Juna Aveline B.

Wege des Himmels


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sie nicht zu merken schienen, dass ich mit meinen Gedanken ganz wo anders war.

      Als Marle und ich schließlich zu Hause ankamen, war ich so müde und erschöpft, dass ich einfach nur noch schlafen wollte. Ich ließ meine Klamotten achtlos auf dem Boden neben dem Bett liegen, ging noch kurz ins Bad und fiel dann ins Bett, drehte mich um und schlief direkt ein.

      Und heute Morgen beim Frühstück fing Magdalena echt an mich zu nerven. Andauernd fragte sie nach, was denn mit mir los sei, ob mit mir alles in Ordnung wäre, ich sei gestern Abend so still gewesen. Ich habe ihr versichert, dass es mir gut gehe, dass alles in Ordnung sei und ich nur müde gewesen war gestern Abend, aber so etwas wollen einem Frauen ja meistens nicht glauben. So auch Magdalena. Irgendwann meinte sie dann, dass ich mich verändert hätte in den letzten Wochen. Dass ich eben viel Arbeit habe wegen dem Beruf und dem Studium, wollte sie nicht gelten lassen. Was hätte ich ihr denn sonst sagen sollen? Dass ich mir Gedanken wegen einer Patientin machte, die Gedanken aber sinnlos seien, weil es der Patientin aus ärztlicher Sicht gut gehe und auch die Behandlung gut verlaufen sei.

      So eifersüchtig wie Marle ist, würde sie direkt zu unserem Chef gehen und ihn so lange bearbeiten, dass er letztendlich beschließen würde, dass ein anderer Kollege die Behandlung von Frau Sommer übernehmen solle. Marle würde das auch so hinbekommen, dass unser Chef am Ende denken würde, es sei seine eigene Idee gewesen, insbesondere da ich sowieso schon Ärger mit ihm hatte, weil ich Frau Sommers Behandlung nicht in Vollnarkose hatte durchführen32 wollen. Natürlich hätte die Klinik daran mehr verdient, aber das Risiko wäre nicht zu vertreten gewesen. Und schließlich entscheide ich als Arzt unter den medizinischen Aspekten und nicht danach, wie viel an einem Patient verdient werden kann, wenn man diese oder jene Behandlungsmethode wählt.

      Inzwischen ist Marle in der Schmollphase. „Du redest nicht mit mir, du erzählst mir nicht, was mit dir los ist, also rede ich auch nicht mit dir!“

      Sie wird sich schon wieder beruhigen.

      Ich gehe jetzt erst einmal noch ein wenig trainieren ins Fitness Studio. Dabei bekomme ich den Kopf am besten frei und kann meine Gedanken ordnen.

      Sonntag, 02. Dezember 2007, 1.Advent

      Es ist stürmisch, es regnet – und ich bin deprimiert.

      Ich glaube, ich habe mich echt in meinen Zahnarzt verliebt. Wie bescheuert kann ich denn sein? Bin ich denn geisteskrank? Denise ist die Einzige, die davon weiß.

      Am Freitagabend hatte ich wieder einen Termin – noch mal ein Zahn, der ein Inlay bekommt. Diese Termine scheinen echt immer nach dem gleichen Prinzip abzulaufen. Zuerst ist Doktor Bergmann distanziert, höflich aber kühl. Dann taut er auf, erzählt über irgendetwas, lächelt mich an und diese Mixtur aus Panik und inzwischen auch heftigen Schmetterlingen im Bauch versetzen mich in eine Art Trance, sodass ich gar nichts mehr richtig mitbekomme und aus diesem Zustand erst wieder erwache, wenn ich die Klinik verlassen habe und in den Bus nach Hause steige. Wie kann das nur passieren?

      Und Björn? Von meiner Seite aus ist so etwas wie eine unsichtbare Wand entstanden, die Björn und mich trennt... Und dass ich mit meinen Gedanken ständig bei Doktor Bergmann bin, macht die Sache mit Björn und mir auch nicht leichter. Natürlich habe ich ihm nichts von meinen Gefühlen für Doktor Bergmann erzählt – das ganze ist wahrscheinlich sowieso nichts mehr als diese typische Schwärmerei, dieses typische „Patientin himmelt Arzt an“-Ding. Sobald die Behandlung abgeschlossen ist und ich Doktor Bergmann nicht mehr sehe, werden die Gefühle und die Gedanken an ihn wahrscheinlich ganz schnell wieder vergessen sein.

      Ich weiß ja auch nicht…ich will nicht, dass das mit Björn und mir vorbei ist – auf der anderen Seite ist es echt so, dass ich momentan nur noch genervt bin von ihm…

      Es ist wie schon so oft – immer wenn er mit dem Job unzufrieden ist, kommen wir in eine Beziehungskrise. Und da ich momentan auch den Kopf voll habe, weil ich zurzeit seine Probleme nicht mit abfangen kann, weil ich selbst jemanden bräuchte, der mich auffängt, scheinen wir das nicht mehr packen zu können.

      Er ist nur noch am Jammern und Meckern, er habe keinen Bock mehr auf seinen Job und meint, dass es den Kollegen genauso gehe, dass sich alle nach neuen Jobs umschauen würden, dass es hauptsächlich an der Organisation der Bank läge, die so schlecht sei, dass er nicht mehr richtig arbeiten könne. Und er arbeitet wirklich nicht mehr viel, ist oft daheim und hat kaum noch Kundentermine. Auf der anderen Seite bekommt er es nicht einmal hin, seine Steuerunterlagen fertig zu machen.

      Gestern habe ich ihm geholfen, eine Bewerbung zu schreiben. Das war auch wieder so ein Kampf. Da er sich zum einen nicht mit Bewerbungen auskennt und zum anderen auch mit Word seine Probleme hat, blieb ihm nichts anderes übrig, als mich um Hilfe zu fragen. Was dann auch wieder fast im Streit endete. Er ist immer so ungeduldig, weiß ganz genau, dass er sich im Word nicht gut auskennt, aber er gibt mir nicht einmal die Chance es ihm richtig zu erklären oder zumindest zu zeigen. Stattdessen ranzt er mich wieder an, weil er es nicht hinbekommt. Schließlich habe ich die Bewerbung doch alleine fertig gemacht und ihm die Datei dann einfach auf seinen PC überspielt. Nicht einmal ein Danke brachte er über die Lippen.

      Ich habe halt echt keinen Bock mehr darauf, ich will diese Beziehung nicht mehr – nicht in der Art und Weise wie sie momentan besteht. Ich habe das Gefühl, dass ich immer für alles herhalten muss. Alles scheint sich nur noch um Björn zu drehen.

      Aber dass ich auch manchmal nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht, dass ich auch Probleme auf der Arbeit habe, dass ich dabei noch an meiner Abschlussarbeit schreibe, demnächst anfangen muss für meine letzten Klausuren zu lernen und mir darüber hinaus auch noch Gedanken machen muss, wann und wo ich mich anfange zu bewerben für nach dem Studium, das merkt er nicht.

      Ich weiß, jetzt bin ICH nur noch am Nörgeln und Piensen und Jammern!

      Ich muss hier irgendwas machen, damit ich mal unter andere Leute komme – nur was?

      Es ist auch nicht gut für mich, dass ich im Prinzip nur daheim bin, wenn ich nicht arbeite… oder in der Bibliothek. Wie lerne ich andere Leute kennen, neue Freunde?

      Das war schon immer eine Schwäche von mir. Früher konnte ich gar nicht auf fremde Menschen zugehen. Inzwischen ist das besser geworden, vor allem auch durch meinen Nebenjob während meines Studiums im Verkauf, da musste ich auf Kunden zugehen und offen sein. Aber privat? Man sollte denken, dass einem das vor allem in einer Großstadt wie Berlin leicht fällt – aber mir fällt es noch umso schwerer.

      Am Freitag, den 07.12, ist der nächste Termin bei Doktor Bergmann! Ein Tag nach Nikolaus. Ich werde für ihn einen kleinen Schokoladen-Nikolaus besorgen oder so etwas in der Art. Noch besser – ich werde ihm die CD von Joshua Kadison brennen und den Schoko-Nikolaus mit einer Schleife auf die CD binden. Über Joshua Kadison hatten wir ja kurz während der vorletzten Behandlung gesprochen. Es lief zufällig „Jessie“, worauf Doktor Bergmann meinte, wie gut ihm der Song gefiele und dass es schade sei, dass man von dem Sänger nichts mehr gehört habe. Worauf ich ihn wiederum verbessern musste. Schließlich gibt es von Joshua Kadison wirklich mehr Songs als nur Jessie! Ich meinte dann, dass auch noch die Songs „Picture Postcards from L.A.“ und „Beautiful in my eyes“ bekannt seien, dass mir aber vor allem „Beautiful in my eyes“ gefiele. Dann sah er mich wieder mit diesen wunderbaren Augen, diesem überraschten, neugierigen Blick an.

      Was mache ich nur? Ich finde ihn zwar echt zum Anbeißen, aber ich glaube wohl kaum, dass er mich kennenlernen möchte. Außerdem ist er doch bestimmt schon vergeben - bin ich ja auch!!! Und was sollte ich überhaupt zu ihm sagen?

      „Würden Sie mit mir ne Tasse Kaffee trinken gehen, wenn Sie fertig gebohrt haben???“ Den Spruch hat bestimmt noch keiner gebracht!!! Wie peinlich!!! Außerdem bin ich eine Patientin, und wenn er eine professionelle Einstellung hat, wird er sich niemals privat mit einer Patientin treffen. Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als weiterhin von grünblauen Augen zu träumen *seufz*

      Ich weiß nicht mehr, was ich denken und fühlen soll im Moment. Ich fühle mich so zweigeteilt – eine Hälfte, die zu Björn hält,