A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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den Gefallen, doch sie sahen niemanden. Aus unerklärlichen Gründen fühlte sich Richard zu dem Tal hingezogen. Nach einer Weile gaben sie es auf und Songragan entfernte sich vom Krater.

      Auf dem Talboden des Kraters, verborgen unter Obstbäumen, beschattete ein braunhaariger Mann seine Augen und schaute in den Himmel. Während er den Drachen beobachtete, rief er seine Frau zu sich, die im Schatten einer Palme saß und in einem Buch las.

      „Lillith, wir haben Besuch. Doch unsere Gäste können, wie immer, nicht landen.“

      Die schlanke Frau trat zu ihrem Mann, legte den Arm um seine Taille und folgte seinem Blick. Seufzend legte sie ihren Kopf an seine Schulter. „Es scheint ein gewaltiger Drache zu sein. Der könnte dir gefallen, stimmt´s?“

      „Ja, ich denke schon. Wie lange ist es jetzt her…“ Abrupt brach er ab und ein schmerzhafter Zug huschte über sein Gesicht. Mich interessiert aber auch, wer sein Reiter ist.“ Der Mann wandte sich seiner Frau zu und strich ihr mit einer liebevollen Geste die langen, blonden Haare aus dem Gesicht. Dann legte er zärtlich seine Hände auf ihren runden Bauch. „Wie geht es unserem kleinen Schatz? Alles gut?“

      Urlaubsstimmung und Training

      Einen weiteren kostbaren Ferienmorgen verbrachten die Gäste vom Chateau d`Aigle mit Schwimmen, Boule* spielen und Essen. Im Laufe des Vormittags verzogen Ben und John sich in eine Ecke des Parks, um die Elementemagie zu trainieren.

      Inzwischen beherrschte Ben das Feuer, es bereitete ihm Spaß, es mit seinen Händen zu locken und er genoss dessen Hitze. Immer wieder faszinierte es ihn, dass die Flammen ihn nicht verbrannten, sondern ihm ein wohliges Gefühl schenkten.

      Ben bewarf John mit Feuerbällen und der versuchte, sie mit seinen Armen zu blocken, versengte sich jedoch die Haut. Daraufhin sammelte John mehrere dicke Steine und legte sie vor sich hin. „Komm, schmeiß noch mal ein paar Feuerbälle rüber, dieses Mal werde ich sie mit den Steinen aus der Bahn werfen“, schlug er vor.

      „Okay.“ Ben donnerte John die Feuerbälle um die Ohren, der jetzt die Steine benutzte, um das Feuer aus seiner Flugbahn zu katapultieren. Nun gelang die Abwehr besser. Nachdem sie noch verschiedene Manöver durchprobiert hatten, gesellten sie sich wieder zu den anderen und vertrödelten den restlichen Vormittag.

      Bei einem seiner Rundgänge durch das Schloss hatte Ben eine Gitarre entdeckt und Magor hatte nichts dagegen, dass er sie benutzte. Ben setzte sich mit Nala in den Schatten einer Palme, und sie sang zu seinem Gitarrenspiel. Ihre Stimme war voller Volumen, mit einer enormen Bandbreite und viel Gefühl.

      Nachdem sie ihr gesamtes Repertoire zum Besten gegeben hatten, interessierte Ben sich für Nalas Kindheit und ihre Zeit in Afrika. Ihr Gesicht verschloss sich und Ben fühlte sich an Emma erinnert, die bei manchen Themen auch dicht machte.

      Zunächst schwieg Ben, dann tastete er sich vorsichtig heran: „Ich frage dich nicht aus purer Neugier, aber wenn wir für die vier Elemente der Prophezeiung stehen, dann sollten wir uns vertrauen und möglichst viel voneinander wissen. Wir dürfen keine Geheimnisse voreinander haben.“

      Mit einem abschätzenden Blick sah Nala ihn an, schließlich stimmte sie zu: „Du hast Recht. Wenn wir tatsächlich die vier Elemente sind und gemeinsam den Kampf gegen die Mächte der Finsternis aufnehmen, müssen wir uns besser kennen. Manchmal ist es wichtig, zu wissen, wie der andere denkt und warum er so ist, wie er ist. Deshalb erzähle ich dir ein wenig von mir.

      Geboren bin ich mitten in Afrika in einem sehr kleinen Dorf. Ursprünglich hatte ich insgesamt sechs ältere Geschwister und drei Jüngere. Zumindest zum Zeitpunkt meiner Flucht. Von den Älteren waren drei Mädchen, die aber alle gestorben sind.“

      Tränen traten in Nalas Augen und sie konnte nicht weiter sprechen. Geduldig wartete Ben darauf, dass sie weitersprach.

      Nala riss sich zusammen und fuhr fort: „Es gibt in Afrika Rituale, durch die erschreckend viele Mädchen elendig sterben. Glücklicherweise sind diese Rituale hier in Europa verboten. Ich wollte mir das ersparen und bin deshalb geflohen. Mein Körper gehört mir.“

      Ben verstand nicht so richtig, was sie meinte und wollte gerade nachfragen, als Nala ihn daran hinderte: „Bitte, frag jetzt nicht! Lass es so stehen und hör weiter zu, über manche Dinge kann ich nicht reden. Schau im Internet unter Beschneidung* nach.“

      Ihr energischer Tonfall und ihre blitzenden Augen hinderten Ben daran, nachzuhaken und Nala erzählte weiter: „Nachdem ich weggelaufen war, schlug ich mich lange Zeit alleine durch, gequält von Hunger und Einsamkeit. Immerzu war ich auf der Flucht. Vor meiner Familie und auch Fremden, die ich vor lauter Hunger bestohlen hatte. In dieser Zeit bin ich vielen bösen Menschen begegnet und die Angst war mein ständiger Begleiter, bis Komor mich aufgesammelt hat. Hätte er mich nicht gefunden, wäre ich schon lange tot. Reicht dir das als Erklärung?“

      Ben konnte nur stumm nicken und schämte sich. Was für eine Kindheit! Worüber er sich noch bis vor kurzem Sorgen und Gedanken gemacht hatte, erschien ihm geradezu lächerlich dagegen.

      Innerlich aufgewühlt funkelte Nala ihn an, bei diesem Thema kochte sie jedes Mal hoch. Doch sein betroffenes Gesicht stimmte sie milder. Für ihre Vergangenheit konnte Ben nichts, deshalb legte sie ihm versöhnlich eine Hand auf die Schulter. „Die Wut auf meine Familie brodelt in mir, aber ich hab sie unter Kontrolle.“

      Die Schwere des Moments wurde durch die Ankunft von John und Emma aufgehoben. Ben musterte die beiden aus zusammengekniffenen Augen und sein Magen krampfte sich kurz zusammen. Wo kamen die beiden jetzt schon wieder her? Er wollte es lieber gar nicht wissen. Schnell schüttelte er das Unwohlsein ab und widmete sich seiner Gitarre. Summend griff er verschiedene Akkorde und wiederholte immer wieder eine Melodie. Wie von selbst entstand ein Text in seinem Kopf:

      „There are four fighters against the darkness,

      four people against the death.“

      „Das hört sich super an!“, begeisterte sich Emma.

      Ben freute sich über ihr Lob und probierte weiter an der wehmütigen Melodie herum. Weitere Worte formten sich zu Sätzen:

      „Four elements to win the battle,

      four heartbeats seem to be as one.“

      Nala lobte: „Das gefällt mir.“

      Zusammen sangen sie die vier Zeilen und ihre Stimmen verschmolzen miteinander. Begeistert feilten sie weiter an Text und Melodie.

      Auf dem Balkon seines Schlafzimmers stand Magor und beobachtete fasziniert die jeweilige Aura der vier Elemente. Damals, im Lager der gestrandeten Kinder, hatten deren vier Auraströme sich schon einmal verbunden, waren aber ein wirres Durcheinander geblieben. Jetzt dagegen leuchteten die Farben kräftiger, vier einzelne Bänder bildeten und verflochten sich zu einem starken, gemeinsamen Strang.

      Zufrieden murmelte Magor: „Sie wachsen zusammen.“

      Nach dem Mittagsimbiss trainierten die vier Elemente erneut mit Magor. Gestern war vieles noch Theorie gewesen, jetzt folgte die Praxis im Freien. Sie trafen sich in der großzügigen Parkanlage in einer verborgenen Ecke, die als Trainingsarena diente. Die vier Elemente standen nebeneinander, Magor vor ihnen, Spannung lag in der Luft. Die Gesichter der Freunde zeigten volle Konzentration. Der Zauberer hob die Arme und die Luft begann vor Magie zu knistern.

      Wind kam auf und wehte ihnen zunächst schmeichelnd um den Körper. Magor veränderte ein klein wenig die Handstellung und die Brise nahm an Stärke zu. Nun drehte der Magier seine Hände in einer Rotation und die Luftbewegung wurde zur Windhose, die Nala angreifen und mitreißen wollte.

      „Wehr dich!“, schrie Magor.

      Nala hob die Hände und versuchte, ihr Element zu bändigen. Ein Kampf wurde entfesselt, der Sturm wütete und wurde immer aggressiver, aber Nala gab nicht nach. Mit ihrer ganzen Macht und ihrem starken Willen zwang sie den Wind in die Knie und schließlich gehorchte er ihr. Magor strahlte über das ganze Gesicht und fragte: „Wer stellt sich als Opfer zur