Juna Aveline B.

Wege des Himmels


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Kater ein, dass wir gleich loskönnen und nicht erst auf Rollmopsjagd gehen müssen!“, sagte ich mit einem Lachen in der Stimme.

      „Danke, du bist echt der beste Bruder der ganzen Welt!“, rief sie erleichtert ins Telefon und schon hatte sie den Hörer aufgelegt.

      Und so verbrachte ich den Samstagnachmittag im Wartezimmer der Tierklinik, während Rollmops operiert, das Bein geschient wurde und meine Schwester sich langsam wieder beruhigte. Wir unterhielten uns über dies und das, bis Raphaela meinte „Du siehst zurzeit echt nicht gut aus Bruderherz! Bist du überarbeitet?“

      „Fängst du auch noch damit an?“, fragte ich sie etwas gereizt. Musste meine Schwester nun auch mit dem gleichen Thema anfangen, wobei sich doch nichts geändert hatte in den letzten Wochen – weder an meiner Arbeitsbelastung noch an meiner Einstellung dazu.

      „Wie? Wer denn noch?“, fragte sie verwundert.

      „Gerade vor zwei Wochen hatte ich die Diskussion mit Marle!“

      „Da hatte sie aber vollkommen recht! Und was hast du ihr gesagt?“

      „Dass es momentan eben alles ein bisschen viel ist, Arbeit, Studium, Tischtennis, Vorweihnachtsstress.“

      „Und was sagst du mir?“

      „Was soll ich dir sagen? Dasselbe?“ fragte ich verunsichert darüber, was sie mit der Frage meinte.

      „Bruderherz, der Stress hat dir nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil, du wurdest unausstehlich, wenn du zu viel freie Zeit hattest. Erinnerst du dich noch an die Zeit mit deinem Bänderriss? Da warst du unausstehlich.“

      „Ja, das war schrecklich, aber vielleicht ändern sich die Zeiten!“, sagte ich zweifelnd, was Raphaela natürlich bemerkte.

      „Vielleicht ändern sich die Zeiten? Luki – was ist los?“

      „Im Prinzip nichts.“

      „Im Prinzip nichts? Muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen? Komm schon, Luki, du hilfst mir immer, wenn du kannst, gerade hast du mich hierher gefahren und mich getröstet. Jetzt bin ich an der Reihe, dir zu helfen. Also - was ist Nichts?“

      „Ich weiß auch nicht… Eine Patientin geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich will das nicht, aber ich habe das Gefühl, ständig an sie denken zu müssen! Kaum läuft irgendein doofer Song im Radio, muss ich an sie denken. Genauso heute Morgen beim Geschenkekaufen! Ich kenne mich selbst kaum mehr!“ Jetzt war es raus.

      „Hast du dich verliebt?“ fragte sie vorsichtig.

      „Verliebt? Nein, um Gottes Willen! Ich bin mit Marle zusammen!“, entgegnete ich ihr empört.

      „Das hört sich aber ganz danach an, dass du dich verliebt hast.“, meinte sie stirnrunzelnd.

      „Aber ich bin mit Marle zusammen, ich verliebe mich nicht, schon gar nicht in eine Patientin!“

      „Das ehrt dich, dass du so denkst, aber letztendlich hat das eine mit dem anderen recht wenig zu tun! Als ich Tom kennengelernt habe, war ich ja fast in der gleichen Situation wie du. Gut, ich war damals mit Chris noch nicht so lange zusammen wie du und Marle, aber jeder hat gesagt, dass Chris und ich so ein wunderbares Paar wären und dass er mir so viel bieten könne. Das haben wirklich alle Leute, die mir wichtig waren, immer und immer wieder gesagt, sodass ich es bald selbst geglaubt habe, obwohl ich eigentlich am Anfang gedacht habe, dass bei uns das Kribbeln fehlt, das gewisse Etwas. Und dann hab ich Tom kennengelernt. Und jeder hat gesagt „Was willst du denn mit dem? Chris kann dir doch viel mehr bieten!“ Mir ging es damals wir dir. Tom ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hörte einen Song und dachte an Tom, ich sah einen Film und dachte an Tom, ich war shoppen und sah ein schickes Hemd und dachte an Tom. Ich wollte es nicht wahrhaben, weil ich auch dachte, es gehöre sich nicht – schließlich war ich mit Chris zusammen – aber ich entfernte mich innerlich immer mehr von Chris. Und dann machte mir Tom diese süße Liebeserklärung. Ich war zuerst total sauer auf ihn, aber als ich abends im Bett lag, merkte ich, wie dumm ich gewesen war. Ich hatte mich so lange nach jemandem gesehnt, der genau auf meiner Wellenlänge war, hatte mir so lange jemanden gewünscht, bei dem es kribbelte und ich aber gleichzeitig wusste, dass das Kribbeln nicht nur kurzfristig aus Neugier und Aufregung war. Ich merkte, dass es Tom war, nachdem ich mich so lange gesehnt hatte. Und Chris – Chris war nett und attraktiv und toll, aber ich liebte ihn eben nicht.“

      „Aber ich liebe Marle“ warf ich ein.

      „Warum verliebst du dich dann in eine andere?“

      „Ich habe keine Ahnung. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich wirklich verliebt bin!“ Meine Schwester brachte mich wirklich ins Grübeln und machte mich sprachlos.

      „Ist sie hübsch?“

      „Ich weiß nicht,… ja, ich denke schon.“

      Meine Schwester grinste. „Und weiter? Erzähl mal von ihr!“

      „Was willst du denn wissen?“

      „Alles. Alles was dir gerade einfällt.“ Sie schaute mich neugierig an.

      „Sie ist noch nicht lange hier in Berlin. Erst im August ist sie hergezogen aus der Pfalz. Sie schreibt gerade an ihrer Abschlussarbeit. Und sie hat auch Katzen.“

      „Dann ist sie mir schon sympathisch!“, warf Raphaela ein.

      „Sie kennt sich gut mit Musik aus. Neulich lief „Jessie“ von Joshua Kadison, als sie bei mir in Behandlung war. Und sie meinte, dass ihr aber von Joshua Kadison „Beautiful in my eyes“ besser gefiele.“

      „Eine Romantikerin – wie ich!“

      „Kennst du den Song?“

      „Aber klar doch! “We won't say goodbye 'cause true love never dies. You'll always be beautiful in my eyes. And the passing years will show that you will always grow ever more beautiful in my eyes.” Du kennst das nicht? Männer!” Sie schüttelte in gespielter Fassungslosigkeit den Kopf.

      Da ging die Tür vom Behandlungszimmer auf und ein Tierarzt kam heraus mit einem schlafenden Rollmops in seinem Transportkörbchen.

      „So, das Bein konnten wir gut operieren. Er schläft wieder, war eben aber schon mal wach. Am besten halten sie ihn in den nächsten Tagen in einem einzigen Zimmer, damit er nicht viel laufen kann und springen soll er schon mal gar nicht! Füttern brauchen Sie ihn heute nicht mehr, er wird wahrscheinlich den größten Teil des Abends noch verschlafen…“ gab der Tierarzt meiner Schwester die Anweisungen, wie sie sich um ihren Rollmops kümmern sollte.

      Ich kramte den Autoschlüssel aus meiner Hosentasche hervor und warf die zwei Kaffeebecher weg, aus denen wir von dem wässrigen Automatenkaffee getrunken hatten.

      Dann machten wir uns auf den Heimweg. Raphaela strahle übers ganze Gesicht, dass sie ihren Rollmops wieder hatte. Als ich schließlich anhielt, um sie aussteigen zu lassen, meinte sie „Danke für alles, Luki. Und werde dir klar über deine Gefühle! Du verletzt Marle, auch wenn du ihr nichts sagst!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schloss sie die Autotür und machte sich mit ihrem Rollmops auf den Weg zu ihrer Haustür, schloss auf und verschwand im Haus ohne sich noch einmal umzudrehen.

      Es war später als gedacht, als ich nach Hause kam. Zum Glück hatte Raphaela daran gedacht, Marle gleich nachdem wir losgefahren waren eine SMS zu schicken, dass ich sie mit Rollmops zum Tierarzt fahre und dass es länger dauern könnte, sonst hätte sie sich inzwischen bestimmt Sorgen gemacht, wo ich denn stecken könnte.

      So empfing mich Marle zu Hause gut gelaunt, mit etwas kürzeren Haaren, top geschminkt und einer neuen Jeans an. Sie hatte gedacht, dass wir noch tanzen gehen könnten, aber ich war einfach total müde nach diesem anstrengenden Tag. So machten wir uns eben einen gemütlichen Abend auf der Couch. Ich war so erschöpft, dass ich sogar während des Films eingeschlafen bin und gar nicht mehr weiß, welchen Film wir uns überhaupt angeschaut haben.

      Den Sonntag haben Marle und ich zum Glück auch langsam angehen lassen. Wir waren morgens als wir wach wurden bestimmt noch eine Stunde im Bett gelegen