Ingo M Schaefer

Die Tote am Steinkamp


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wir herein kommen?“

      Er trat beiseite und ließ uns bis in den Flur. Er bot uns keinen Platz an, also blieben wir stehen. Wir kamen ungelegen. Von oben hörte ich die Tür zugehen und einen Schlüssel umdrehen.

      „Sie haben Besuch?“, fragte Markus.

      „Nein, ich bin allein.“

      Ich sah Markus an und dann nach oben. Er ging die Treppe hoch.

      „Brauchen Sie dafür keinen Durchsuchungsbefehl?“, fragte Heiner Grenitz.

      „Da Sie gesagt haben, sie seien allein, und da wir die Polizei sind, müssen wir Sie schützen“, sagte ich. „Möglicherweise ist oben ein Einbrecher, den Sie noch nicht bemerkt haben.“

      Stenhagen stand vor der verriegelten Tür.

      „Kripo Bremen, öffnen Sie sofort!“

      Ein Schlüssel drehte sich.

      „Ziehen Sie sich bitte an!“, hörte ich Markus‘ ruppigen Ton.

      „Gehen wir doch in die Stube, Herr Grenitz. Setzen Sie sich!“ Ich wartete, bis der alte Seitenspringer saß.

      „Wo waren Sie gestern zwischen neun Uhr abends und zwölf Uhr nachts?“

      „Hier!“, sagte er.

      „Kann das jemand bezeugen?“, fragte ich.

      „Nein, ich war allein.“

      „Ihre Frau kann das nicht bezeugen?“, stellte ich die Falle.

      „Martha? Nein“, lachte er. „Die ist irgendwo, wahrscheinlich bei jemand anders. Hören Sie! Meine Frau und ich sind nur auf dem Papier verheiratet. Sie hat das Auto und die obere Etage und ich die untere. Sie bringt Männer und ich Frauen mit.“

      „Warum ließen Sie sich nicht scheiden?“, fragte ich.

      Er sagte lange nichts.

      „Hat sich nie ergeben“, meinte er schließlich.

      „Ich muss Ihnen leider sagen, das Ihre Frau heute morgen in einer Ausgrabungsgrube am Steinkamp tot aufgefunden wurde. Ich bitte Sie zur Identifizierung mitzukommen. Es tut mir leid!“

      Weder der Witwer noch die Frau, eine Agnes Senner, konnten unsere Fragen beantworten. Wann kam der Audi zurück? War ihre Frau allein? Hörten sie zwei Türen auf- und zuschlagen?

      Frau Senner kam vor einer halben Stunde. Ihr Alibi war noch zu prüfen. Aber ihre schauspielerische Leistung bestand darin ihre Brüste nach vorne zu schieben und mit den Wimpern zu schlagen. Ich konnte sie vom Verdächtigenhaken losmachen.

      Wir nahmen Grenitz mit. Markus begleitete ihn zur Identifizierung der Leiche.

      8

      „Was kannst du mir über das Gift sagen?“

      „Aconitum, Blauer Eisenhut“, gab der Vater der Giftanalyse bekannt.

      „Du meinst Aconitum napellus, Europas giftigste Pflanze?“

      „Ja. Das Pflaster auf Matha Grenitz ist damit getränkt. Das tödliche Gift dringt durch die Haut ein.“

      „Hast du das Pflaster von Lewinski noch?“

      „Nein!“, gab er zu.

      „Wenn Lewinski auch ein Abendkleid trug, gibt es vielleicht Extraktreste am Sitz. Du hast doch noch das Unfallauto.“

      „Das Pflaster hat eine Plastikseite und wir konnten einen Fingerabdruck sicherstellen. Er gehört nicht zum Opfer und ist nicht in der Datenbank. Das Lewinski Auto ist als nächstes dran.“

      „Und der Ring?“, fragte ich.

      „Echtes Silber. Das Blut gehört zur Toten. Allerdings ist das keine europäische Ausführung. Nach den Filmen gab es zahlreiche Franchisenehmer, die für den jeweiligen Kontinent die Rechte kauften. Dein Ring hat eine Silberlegierung, die typisch für Südamerika ist und nur dort verkauft werden darf. Mach was draus!“

      9

      Rita rief die Kinder der Grubentoten an. Außer Schock und Unverständnis erkannte sie keine Ungereimtheiten in den Stimmen.

      „Das Opfer war gestern Abend im Statt-Theater in Vegesack“, sagte Frederike. „Sie fuhr mit dem Auto hin und zurück. Sie muss das Fahrzeug zuhause abgestellt haben oder der Täter. Von der Garage zum Fundort sind es fast siebenhundert Meter Weg“, sagte Chico. „Ich ruf die Spurg an, um das Auto zu untersuchen.“ Ich nickte. „Martha schien ein Drache zu Hause zu sein, wenn man den Nachbarn glaubte. Sie war Mitglied im Verband Bremer Unternehmerinnen. Sieht so aus, als ob sie vor der Übernahme des Geschäfts Hausfrau war.“

      „Damit gäbe es eine weitere Übereinstimmung mit Frau Lewinski, wenn auch sie vergiftet wurde“, fuhr Frederike fort. „Sie übernahm vor sechsundzwanzig Jahren das Geschäft ihres Mannes, einen Getränkehandel. Allerdings verkaufte sie das Geschäft und eröffnete einen Food und Party Lieferservice, der auch im Internet vertreten ist.“

      „Vor fünfundzwanzig und sechsundzwanzig Jahren, hm“, sagte ich. „War Irene Lewinski auch im Verband?“

      „Nein“, sagte Rita. „Aber hier ist ein Insolvenzantrag vor drei Tagen. Der Ehemann hat alles geerbt.“

      „Er verkauft also nicht, sondern ist insolvent?“, fragte Markus.

      „Ruft jemanden vom Dezernat Wirtschaftskriminalität“, bat ich. „Der soll uns erklären, wie ein gesunder Lieferservice innerhalb drei Wochen insolvent wird. Besorgt die Unterlagen beider Firmen. Wir müssen prüfen, ob da Verbindungen sind.“

      „Oder der Mann ist unfähig“, meinte Frederike. „Sein erstes Geschäft ging ja auch unter.“

      „Wir müssen erklären, warum sie zur Grabung ging und wer sie begleitete. Ab zehn Minuten Hautkontakt macht Aconitum bereits Lähmungen, Orientierungslosigkeit und Atemnot. Die Täterin oder der Täter brauchte sie nur zur Grube dirigieren. Sie kann selber hinien gefallen sein. Wenn sie sich nicht das Genick gebrochen hätte, wäre sie an der Vergiftung gestorben.“

      Ich rief Yannick nochmal an.

      „Was macht die Trockenlegung?“

      „Warte bis morgen!“ Er legte auf.

      Ich rief Dr. Marker an.

      „Was macht die Exhumierung?“

      „Ich fahre gleich los.“ Sie legte auf.

      „Lewinski fuhr auf der A270 stadteinwärts“, berichtete uns Chico. „Von Vegesack kommend verfehlt sie die Abfahrt Rotdornallee, rast in die Leitplanke und das Fahrzeug überschlägt sich. Sie starb im Krankenhaus. Laut den Rettungsleuten war sie orientierungslos. Sie hatte etwa nullkommasiebenacht Promille. Grund genug für den Staatsanwalt auf Unfall zu setzen. Das sind bereits zwei Unternehmerinnen, vorher Hausfrauen, mit erfolglosen Männern.“

      „Wir müssen herausfinden, wen beide Frauen vorher getroffen haben, der ihnen so nahe kommen konnte, um ein Giftpflaster auf den Rücken zu kleben. Wer hätte Zugang zu den Fahrzeugen?“, fragte ich. „Wer hätte Kenntnis über blauen Eisenhut? Der wächst in Gebirgslagen, nicht bei uns. Warum merkten sie nichts? Chico, hauch der Spurg in den Nacken!“ Als er grinste, kühlte ich ihn ab. „Und lass meine Schwägerin in Ruhe, wenn du es nicht ernst meinst!“

      Jetzt grinsten Frederike und Rita.

      10

      Markus gab bekannt, dass die Geliebte des Witwers tatsächlich ein Alibi besaß. Beide gaben zu, dass die neue Isolierung der Fenster und Außenwand schalldicht war. Niemand im Wohnraum hörte ein leise anrollendes Auto. Beschallte dazu der Fernseher den Raum, hörte man kein Türenschlagen.

      Ich nahm mir vor, Yannick in drei Stunden wieder zu scheuchen.

      Bis dahin musste er Autos auseinandergerissen und eine Wiese in Steppe verwandelt haben.