A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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langweilig werden und das war ganz nach Magors Geschmack. Was spürte er noch? Sie war geistig rege, voller Visionen und Ideen, flexibel und einfallsreich und er entschied sich für Nala als seinen ersten Zauberlehrling. Magor nahm einen Lufthauch wahr, ein zartes Flüstern und Rauschen umgab Nala. Sie war das Element Luft.

      Nun wandte Magor sich Ben zu und stieß auf leichte Verärgerung. Ben schien sich gegen die Innenschau zu sträuben, er nahm sie selbst nicht gerne vor und andere sollten es auch nicht tun. Da waren ebenfalls Verlust und Wut zu fühlen, aber auch Eifersucht, allerdings nur noch eine kleine Spur davon, es schien so, als ob Ben dieses Thema schon bearbeitet hatte. Dann war da noch ein cholerischer Zug in ihm, der aber selten durchbrach. Magor musste Ben schulen, diese Energie zu lenken.

      Ansonsten? Der Junge war etwas oberflächlich, und er nahm die Dinge eher leicht. Das konnte gut und schlecht sein, denn wenn er die Dinge nicht ernst genug nahm, war das bei dem Thema Magie sehr heikel, allerdings war Leichtigkeit im Leben besser als Schwermut. Mal sehen, wie Ben sich unter seinen Fittichen entwickelte.

      Magor forschte weiter, spürte überraschenderweise eine tief verwurzelte, weiße Magie in Ben. Magor war irritiert, es gelang ihm nicht, dieser auf die Spur kommen. So als ob jemand einen Schutzzauber darüber gelegt hätte, um die weiße Magie zu verbergen. Aber wer und warum? Rätselhaft, spannend und reizvoll.

      Starke Hitze umgab das Innere von Ben, Magor sah Lava und feuerspeiende Drachen im Kampf. Feuer war natürlich das Element von Ben. Das hatte der Zauberer auch nicht anders erwartet.

      Nun wandte Magor seinen Blick Emma zu und Ben nuschelte möglichst leise: „Wenn`s mal wieder länger dauert - schnapp dir´n Snickers*.“

      Amüsiert zog Magor eine Augenbraue hoch, ließ sich aber nicht ablenken und nahm Emma ins Visier. Eindeutig war sie die Störrischste, und trotzig sperrte sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, da ihr Inneres Magor überhaupt nichts anging. Sie war ein eigensinniges Mädchen, wie einen Rohdiamanten würde er sie noch schleifen müssen. Aber sie war es wert, für sie zählten Werte wie Freundschaft und Verlässlichkeit und sie hatte ein liebevolles Herz. Mut machte sie stark, sie war schlau und in der Lage, mit List zu kämpfen. Aber da war diese hemmungslose Wut in ihr, die sich in sie hineingefressen hatte und die sie nicht loslassen wollte. Magor sah blaue und grüne Farben vor seinem geistigen Auge und eine angenehme Kühle legte sich auf seine Haut, Meeresrauschen drang an seine Ohren. Emma war das Element Wasser.

      Magor zog sich wieder zurück und schaute diese vier Menschenkinder an. Da standen diese Vier vor ihm und waren vielleicht zukünftige Magier, eventuell sogar die aus der alten Prophezeiung.

      Eigentlich kam ihm dies sehr gelegen, er brauchte tatkräftige Unterstützung in seinem Kampf gegen das Böse. Manchmal fühlte er sich unendlich müde und spürte, dass die seit Jahrhunderten andauernden Kämpfe ihn langsam auslaugten. So viele Siege, so viele Niederlagen und ein Ende war niemals in Sicht. Immer öfter wünschte er sich, mehr Zeit auf seinem Chateau zu verbringen und sich seinem Wein zu widmen, statt ständig Kriege zu verhindern.

      So weit, so gut. Gleich würde er sie in seiner Alchemistenkammer einem Test unterziehen, wie gut sie ihr Element jeweils schon beherrschten. Magor fasste seinen Entschluss: Er würde sie alle vier ausbilden, und Nala würde sein ganz spezieller Lehrling werden. Es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass einer der vier Auserwählten mit seinem Plan nicht einverstanden sein könnte. „Nala und John kommen auch mit. Silly, würdest du dich netterweise solange um Agatha, Esther und Komor kümmern? Für dich ist das ja alles alter Zauberkram.“

      Erleichterung breitete sich auf Sidneys Gesicht aus und er hörte auf, an den Fingernägel zu kauen. „Ja gern. Klar mache ich das.“

      Zufrieden ging Magor voraus: „Folgt mir! Wir haben jede Menge Arbeit.“

      Die Vierergruppe schloss sich dem Zauberer an und sie waren erleichtert, dass diese unvorhergesehene Innenschau vorüber war. Keiner traute sich, den Magier auf sein Abtasten anzusprechen, aber neugierig auf dessen Ergebnis waren sie schon. Die größte Gelassenheit legte John an den Tag, er ließ sich nicht so leicht verunsichern und durch seinen Onkel, den Schamanen, war er es gewöhnt, nach innen zu sehen.

      Sie betraten das Schloss und eine angenehme Kühle empfing sie. Die dicken Mauern hielten die Hitze des Sommers fern und durch die geöffneten Fenster wehte eine Brise. Zunächst steuerte Magor das Kontrollzentrum an, um kurz etwas mit Ronaldo zu besprechen. Der hing natürlich vor einem der vielen Bildschirme und ließ seine pfotenähnliche Hand über die Tastatur fliegen. Als die vielen Menschen sein heiliges Reich betraten, schaute er verwirrt auf.

      „Hallo Ronaldo. Ich brauche die Daten von Projekt Phönix und die Auswertungen der Testreihe der CSX-Waffe. Schaffst du das bis morgen?“

      Der Fuchsmann nickte den vier Freunden kurz zu und lächelte verschmitzt. „Chef, schon erledigt. Da liegen die Unterlagen.“ Mit einer knappen Bewegung deutete er auf einen Stapel Papiere.

      „Du bist einfach der Beste! Und? Wie sind die Ergebnisse?“

      „Sehr zufriedenstellend.“ Ronaldo stand auf und griff nach zwei Handys. „Nala? John? Hab ich für euch beide besorgt und schon jede Menge Songs draufgeladen. Ihr könnt doch nicht in der Menschenwelt ohne Handy rumlaufen.“ Er warf den beiden die Handys zu, die sie geschickt in der Luft auffingen.

      Nala strahlte und zeigte Ben das Handy. Bewundert hob der die Augenbrauen. „Wow, das neueste Modell. Ich fasse es nicht, habt ihr ein Glück.“

      Magor verabschiedete sich: „Wir sind in der Alchemistenkammer. Bis später, Ronaldo.“ Zunächst gingen sie eine steinerne Kellertreppe hinunter, dann landeten sie in einem grob behauenen Gewölbegang. An einer Eichentür mit schmiedeeisernen Verzierungen stoppten sie. Magor murmelte einen Zauberspruch: „Desembartaca y Abieaca.“

      Die Tür schwang knarzend auf. Zunächst blieb alles dunkel. „Fuer daco!“, rief Magor.

      Schlagartig entzündeten sich unzählige Kerzen und neugierig sahen sich die vier Freunde um. Das Gewölbe bestand aus uralten Steinen und der Hauptraum war geräumig, mehrere hölzerne Türen führten zu weiteren Räumen. An den Wänden befanden sich Regale mit unzähligen Büchern, von denen die meisten sehr alt zu sein schienen. An einigen Wänden hingen antike Ölgemälde mit Portraits. Auf einem Eichentisch lagen aufgeschlagene Bücher und daneben standen seltsame Apparaturen aus Messing und anderen Metallen.

      John musterte die Gegenstände und versuchte, ihre Funktion zu ergründen. Das hier wäre jetzt wahrscheinlich nach Nijanos Geschmack. Der Gedanke an seinen verstorbenen Freund huschte als kurzer Schmerz durch sein Herz und John bemühte sich, ihn zu verdrängen. Für Trauer war gerade keine Zeit.

      Auch Ben fand die Geräte interessant. Eines sah aus wie das Sonnensystem der Erde und die Kugeln bewegten sich langsam umeinander. Andere schienen weitere, unbekannte Planetenkonstellationen darzustellen. Am liebsten hätte er die Maschinen genauer untersucht.

      Nala spürte ein Flattern in der Magengegend, sie war nervös. Die Innenschau des Zauberers hatte sie aufgeregt und aus dem Gleichgewicht gebracht. In ihr schwelte schon seit längerem der Wunsch mehr zu tun, als mit Komor „Babys einzusammeln“ und in Fanrea Schwertkampf zu üben. Das Leben war facettenreich, doch sie hatte ihren Weg noch nicht gefunden.

      Emma war überzeugt, dass Magie wohl nie einen hohen Stellenwert in ihrem Leben einnehmen würde. Außerdem fühlte sie sich gehemmt in Magors Gegenwart und es fiel ihr schwer von dieser „machtvollen Übergestalt“ etwas anzunehmen. Sie schaute zu John und sein warmer Blick fing den ihren auf. John spürte Emmas Unwohlsein und stellte sich neben sie, so dass ihre Arme sich berührten. Gut, dass Ben und John an ihrer Seite waren, ihre Anwesenheit vermittelte ihr ein beruhigendes Gefühl. Ben zwinkerte ihr begeistert zu und Emma wusste, dass das hier alles sein Ding war.

      Der Zauberer unterbrach die Gedanken der vier Freunde: „Setzt euch an den Tisch, ich möchte mit euch ein paar Tests machen. Einverstanden?“

      Es war eine rhetorische Frage, er rechnete nicht ernsthaft mit Einwendungen. Magor musterte die vier nacheinander und sein Blick blieb an Ben haften.