A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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lächelte Magor und sagte beruhigend: „Keine Angst, es wird dir nichts geschehen.“

      Nach einer bedeutungsvollen Pause murmelte der Zauberer: „Exhibi verdad aspectolum.

      Dann nahm er eine von den vielen herumstehenden Kerzen in die Hand und forderte Ben auf, seine Handinnenfläche dicht über die Flamme zu halten. Dieser kam der Aufforderung nur zögernd nach. Mit angehaltenem Atem hielt er seine Hand dicht über die Flamme und es geschah: Nichts! Seine Haut verbrannte nicht und statt des erwarteten Schmerzes spürte er nur eine angenehm prickelnde Wärme. Das erinnerte ihn an die Begegnung mit den kleinen Feuerelfen im Wald von Fanrea. Königin Anijala! Durch die sich überschlagenden Ereignisse hatte er sie völlig vergessen. All die anderen unerklärlichen Situationen mit Feuer fielen ihm ein und er hatte das Gefühl, das sich die Puzzleteile seines Lebens langsam zusammenfügten.

      Ein erfreuter Ausdruck huschte über Magors Gesicht und er lehnte sich zurück. „Wusste ich es doch.“

      Obwohl sich in Ben gerade jede Menge Fragen türmten, die nach Antworten schrien, wagte er nicht, Magor zu fragen, was er mit seiner Äußerung meinte.

      „Nun zu dir, Nala. Steh kurz auf und stell dich mir gegenüber“, forderte Magor sie auf.

      Nala tat, wie geheißen und Magor erklärte ihr: „Ich werde dir nun Wind schicken und du versuchst, ihn mit deinen Händen umzulenken. Schick ihn zu mir zurück.“

      Irritiert schaute Nala den Magier an, unterließ es aber, ihn um Erklärungen zu bitten. Als Magor seine Hände hob, entstand ein leichter Wind, der sich auf Nala zubewegte. Sie hielt die Hände vor ihren Körper und fing den Wind tatsächlich ab und er veränderte seine Richtung. Erstaunen spiegelte sich in ihrem Gesicht und Nala begann, mit der Luft zu spielen, sie schickte sie nach links, oben und rechts. Es begann ihr Spaß zu machen und Magor verstärkte den Wind. Es bereitete ihr kein Problem, die stärkere Böe ebenfalls zu bändigen.

      Magors Laune wurde immer besser, seine Augen funkelten vor Begeisterung. Er stellte eine große Schale mit Wasser auf den Tisch und setzte sich. „Emma, nimm Platz. Halte deine Hände über das Wasser und versuche, es hin und her zu leiten.“

      Während Emma der Aufforderung nachkam, dachte sie an die Szene mit Glenn am Fluss - das Wasser hatte ihr gehorcht. Oder nach der Geburt des Prinzen, als sie den Kleinen baden durfte und das Wasser ein Eigenleben entwickelt hatte. Ob das Wasser ihr noch einmal gehorchen würde?

      Sie konzentrierte sich und spürte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren und das lenkte sie ab. Verdammt, sie wollte nicht versagen! Emma erinnerte sich an die Übungen mit Osane und beruhigte sich selbst durch einige tiefe Atemzüge. Ein zartes Prickeln huschte über ihre Handinnenflächen und sie hob die Hände ein wenig hoch. Das Wasser bündelte sich und folgte ihr nach oben.

      Emma freute sich und ließ dadurch in ihrer Konzentration wieder nach. Die Wassersäule brach in sich zusammen. Bestürzt sah Emma zu Magor, doch der sah nicht verärgert aus, sondern rief zufrieden: „Wunderbar!“ Dann wandte er sich an John: „Und nun du.“

      Magor griff in einen Tonkrug und warf einen Haufen Erde auf den Tisch. „Versuche, die Erde zu bewegen.“

      John hielt seine Hände über die Erde und schloss die Augen. Er versuchte, sich gedanklich mit ihr zu verbinden und kaum dass er sich konzentrierte, kam Bewegung in die braunen Krümel. Als er die Augen öffnete, blieb John mit seinen Gedanken ganz bei seinem Element. Mit seinen Händen beschrieb er einen Kreis und die Erde folgte seiner Geste, dann hob er die Hände und sie türmte sich auf. John schaute zu Magor und bewegte sein Element trotzdem weiter. Der Zauberer hatte einen entspannten Gesichtsausdruck und lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück.

      John gab die Erde wieder frei und schaute zu Magor, der zufrieden grinste: „Ihr vier steht für die vier Elemente, Ben ist Feuer, John Erde, Emma Wasser und Nala Luft. Ich bin mir sicher, dass ihr die Elemente der alten Prophezeiung seid. Nun müssen wir eure Kräfte schulen und in die richtigen Bahnen lenken. Eine Menge harter Arbeit steht uns bevor.“

      Magor sah in die Runde und schmunzelte. Die vier schwiegen und warteten ab, was nun geschah. Sie waren so jung und unverbraucht, noch konnte er sie formen. Es würde Freude machen, ihnen jeweils ihr Element näher zu bringen und begabt schienen sie alle vier zu sein. Ein Rätsel war allerdings noch nicht gelöst: Wer war das Element Äther und wann würde es zu ihnen stoßen? Er hatte nicht die geringste Ahnung.

      „Schon wieder eine Prophezeiung? Was steht denn dieses Mal drin?“, fragte Emma zögerlich.

      „Würde ich auch gerne wissen, geht ja immerhin um uns“, ergänzte Ben.

      Magor dachte kurz nach und zitierte:

      „Vom Himmel fallen flammende Sterne,

      fallen hernieder aus weiter Ferne

      Vier haben Mut - vier sind gut.

      Feuer, Wasser, Erde, Luft

      wer ist er, der sie ruft.

      Äther ist die fünfte Kraft,

      sie ist einfach zauberhaft.

      Der Drachenreiter wird geweckt,

      sein Geheimnis endlich aufgedeckt.

      Doch wird es verbunden sein mit Schmerz,

      welche Entscheidung trifft das Herz?

      Das Buch verleiht zu große Macht,

      lasst es nicht der finsteren Nacht.

      Dunkelheit das Licht bedroht,

      es hinabzieht in den Tod.“

      Bedeutungsvoll schwieg Magor und fixierte jeden Einzelnen, dann schlug er vor: „Darüber könnt ihr zusammen nachdenken. Doch jetzt geht es los, wir müssen üben. Ben, mit dir fange ich wieder an. Nimm mir gegenüber Aufstellung, fange meinen Feuerball auf und wirf ihn zurück.“

      „Moment!“, warf Emma ein. „Was bedeutet die Zeile mit dem Tod? Ich möchte...“

      „Wir müssen jetzt hart arbeiten und können nicht über die Prophezeiung philosophieren“, brachte Magor sie zum Schweigen und erntete einen missbilligenden Blick von Emma.

      Der Magier und Ben bezogen Position und sofort zauberte der Magier aus seinen geballten Fäusten zwei lodernde Bälle, die er zu Ben warf, der sie geschickt auffing und zurück zu Magor schleuderte.

      „Sehr gut. Jetzt versuche, das Feuer als Waffe gegen mich einzusetzen. Bombardier mich!“, befahl Magor.

      Auch das gelang und Magor parierte den Angriff. So vergingen die Stunden und jeder der vier erhielt seine Übungseinheiten. Magor schien unermüdlich zu sein und zeigte nicht die geringste Erschöpfung. Erst gegen Abend entließ er die Freunde und erlaubte ihnen, sich für das Abendessen etwas frisch zu machen.

      Als sie zusammen Magors Alchemistenkammer verließen, bat Ben die anderen schon mal vorzugehen, er musste dringend mit Magor über Henk sprechen. Immer wieder dachte Ben an den armen Kerl im Irrenhaus, das Versprechen, Henk zur Flucht zu verhelfen, nahm Ben sehr ernst. Mit Magors Hilfe würde es sicherlich ein Leichtes sein, Henk zu befreien.

      „Magor, haben Sie noch etwas Zeit für mich?“

      Zunächst war Magor nicht wirklich interessiert an Henks Befreiung, als Ben ihm davon erzählte. „Ich möchte dich nicht enttäuschen, Ben, aber ich kann mich nicht um alles kümmern. Das hört sich für dich jetzt sicherlich brutal an, weil du einen persönlichen Bezug zu diesem Menschen hast, doch es gibt viele Probleme auf der Welt, die ich nicht alle lösen kann. Für Einzelfälle bin ich nicht zuständig, ich muss dafür sorgen, dass die globalen Katastrophen verhindert werden.“

      Als Magor das entsetzte Gesicht von Ben sah, ergänzte er: „Schau nicht so. Ich erkläre es dir mit einem Beispiel. Hast du den letzten James Bond Film gesehen? Skyfall?“

      „Klar.“

      „Erinnerst du dich an die erste Szene des Films?“