Jasmin Salfinger

Teufels Träume


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selbst durch die Tür. Leatrice Schwarz war eine schöne hochgewachsene Frau. Ihr langes blondes Haar hatte sie zu einem festen Dutt hochgebunden. Sie war eine Geschäftsfrau durch und durch. Sie trug einen feinen Magentafarbenen Hosenanzug und bei jeder Kopfbewegung glitzerten Diamantohrstecker in ihren Ohrläppchen. Was Haare und Augen anging kam Emilia eindeutig nach ihrem braunhaarigen und braunäugigen Vater.

      Leatrice Schwarz wirkte leicht hektisch, als sie die beiden Mädchen erblickte. "Emilia, es ist so weit, komm- Oh hallo Melica! Was machst du denn hier?" fragte sie gestresst aber freundlich. Jetzt war Emilia noch verwirrter, Melica war doch von ihr geschickt worden?

      "Ich hab‘ Lia gesucht." Gab Mel schulterzuckend zur Antwort.

      "Gefunden! Also los ihr zwei, die ganze Gemeinde ist schon auf den Beinen!" Scheuchte sie die Mädchen auf. Sie ging noch rasch zu ihrem Schreibtisch und legte einen Schlüssel darauf ab. "Ich habe noch schnell ein letztes Mal die Gegenstände inspiziert. Ich kann euch sagen, da sind ein paar wahre Schmuckstücke dabei! Diese Auktion kann nur ein Erfolg werden!" Frohlockte sie. Es war recht altmodisch, im reichsten Gemeinderathaus ganz gewöhnliche Schlüssel zu verwenden, aber die konnten im Gegensatz zu digitalen Schlössern nicht gehackt werden. Emilias Mutter scheuchte die beiden quer durch das imperiale Gebäude ein paar Stockwerke tiefer zur großen Halle. Da sie das ganze Spektakel organisierte, verabschiedete sie sich von den Mädchen beim Besuchereingang und eilte hin zum Bühneneingang.

      "Ich komm gleich nach, ich muss noch kurz aufs WC" sagte Mel und war auch schon verschwunden. Also betrat Emilia alleine die große Halle.

      Sehr viele Menschen trippelten durch die Halle hindurch. Es waren so viele, dass heute sogar ein Platzanweiser benötigt wurde. Pfennigabsätze klackerten hundertfach über die marmornen Böden. Ausladende Kristallluster brillierten strahlendes Licht auf die Köpfe der feinen Besucher. Langsam kam Ordnung in das Spektakel. Es standen hunderte von Stühlen vor dem Podest in der großen Halle. Inmitten all dem Stuhlrücken hatte jemand schon längst seinen Platz gefunden und Emilia ging durch die Menge schlängelnd direkt auf ihn zu. Henrik Schwarz, Emilias Vater, saß gut gelaunt in seinem Designer-Sakko auf einem der alten Stühle und sah zur Bühne hoch. Ausnahmsweise stand er heute einmal nicht im Mittelpunkt, sondern saß wartend und entspannt in der Menge. Er amüsierte sich über den albernen Hochmut mancher Besucher. Er begrüßte sein Töchterchen als sich Emilia neben ihm niederließ.

      St. Montrose war eine Blase der isolierten Oberschicht. Ein Stadtteil der den privilegierten oberen Prozent vorbehalten war. Die Gegend glich dem Ebenbild eines royalen Katalogs. Weite schöne Straßen, große Einfahrten mit noch größeren und prächtigeren Villen, Luxusboutiquen und Privatschulen. Wer das Glück hatte in diese Welt hineingeboren zu sein, lebte nicht nur den Wohlstand, derjenige war Wohlstand. Eine Glitzerwelt die so einiges in ihren Schatten verbarg. Heute hatte sich fast die gesamte sehr reiche Bevölkerung von St. Montrose im Gemeinderathaus eingefunden um bei einer skandalösen Auktion teilzunehmen.

      Die Morelli Villa stand nach seit rund fünfzig Jahren Verwahrlosung zum Verkauf, deshalb sollte zuvor der Privatbesitz der ehemaligen Besitzer versteigert werden. Um die Morelli Villa woben sich viele Gerüchte und Skandale. Man wusste nur, dass die Villa von einem Steuerberater der als Treuhandverwalter fungierte, seit gut fünfzig Jahren verwaltet wurde. Doch für wen er sie genau verwaltete, war ein offenkundiges Geheimnis, denn die Familie Morelli war vor fünfzig Jahren angeblich ausgestorben. Diese Tatsache alleine würde den regen Andrang heute noch nicht erklären, dafür gab es einen anderen Grund: Das Morelli Anwesen war das größte und mächtigste Anwesen von allen. Man konnte es auch als die Perle von St. Montrose bezeichnen. Die Morellis waren einst die Könige der Reichen gewesen, bis sie sich durch eine Reihe vieler Unglücksschläge innerhalb einer Generation allesamt selbst ausgerottet hatten.

      Deshalb waren die Bewohner von St. Monterose so fasziniert von der Auktion: jeder wollte ein Stückchen von den Morellis. Jeder wollte ein Stückchen von der einstigen Macht sein Eigen nennen können. Wer wusste was für Schätze sich hinter den hohen Toren und den vielen Hektar Land verbargen? Endlich, nach so vielen Jahren, konnte man danach greifen. Ob der Treuhandverwalter das überhaupt tun durfte oder nicht, interessierte herzlich wenig. Der Mann war schon längst über jedes Pensionsalter hinaus, sollte der doch machen was er wollte. Emilia ließ ihren suchenden Blick schweifen. Wie lange versteckte Mel sich bloß am Klo? Dagegen hatte sie Mels Vater Dr. Michael Salveter schnell entdeckt. Er saß drei Reihen hinter ihnen, und als er Emilia erblickte, hob er freundlich die Hand und winkte herzlich. Die Salveters und die Schwarz waren schon seit Jahren eng befreundete Familien. Das war auch der Grund warum Mel heute hier war, ansonsten erwartete Emilia niemanden aus ihrem Freundeskreis. Die heutige Veranstaltung war was für Personen ab vierzig und aufwärts, dementsprechend war Emilia auch nur mäßig gespannt und eher gelangweilt.

      Es war sehr wichtig freundschaftliche Bande zwischen den oberen Familien zu hegen und zu pflegen. Man benötigte die Gegenseitige Loyalität. Es war in diesen Zeiten immer schwerer geworden dorthin zu kommen wo all diese Menschen waren. Die Kluft zwischen Arm und Reich war mit den fortwährenden Einflüssen von Wirtschaftskrisen, Kriegen und Klimawandel immer tiefer aufgerissen. Genauso schwieriger war es auch an der Spitze zu bleiben. Geschichten von Familien die sich heruntergewirtschaftet hatten, die betrogen, erpresst oder sozial verstoßen worden waren, waren an der Tagesordnung. Sehr oft waren auch die Sprösslinge der Familien schuld ~ nichtsnutzige Tunichtgute deren Familien dadurch alles verloren. Es gab keinen größeren Horror in St. Monterose als wie die Möglichkeit alles zu verlieren. Emilias Familie stand ganz oben auf der Liste der Menschen die viel zu verlieren hatten.

      Ein paar letzte Nachzügler suchten noch ihre Plätze. Ein paar Leute wollten sich durch die Reihe drängeln in der Emilia und Mr. Schwarz saßen. Die Beiden standen auf um die Drängler vorbeizulassen. Die Leute erkannten, wen sie da gerade aufgescheucht hatten und entschuldigten sich extrem übertrieben. Emilia tat so als wäre das normal. Doch natürlich war es das nicht. Sie kannte die Blicke die man ihrem Vater zuwarf. Den Respekt den man ihm entgegenbrachte und die Hochachtung die er erntete. Selbst wenn man neu in St. Montrose war, so erkannte man sofort, dass Mr. Schwarz ein großer Mann war. Er war ein angesehner Aktien- und Immobilienmogul. Über die Jahre hinweg hatte er aus dem Nichts ein Imperium erschaffen über das er mit eiserner und strenger Hand herrschte. Ein Imperium das schwer auf Emilias Schultern lastete. Einestages, würde man von ihr erwarten alles zu übernehmen und zu noch größerer Macht und größerem Einfluss zu führen. Immer mehr, immer höher hinauf. Eine Verantwortung die ihr als erstgeborene in die Wiege gelegt worden war. Eine große allgegenwärtige Frage in ihrem Kopf zweifelte ob sie dieser Aufgabe gewachsen war. Ihr kleines Schwesterchen Sophia spürte mit ihren acht Jahren von alldem noch nichts, sie würde im Laufe der Zeit auch das Gewicht des Erfolgs auferlegt bekommen.

      Endlich war es soweit und Emilias Mutter Leatrice Schwarz betrat das Podest, gefolgt von Emilias Schwesterchen Sophia. Sophia sah aus wie eine achtjährige Version ihrer Mutter. Blond und hübsch, sie würde ihrer Mama heute als kleine Helferin zur Seite stehen. Emsige Gehilfen wirbelten um ihre Mutter Leatrice herum und rückten Bilder der ersten zu versteigernden Objekte zurecht. Die Stücke waren viel zu wertvoll um sie einfach so auf das Podest herauszutragen. Sie wurden stattdessen in einer Kammer verwahrt. Emilias Mutter war eine Immobilienmaklern und Vorstandsmitglied im Familienunternehmen, sie war auch diejenige die damit beauftragt worden war das Morelli Anwesen zu verkaufen und die Auktion des Privatbesitzes zu leiten. Das Immobiliengeschäft war in St. Monterose ein äußerst lukratives Geschäft. Leatrice hatte durch ihre Geschäfte so viel Einfluss in St. Monterose erwirtschaftet, dass sie zusätzlich organisatorische Funktionen in der Gemeinde innehatte und sie sich ihr Büro im schicken Gemeinderathaus einrichten konnte.

      „Na mal sehen welchen Krempel die Morellis in ihrer Hütte versteckten.“ Schmunzelte ihr Vater Henrik gut gelaunt und machte es sich in seinem teuren Sakko bequem. Er war zwar ein strenger Geschäftsmann, aber ansonsten ein sehr umgänglicher Mensch.

      Leatrice begrüßte alle recht herzlich und eröffnete die Auktion.

      Emilia sah sich um, wo steckte Mel nur? Ein Butler hielt eine Seitentür auf und Mel huschte gerade noch rechtzeig herein. Ihr rosa Kleid biss sich herrlich mit Ihrer Haarfarbe. Sie flitzte schnell drei Reihen hinter Emilia zu ihrem Vater. Dr. Salveter, Mels Vater, war ein extrem