A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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sie zu Ben, der nachdenklich ihren Blick erwiderte und die Stirn runzelte. Tanzen? Emma mit John? Was war denn das für eine Nummer? Seltsam.

      Besitzergreifend legte Ben den Arm um Emmas Taille, zog sie mit sich und schlug vor: „Wir bilden zwei Teams, Emma ist bei mir in der Mannschaft. Wer noch?“

      Esther beobachtete Bens Geste, dann fiel ihr Blick auf John, der die Hände in seine Hosentaschen schob und die Lippen aufeinander presste. Schnell entschied sie: „Sidney und ich, dann spielen wir Team Erde gegen Team Fanrea.“ Eilig warf sie das „Schweinchen“ und Fips rannte los, um es sich zu schnappen.

      Nala fing den Hund und drehte sich fröhlich mit ihm im Kreis. „Du Lümmel, du bekommst den Ball nicht!“

      Die Rattenbrüder rannten balgend um die Ecke. „Eh, wir wollen auch mitspielen“, maulte Jidell.

      „Nix da.“ Esther kramte in ihrer Tasche und warf den beiden einen Apfel zu. Sie zwinkerte Agatha zu. „Jetzt sind sie mit Streiten beschäftigt und stören uns nicht.“ Tatsächlich stürzten sich die Brüder auf den Apfel und prügelten sich um ihn.

      Mehrere Runden Boule wurden gespielt, mal gewann das Team Erde, mal Fanrea. Schließlich schlenderte Magor durch den Park auf sie zu und blieb vor ihnen stehen. Als Magor Sidney musterte, verlor dieser seine Gesichtsfarbe, schaute unsicher auf den Rasen und kaute hektisch auf seinen Fingernägeln. Traurige Verlegenheit zeigte sich auf seinem blassen Gesicht.

      Magor wandte sich zu Emma und Ben: „Ich möchte, dass ihr jetzt mit mir in meine Alchemistenkammer kommt. Ich werde euch in der Zauberkunst schulen, eure Kenntnisse aus dem Trainingslager von Fanrea reichen nicht aus. Wir müssen die Magie in euch wecken.“

      Interessiert hörten Nala und John zu. Das dunkelhäutige Mädchen brannte geradezu darauf, mit in die Alchemistenkammer zu kommen und zu lernen. Die Magie faszinierte sie und bisher war sie damit immer nur am Rande in Berührung gekommen. Vielleicht ergab sich hier gerade eine Wendung für ihr Leben?

      Für John bedeutete die Zauberei, seine Chancen in einem Kampf zu erhöhen. Bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Waffen war er in der Lage, sich zu wehren, der Magie konnte er nicht so viel entgegensetzen.

      Nala trat zu dem Zauberer. „Magor, ich möchte gerne mitkommen und ebenfalls bei Ihnen lernen.“

      Magor fixierte Nala und bemerkte ihre funkelnden Augen.

      „Ich würde mich gerne anschließen“, bat auch John.

      Der Zauberer dachte daran, wie er in Fanrea gesehen hatte, dass sich die Aura eines jeden einzelnen der Vierergruppe Nala, Emma, Ben und John miteinander verbunden hatte. Wenn Magor die Augen zusammenkniff und sich auf das Aura sehen konzentrierte, sah er feine, kaum sichtbare Verbindungslinien zwischen den Vieren hin und her schwingen. Das hatte er in diesem Urlaub ergründen wollen und nun ergab sich die passende Gelegenheit.

      Deshalb stellte Magor folgende Überlegung an: Silly war total unbegabt zum Zaubern, er taugte nichts als Lehrling und Magor behielt ihn nur, weil er seinem alten Freund versprochen hatte, sich um seinen Sohn zu kümmern und ihn zu einem großen Zauberer zu machen. Doch Magor benötigte unbedingt einen Lehrling. Was, wenn einer der Vier sein neuer Zauberlehrling werden würde?

      Ben und Emma schieden aus, weil sie Erdenkinder waren, deshalb den menschlichen Gesetzen und Zwängen unterlagen und auch eine Familie hatten, die Fragen stellte. Das alles wäre kompliziert und würde es erschweren, sie aus ihrem normalen Leben zu holen und auszubilden. Bei John und Nala sah das Ganze schon anders aus. Warum eigentlich sollte er sie nicht mit in seine Alchemistenkammer nehmen? Gelegenheiten musste man ergreifen und Flexibilität war wichtig.

      Zuvor wollte Magor jedoch noch einen kleinen Test machen. Welche Verbindung bestand zwischen der Vierergruppe? Wer waren die vier wirklich? Magor schaltete seinen Verstand einen Gang zurück und verließ sich nun ganz auf sein Gefühl und tastete die Bestimmung der Einzelnen ab.

      Emma hatte eine gewisse Begabung, aber diese ging mehr in Richtung heilen, Geburtshilfe und Hüterin der Bücher. Ihr Charakter war schwierig und sie stand sich oft selbst im Weg. Sie verschloss sich seinem Abtasten, aber das nützte ihr natürlich nichts.

      Ben war ein Sonderfall, Magor konnte ihn noch nicht ganz zuordnen, er war einerseits ein Drachenreiter, aber da war noch mehr. Der Zauberer konnte unterdrückte Magie spüren und stellte erleichtert fest, dass es eher weiße Magie war. Aber ihm war durchaus bewusst, dass dunkle Mächte noch nicht gefestigte Persönlichkeiten leicht manipulieren konnten und das wiederum bedeutete, dass Ben möglichst bald in die richtige Richtung gebracht werden musste.

      John war ein Schamane und verbunden mit der Natur, er war grundehrlich und eindeutig gut, aber mehr Magie konnte ihm nicht schaden. Er würde es spielend leicht lernen, weiße Magie sinnvoll anzuwenden.

      Dann wandte er sich Nala zu und war ausgesprochen überrascht, er fühlte gewaltige Kräfte in ihr, die nur darauf warteten, geweckt zu werden. Sie hatte eine echte Begabung für Magie und Magor spürte enorme Willenskraft in diesem zarten, dunkelhäutigen Mädchen. Könnte Nala vielleicht sein zukünftiger Zauberlehrling sein? Magors Augen leuchteten durch diese Erkenntnis erregt auf.

      Über Silly musste Magor später nachdenken und er fand bestimmt eine Lösung, die alle Beteiligten zufrieden stellen würde, selbst dessen Vater. Für seinen jetzigen Lehrling wäre es wahrscheinlich eine Erlösung, wenn er ihn aus seiner Lehre entließe.

      Der Magier schaute in die erwartungsvollen Gesichter dieser vier jungen Menschenkinder und stutzte plötzlich. Wo war denn die ganze Zeit sein Spürsinn gewesen? Vier! Die Zahl vier! Was stand noch gleich in der uralten Prophezeiung?

      „Vier haben Mut - vier sind gut!“

      Und wie ging es weiter?

      „Feuer, Wasser, Erde, Luft, wer ist er, der sie ruft?“

      Jetzt wurde es aber richtig interessant, das war ganz nach seinem Geschmack. Ein leichtes Kribbeln durchlief seine Fingerspitzen und Magor konzentrierte sich, er musste die Überprüfung noch ein wenig vertiefen.

      Die vier Freunde hatten mittlerweile das starke Gefühl, dass sie gerade einer eingehenden inneren Musterung unterzogen wurden, sie konnten geradezu wahrnehmen, wie Magor in sie hineinschaute und -horchte. Es war ein befremdliches Gefühl und sie reagierten alle unterschiedlich:

      John öffnete sich und ließ es einfach zu, er hatte nichts zu verbergen, jedenfalls nicht vor Magor, der zur Seite des Lichtes gehörte. Der Zauberer tastete sich durch seinen Geist, spürte starke Gefühle der Trauer und des Verlustes, aber sie wurden überlagert von Sanftmut und der Fähigkeit, zu vergeben. Und dann fühlte er etwas sehr Schönes: Liebe und Dankbarkeit!

      John war voller Liebe zur Schöpfung und allem Lebendigen und nahm dankbar sein Leben an. Das beruhigte Magor, so ein Mensch würde immer die Stütze dieser Vierergruppe bleiben, er war der Kern. Wie ein starker Baum, dessen Wurzeln tief in der Erde Halt fanden und jeglichen Stürmen trotzte. Welch kostbarer, seltener Mensch!

      Magor suchte weiter und fand Kraft, Lebensweisheit und Geduld. Der Zauberer war sehr zufrieden, John war ein echter Glücksgriff. Der Indianer mit seiner realistischen und praktisch veranlagten Art konnte auf schnelle Art und Weise Probleme lösen. Perfekt! John stand für das Element Erde.

      Nala hielt ihm ihre Stärke entgegen, erlaubte ihm aber trotzdem, ihre Innenwelt zu erkunden. Da war dieses tiefe, dunkle Loch aus schrecklichen und traurigen Erinnerungen, Schmerz, grenzenloser Wut und Angst. Diese düstere Geschwulst musste entfernt werden, es würde sie sonst langsam vergiften. Das würde er hinkriegen, da war er zuversichtlich. Magor gefiel es, wie willensstark und zäh sie war und spürte noch etwas anderes: Ehrgeiz. Das war einerseits gut, da dieser beflügelte, andererseits konnte Ehrgeiz auch dazu verleiten, sich der vermeintlich leichteren und verlockenden Seite des Bösen zuzuwenden. Das stellte eine echte Bedrohung dar. Intensiv suchte er nach Sanftmut in ihr, aber da waren nur noch kümmerliche Reste, scheinbar war diese Eigenschaft ihr im täglichen Überlebenskampf ihrer Kindheit verloren gegangen. Stattdessen nahm er unbändige Wildheit wahr und das war ebenfalls hinderlich, da diese schwer zu kontrollieren war.