt den Rittmeister-Titel nicht für echt, - der Mann war so unsoldatisch und immer in Zivil -, und der Name klang ihm weniger adelig, denn nach besserem Juden, holländisch oder so. Jedenfalls hatte er einen undefinierbaren Akzent.

      Nun, man machte sich darauf so seinen Reim zwischen Küche und Wäscheboden, nicht besonders laut freilich.

      Für Hannes war jedoch klar, dass die Gräfin in jener Woche etwaige per Zufall anfallende Theaterkarten wohl gemeinsam mit ihrer Cousine konsumieren, oder diese - noch viel eher - ihr und dem Rittmeister einfach überlassen würde.

      Gut, dachte Hannes, dann kann ich der Resi nur einen Logenplatz im Zweiten Rang gönnen und hoffen, dass ein anständiges Ehepaar bei ihr sitzt, denn das schwör´ ich mir, diesmal geht die Resi allein!

      Zunächst brachte die Ankunft der Baroness die übliche Unruhe ins Palais, als sie eintraf, mit ihrem Rittmeister, dessen Burschen, der Zofe und dem Dienstmädchen, die Kutscher nicht zu vergessen, denn man reiste mit gleich zwei Droschken.

      Helene Freiin Belasi von Wrenkhfeldt, war es gewohnt, mit großem Gepäck zu reisen. Außerdem stellte Wien nur eine Station auf einer längeren Reise dar. Man kam aus Mähren, wo man bei Gräfin Wassiliew zur Jagd gewesen war und man würde anschließend weiter reisen nach Salzburg, um sich über Innsbruck und Meran, - wo sie überall Freundinnen zu besuchen hatte -, nach Riva am Gardasee zu begeben, wo Helene den Großteil des Winters in einer gemieteten Villa zu verbringen gedachte.

      Im Hotel „Zur Eisernen Krone“ verursachte die Ankunft der russischen Operndiva Margerita Potapova, etwa zur selben Zeit etwa ebenso viel Aufregung, oder vielleicht sogar noch mehr. Die Potapova war auf dem Weg an die Riviera, reiste jedoch gemütlich, blieb in jeder Stadt auf ihrer Route vier oder fünf Tage, manchmal auch eine ganze Woche, je nachdem wie viele „private“ Einladungen ihr Impresario arrangieren hatte können.

      Sie war schon jenseits vom Zenit ihres Ruhmes, ihre große Zeit hatte sie vor zwanzig Jahren begonnen, ihre größte Zeit vor zehn Jahren gehabt.

      Mittlerweile gab sie nur mehr Liederabende in kleinen Konzerthäusern, Kurhotels oder Privatpalais und sie, - oder besser, ihr Impresario -, verstand es meisterhaft, jede ihrer privaten Reisen mit einer Anzahl gewinnbringender Auftritte zu verknüpfen.

      Sie reiste freilich mit großer Entourage, bewohnte eine der großen Suiten mit ihrer Gesellschafterin, Mlle. Kurtz, während sie die zweite große Suite für einen Grafen „Romanik“ gebucht hatte, hinter welchem Pseudonym sich ihr großfürstlicher Liebhaber verbarg - Kupferwieser hatte also einen waschechten Romanow im Haus!

      Das zählte viel und noch viel mehr, gerade weil jener Großfürst nicht als Angehöriger des russischen Kaiserhauses, sondern inkognito reiste. Vor seinem geistigen Auge sah der Kommerzialrat Scharen an russischen Großfürsten mit ihren Ballerinen in seinem Haus Station machen, bevor man an die Riviera reiste.

      Ungestört wollten sie sein und der lästigen Pflicht entkommen, dem Kaiser in der Hofburg die Aufwartung machen zu müssen, was man ansonsten ja auch nur tat, wenn man mit Gattin oder Mutter reiste.

      Dazu hatte die Potapova noch eine ganze Anzahl von Zimmern für Impresario, Garderobiere, Friseur, Pianisten und einen jungen baltischen Baron ohne näher definierten Aufgabenbereich reserviert, weiters noch Räume für das Gefolge des sogenannten Grafen Romanik, nicht zu vergessen, bescheidene Kammern für Kutscher und niedere Lakaien. Alles in allem reiste sie mit vierzehn Personen und übertraf damit die Baroness im benachbarten Palais bei weitem.

      Die Potapova war undefinierbaren Alters, hatte Haare von unglaublichem Rot, trug märchenhaften Schmuck und war schon zum Frühstück geschminkt, als ginge es auf die Bühne. Der angebliche Graf und wirkliche Großfürst war eine abgeklärte, würdevolle Erscheinung Anfang Sechzig, wirkte stets etwas weltfern, was vielleicht durch gewisse Injektionen seines willfährigen Arztes verstärkt wurde.

      Der jugendliche Baron, mit dem schönen Namen Lichtenstern, war eine lebhafte blonde, blasse Erscheinung, mit den strahlendsten blauen Augen, die man sich nur vorstellen konnte.

      Madame erkundigte sich jedenfalls nach „irgendeiner Operette“, die der Kommerzialrat empfehlen könne, und Anton - jeglichen Theaterbesuchs abhold - , weil er eben von der Toni davon gehört hatte, empfahl „Hoffmanns Erzählungen“ im Ringtheater am 8. Dezember. Madame orderte Karten für sich, den „Grafen“, den Baron, Leutnant Fedin, den großfürstlichen Adjutanten, Dr. Moroz, Mlle. Kurtz, Cavaliere dei Sciffi, den Impresario, sowie für Mr. Beckworth, den Pianisten, denn die Reisegruppe war ebenso zahlreich, wie international.

      Einige Tage später also begann das Schicksal offenbar Hannes in die Hände zu arbeiten, denn der Kommerzialrat war vom Aufbruch der Diva vollkommen in Anspruch genommen, immerhin benötigte man zwei Wagen, für sie und ihr Gefolge und es entstand ein gewisses Durcheinander, bis all jene Leute sich auf Russisch, Französisch, Deutsch und Englisch verständigt hatten, wer mit wem in welchem Fiaker saß, so dass er gar nicht die Zeit hatte, sich um den gleichzeitigen Aufbruch ins selbe Theater von Resi und Toni zu kümmern.

      Toni stieg beim Seiteneingang mit Resi in den bestellten Fiaker - die beiden hoteleigenen Wagen waren der Potapova überlassen worden - und stieg auf der anderen Seite gleich wieder aus, wo Hannes sie bereits erwartete. Sie kam sich ungemein kühn und abenteuerlustig vor, als sie kichernd an Hannes´ Hand am Palais vorbei zur Falknergasse eilte, während der Wagen die Resi ins Theater brachte.

      Beim Portal vom Palais gab es noch eine kurze Schrecksekunde, weil natürlich ausgerechnet in diesem Moment die Baroness Helene mit ihrem Rittmeister in den Wagen der Arlingtons einstieg, aber sie war tief in ihren Pelz gehüllt und so sehr damit beschäftigt, ihre Abendschuhe so wenig wie möglich mit dem Schnee in Berührung zu bringen, dass sie weder Hannes, noch seine Begleitung bemerkte.

      Jetzt erst recht kichernd, starteten die beiden jungen Leute erneut los, bis sie endlich um die Ecke in der Falknergasse waren.

      Im Theater angelangt, nahm Resi etwas missmutig in ihrer Loge im Zweiten Rang Platz. Vier Plätze waren von einem Ehepaar in mittleren Jahren in Anspruch genommen, das von einem Sohn in Kadettenuniform und einem Mädchen von etwa zwölf oder dreizehn Jahren begleitet wurde. Der junge Mann half ihr höflich aus dem Pelzcape und richtete ihr den Sessel, das Ehepaar nickte ihr freundlich zu, wenn auch