Juna Aveline B.

Wege des Himmels


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fragte die Verkäuferin weiter.

      „Nein, meine Eltern bleiben lieber im deutschsprachigen Raum.“

      „Dann habe ich hier drei passende Angebote zu einem sehr guten Preis für Sie: Einmal vier Übernachtungen mit Halbpension in Sankt Martin in der Pfalz, inklusive einer Erlebniswanderung im Pfälzerwald und einem Wellnesstag mit drei verschiedenen Wellnessanwendungen, die Sie vor Ort buchen können. Wenn Ihre Eltern im Frühjahr verreisen möchten, kann ich Ihnen dieses Angebot nur empfehlen, denn in der Mandelblütenzeit ist es wunderschön in der Pfalz!...“

      Mehr bekam ich von der ausführlichen Beratung der Verkäuferin nicht mehr mit – die Pfalz, die Heimat von Frau Sommer…

      Konnte ich denn nirgends mehr hingehen, ohne irgendwie an Frau Sommer denken zu müssen? Warum erinnerte mich auf einmal alles an sie? Die letzten zwei Termine waren ganz normal verlaufen - gut, das letzte Mal schien sie es irgendwie eilig zu haben, aber ansonsten – sie ist schließlich eine Patientin wie jede andere auch.

      Das Angebot des Hotels in Sankt Martin war bestimmt das Beste, aus Protest entschied ich mich jedoch für ein anderes Angebot, für das Angebot eines Hotels auf Usedom, damit würden meine Eltern immerhin auch einiges an Fahrtzeit sparen.

      Fehlte nur noch das Geschenk für Raphaela, meine Schwester. Das war wie immer das schwierigste Geschenk. Ich kannte keinen Menschen dieser Erde, dem Geschenke so unwichtig sind, wie meiner Schwester. Sie ist immer diejenige, die sich wohl die meisten Gedanken darum macht, was sie schenkt, aber sie freut sich einfach über alles, was andere ihr schenken, gleich was es ist oder wie teuer es war. Raphaela mag Tiere und ist ebenso musikbegeistert wie ich auch. Und sie ist eine absolute Romantikerin. Ich kann mich erinnern, als sie fünfzehn Jahre alt war – ich war damals gerade 18 – und meine Eltern waren das erste Mal allein einige Tage in Urlaub gefahren. Kaum waren sie einen Tag weg, bekam Raphaela eine Grippe mit Fieber und Übelkeit und allem was dazugehört. So fuhr ich sie zum Arzt und kümmerte mich um sie, machte ihr Suppe und Wadenwickel. Tagsüber schlief sie meist oder las, aber abends wollte sie immer, dass ich zu ihr kam und bei ihr blieb. So kuschelte ich mich zu ihr ins Bett und sie zwang mich, sämtliche Liebesfilme mit ihr zu schauen. Seitdem kenne ich Filme wie Love Story, Pretty Woman oder Dirty Dancing auswendig. Aber meiner kleinen Schwester kann ich eben kaum einen Wunsch abschlagen, erst recht nicht, wenn sie krank ist.

      Dirty Dancing! Das ist es! Da gibt es doch inzwischen auch ein Musical!

      Ich stoppte, drehte mich um und lief direkt noch einmal zurück ins Reisebüro.

      „Ich habe etwas vergessen!“, meinte ich zu der mich neugierig musternden Verkäuferin, die über mein erneutes Auftauchen sichtlich überrascht war.

      „Es gibt doch von Dirty Dancing ein Musical?“ stellte ich mit einem fragenden Unterton fest.

      „Ja, das läuft zurzeit in Hamburg.“

      „Dann hätte ich gerne noch zwei Tickets für Dirty Dancing mit zwei Übernachtungen in einem schönen Hamburger Hotel!“

      Dann kann Raphaela Tom, ihren Freund, mitnehmen in Dirty Dancing – er wird wohl gerne mitgehen. Wenn ein Mann seine Frau glücklich machen kann, macht das wohl jeder Mann gerne, der seine Frau liebt. Und außerdem können sie sich Hamburg noch anschauen und müssen nicht gleich am nächsten Tag wieder heimfahren.

      Ich ging zurück zu meinem Auto, verstaute die Tüten mit den Geschenken im Kofferraum und machte mich auf den Heimweg. Ich würde mich beeilen müssen, um nach Hause zu kommen bevor Magdalena heim kam. Sie sollte schließlich nicht gleich die Tüten mit den Geschenken entdecken. Immerhin hatte ich nur etwas mehr als zwei Stunden gebraucht, um die vier Geschenke auszusuchen. So schnell wie dieses Jahr war ich selten im Geschenkekaufen.

      Ich drehte das Radio lauter und sang gut gelaunt „Last christmas“ von Wham! mit. „Last christmas I gave you my heart but the very next day you gave it away. This year to save me from tears I’ll give it to someone special…” Der Song gehört einfach dazu an Weihnachten!

      Der Song war zu Ende und es ging weiter mit Jessie… Jessie… Lara… ich erinnerte mich wieder an diese sanften blaugrauen Augen – was war an ihnen so besonders, dass sie sich mir derart eingeprägt hatten? Erst da merkte ich, dass ich bereits bei Last Christmas an Lara gedacht hatte – es war nicht das Video von Wham, das sich in meinem Kopf abspielte, es war Lara, die im Schnee tobte, Lara, die laut lachend mit dem Schlitten den Abhang hinunter fuhr und es war Lara, die dem Schneemann eine Karotte als Nase ins Gesicht setzte.

      Beinahe hätte ich die Ampel übersehen, die gerade auf Rot sprang! Ich trat kräftig auf die Bremse, sodass das Auto gerade so noch stehenblieb. Ich stellte wütend das Radio aus. Den Rest des Heimweges konzentrierte ich mich nur noch auf die Straße und den übrigen Verkehr.

      Magdalena war zum Glück noch nicht zuhause als ich heimkam. Sie war mit Freundinnen beim Frisör und anschließend stand ein Besuch bei einer Kosmetikerin an. Vielleicht würden sie danach noch irgendwo einen Kaffee trinken gehen, das konnte sich manchmal länger hinziehen als gedacht.

      Kaum hatte ich die Weihnachtsgeschenke in der hintersten Ecke meines Schrankes verstaut, klingelte das Telefon – Marle.

      „Hi! Bist du schon zurück vom Weihnachtsshopping?“

      „Ja, gerade eben bin ich heimgekommen.“

      „Und? Hast du mir auch was Schönes ausgesucht?“ fragte sie schelmisch.

      „Wird nicht verraten. Aber ich habe alle Geschenke!“ sagte ich stolz.

      „Dann werd ich mich wohl bis Weihnachten gedulden müssen“ stellte sie mit gespielt enttäuschtem Unterton in der Stimme fest.

      „Ja Liebling, du wirst dich wohl gedulden müssen!“, stimmte ich ihr zu.

      „Okay, damit mir die Zeit bis dahin nicht so lange wird, gehe ich jetzt noch mit meinen Freundinnen etwas essen und Kaffee trinken. Wollte ich dir nur sagen, damit du nicht vergebens auf mich wartest!“

      „Ist okay! Dann viel Spaß bei Lästern!“ kommentierte ich amüsiert ihren monatlichen Schönheitstag mit ihren Freundinnen.

      Kaum hatte Marle aufgelegt und ich mich auf die Couch geschmissen, klingelte schon wieder das Telefon.

      „Hey Luki!“ meinte eine schluchzende Stimme am anderen Ende. Es gab nur einen Menschen auf der Welt, der mich Luki nannte – Raphaela, meine kleine Schwester.

      „Hey! Was ist denn los, Kleines? Warum weinst du denn?“ fragte ich entsetzt.

      „Rollmops ist krank.“, schluchzte sie. Rollmops war ihr roter Kater, und wie der Name vermuten lässt, ist er gut gebaut – ich darf nicht dick sagen, sonst wird Raphaela wütend.

      „Was hat Rollmops denn?“ fragte ich nach. „Ist es arg schlimm?“

      „Ich glaub er hat sich ein Bein gebrochen! Er ist vom Schrank gesprungen und dabei hat er den Wäscheständer übersehen, ist halb auf dem Wäscheständer gelandet, der dann zusammen mit ihm hingefallen ist. Und jetzt humpelt er ganz schrecklich! Er kann gar nicht mehr auftreten mit dem rechten Hinterbein!“

      „Ohje! Das hört sich ja wirklich schlimm an!“ Aber der Tierarzt würde das Bein bestimmt wieder hinbekommen! „Du musst gleich zum Tierarzt mit ihm! Der kann das bestimmt wieder richten!“

      „Deswegen rufe ich an“ Pause – wenn Raphaela auf einmal so ruhig wurde, wollte sie bestimmt etwas von mir.

      „Kannst du mich fahren?“ Da war es raus. Ich kenne meine Schwester zu gut. Es amüsierte mich inzwischen richtig, sodass ich ein leises Lachen unterdrücken musste.

      „Kannst du nicht selber fahren?“, ich half meiner Schwester ja immer gerne – aber gerade hatte ich mich auf einen gemütlichen Fernseh-Samstagnachmittag gefreut.

      „Tom hat mein Auto, weil seines in der Werkstatt ist. Und er ist vor heute Abend nicht zurück!“ Ihre Stimme klang bettelnd.

      Okay, darum hatte sie mich gefragt. Sie konnte selbst