Ingo M Schaefer

Die Tote am Steinkamp


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als die Empfangsdame uns herbei rief. Dabei schickte ich eine vorbereitete SMS weg.

      Ein Mann meines Alters stellte sich als Doktor der Rechte Alois Stehnke vor.

      „Sie sind Jennifer Hemlock? Darf ich Ihren Personalausweis sehen?“

      Sie zeigte ihn. Der Anwalt strahlte.

      „Und Sie sind?“, fragte er mich.

      „Hauptkommissar Nagel.“ Ich zeigte ihm Marke und Ausweis.

      „Oh!“ Seine Stirn zeigte Falten.

      „Ich möchte gern mein Sparbuch erhalten, das ihre Kanzlei eingerichtet hat“, sagte die Viertelmillionärin.

      „Dann kommen Sie doch bitte in mein Büro.“

      „Herr Nagel kommt mit“, bestand sie. Der Anwalt zuckte mit den Schultern.

      Im Büro. Schwarzer Teppich. Glastisch, auf dem nur der obligatorische aufgeklappte Laptop stand. Eine lederne Sitzgruppe am Fenster. Eine Schrankwand mit abweisenden Fronten machten mir klar, dass hier ohne Durchsuchungsbefehl nichts zu bekommen wäre. Dr. Gesetzlückensucher setzte sich an seinen tragbaren Computer und tippte auf der Tastatur.

      „Hm“, brummte er. „Ja, Frau Hemlock. Ich bedauere. Ihr Sparbuch befindet sich im Schließfach der Sparkasse.“

      „Sie wissen also, dass Frau Hemlock dieses Sparbuch besitzt“, stellte ich fest.

      „Selbstverständlich. Wir wurden beauftragt es einzurichten,:“

      „Von wem?“, fragte ich.

      „Bedaure. Der Auftraggeber will geheim bleiben.“

      „Dr. Stehnke“, sagte ich. „Ich untersuche drei Mordfälle und ihr Auftraggeber sollte mir ein paar Fragen beantworten. Er ist des Mordes verdächtig. Ich bitte Sie, mir den Namen zu nennen. Wir beide kennen uns noch nicht.“

      „Sie wissen, dass ich das nicht kann. Aber ich werde meinen Mandanten informieren, dass er sich stellen soll, um die Missverständnisse auszuräumen.“

      „Wie Sie meinen, Dr. Stehnke. Wie ich bereits sagte, wir kennen uns nicht. Damit meinte ich, dass Sie mich nicht kennen.“ Ich griff in meine Jackentasche, holte den Schrieb raus und legte ihn auf die glatte Platte. „Ich habe mich vorbereitet und dies ist ein Durchsuchungsbefehl für alle Räume dieser Kanzlei. Wenn ich alle sage, meine ich alle. Wissen Sie, ich bin da sehr genau mit der Vorrecherche. Deswegen bekomme ich solche Befehle. Das ist Ihr Exemplar.“ Ich schob das Blatt auf seine Seite. „In genau einer halben Minute klingelt es. Sollten Ihre Leute sich meinen Mitarbeitern in den Weg stellen, verhafte ich jeden. Ich werde meine Leute anweisen, genau zu sein, einen Tag, zwei Tage, drei Tage. Es ist immer sehr lästig ganze Aktenschränke aufzuladen, warum nicht hier untersuchen. Leider folgt mir die Presse auf Zeh und Nagel. Sie können sich gern vor die Kamera stellen und Polizeischikane schreien. Wir beide wissen, dass Ihre wirklich lukrativen Kunden früher als sofort die Zusammenarbeit mit Ihnen aufkündigen. Ich weiß ja nicht, was Sie dann machen. Aber sie haben beste Kontakte zu Gerichtsvollziehern, wie man mir zwitscherte. Ich frage noch einmal, freundlich und höflich. Ein letztes Mal. Wer ist der Auftraggeber, der ihnen angewiesen hat, Vollstreckungsbescheide gegen die Herren Heiner Grenitz, Philipp Lewinski und Stefan Heine an Frau Jennifer Hemlock zu übertragen? Hier geht es nicht darum, dass die Herren mit ihren Schulden davonkommen, sondern wer ihre Frauen ermordete. Zudem sorgen Sie dafür, dass Frau Hemlock sofort ihr Sparkassenbuch bekommt.“

      Dr. Findet-nicht-die-Lücke wollte aufbrausen, besann sich, weil er merkte, dass er nicht alles haben konnte. Sein Geschäft war ihm wichtiger. Es klingelte.

      Unser Gegenüber schrak auf.

      „Manuel Stedinger!“, platzte es aus ihm heraus, und er gab noch die Adresse dazu.

      Ich stand auf.

      „Das war ein Schuss vor den Bug, Herr Doktor. Jetzt kennen wir uns. Wenn es um Mord geht, seid Ihr Anwälte für mich Dünnbretter, durch das ich mich mit einem Schlag hindurchtreibe.“

      Ich sammelte die Kollegen am Flur ein. Draußen nahm ich Frau Hemlock beiseite.

      „Vielen Dank, dass ich mit durfte. Aber jetzt geht es für Sie direkt zur Tochter. Wenn Sie das Sparbuch nicht bekommen, rufen Sie mich an.“

      „Seien Sie freundlicher!“, empfahl die junge Mutter mir für meinen weiteren Weg.

      15

      „Sag mir bitte, dass du im Lewinski Auto was gefunden hast“, flötete ich nach Hemlocks Wunsch in den Hörer.

      „Ich habe was gefunden. Zufrieden?“, knurrte Yannick.

      Ich wartete. Er seufzte.

      „Frage wenigstens!“, bat er.

      „Was hast du gefunden?“

      „Blauen Eisenhutextrakt ungefähr in der Höhe des Sitzes, der mit der Lage des Pflasters nach den Fotos auf Lewinskis Rücken identisch ist. Sonja konnte am Rücken noch Klebereste festellen, der die Lage auf dem Sitz bestätigt. Und einen fremden Nagelrest. Kein Treffer in der Datenbank.“

      16

      Rita und Markus brachten den Verdächtigen ins Büro. Er setzte sich zufrieden und selbstsicher hin. Ich drückte die Aufnahmen-Taste an der Tischseite und sprach laut, was das Protokoll vorgab. Name, Zeit, Ort.

      „Manuel Stedinger. Sie haben drei Frauen aus niederen Beweggründen, aus Geldgier, ermordet.“

      „Das ist nicht wahr.“

      „Wir haben einen abgebrochenen Fingernagel im Fahrzeug der ermordeten Irene Lewinski gefunden. Ihren Fingernagel. Ihre Schuhe haben Erdrückstände vom Steinkamp. Ihre Sohlen wurden mithilfe der Gipsabdrücke identifiziert. Ihre Fingerabdrücke sind auf dem Pflaster, das Marta Grenitz getötet hat. Zudem fanden wir Ihre Handrillen an der Mordwaffe, mit der Sie gestern Ester Heine getötet haben. Nach dem fast perfekten Mord an Lewinski wurden sie ziemlich schlampig. Den ersten Mord stufte man leider als Unfall ein. Die Beweise gegen Sie sind erdrückend. Was wollen Sie dann noch leugnen? Sie haben diese drei Frauen getötet.“

      „Das bestreite ich auch gar nicht.“

      Für einen kurzen Moment war ich sprachlos, baff.

      „Ich korrigiere Sie gern, Herr Hauptkommissar. Wenn Sie das Band zurück spulen, habe ich Ihrer Behauptung widersprochen aus niederen Motiven getötet zu haben.“

      „Wie bitte?“, fragte ich verdattert.

      „Der Tatbestand niederer Beweggrund, hier Geldgier, impliziert, dass ich durch die Tat finanziell profitieren wollte. Das ist nicht der Fall. Ich gewinne keinen Cent. Wie wollen Sie mir einen niederen Beweggrund beweisen? Zu Jenny Hemlock habe ich keinen Kontakt und sie hat keinerlei Verbindungen zu den drei Frauen. Sie hat bis gestern nichts gewusst. Die Sparkassenangestellten werden eidesstattlich erklären, sie gestern erstmals über das Sparbuch aufgeklärt zu haben, als sie danach fragte. Ebenso die Kanzlei und deren Angestellten. Frau Hemlock hat keinerlei Beziehung zu Personen innerhalb der Kanzlei. Sie werden in meinem Computer Dateien finden. Briefe. Jährlich schrieb ich den drei Frauen und bat um Begleichung der Schulden, bot großzügige Ratenzahlungen an, dass der juristisch Kunstgriff der Firmenübertragung auf den Partner unziemlich und ungerecht sei. Sie haben nie geantwortet. Stets blieb ich freundlich, um die Begleichung zu erbitten. Lewinsky und Grenitz waren starke Raucherinnen. Sie wussten nicht, wer ich war. Ich spürte ihnen nach. Als ich feststellte, dass sie regelmäßig ausgingen, folgte ich ihnen. Sie flirteten mit mir. Ich hatte keine Schwierigkeiten, ihnen die präparierten Rauchpflaster zu verpassen. Ich habe sie dahin gebracht aufzuhören. Ich bot ihnen an, es damit zu versuchen. Die ersten waren natürlich echte Nikotinpflaster. Es war auch nicht schwer sie zu überreden, dass ich ihnen die Pflaster auf den Rücken klebte, damit sie nicht hinkamen. Lewinski beim Abschied im Auto und Grenitz beim Spaziergang. Grenitz bekommt bald Besuch vom Gerichtsvollzieher. Er hat automatisch das Erbe angetreten. Bei Meier wird der natürliche Lauf entscheiden.“ Er beugte sich vor. „Wie egal allen war, dass ihre Männer Schulden hatten.