A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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bin hier der Chef, comprendes?“

      Verbissen zählte Richard die Steinchen auf dem Höhlenboden, um die Rebellion in seinem Inneren niederzukämpfen. Noch war es nicht so weit, noch nicht. Aber er wollte nicht länger gehorchen und sich Vorschriften machen lassen. Niemand sollte über ihn bestimmen!

      Abends saßen die Gäste mit den Bewohnern des Schlosses zusammen an einem langen Holztisch und schlemmten. Es war eine illustre Gesellschaft, die sich dort zusammengefunden hatte, denn wie bei Magor nicht anders zu erwarten, wohnten einige seltsam anmutende Wesen bei ihm.

      Vor sehr langer Zeit hatte der Zauberer diese Lebewesen befreit und mit zu sich auf sein Chateau genommen. Ein sehr durchtriebener und grausamer Magier hatte zusammen mit einem Wissenschaftler widernatürliche Experimente an Fabelwesen, Menschen und Tieren vorgenommen. Herausgekommen waren die seltsamsten Kreaturen, die Magor damals glücklicherweise von ihrem elenden Schicksal als Versuchsobjekte erlösen konnte.

      Leider war er nicht in der Lage, sie zurück zu verwandeln und das betrübte ihn sehr, aber selbst Magor war nicht allmächtig. Seitdem lebten sie bei ihm und übten die verschiedensten Tätigkeiten aus, wie zum Beispiel Köchin oder Küfer*.

      Lampions in den Bäumen beleuchteten die Szenerie, ein lauer Sommerwind verjagte die Hitze des Tages und kühlte die heiße Haut. Fackeln und Windlichter waren im Garten und auf dem Kies verteilt. Es duftete nach gebratenem Knoblauch, Rosmarin, Thymian und Salbei, vermischt mit einem Hauch von Lavendel und Rosen.

      Die lange Tafel war eingedeckt mit einem weißen Tischtuch, auf dem Olivenzweige als Dekoration verstreut lagen, zwischen Schalen, Platten und Schüsseln, in denen sich verschiedene Köstlichkeiten befanden. Über einem Feuer drehten sich jede Menge Hühnchen, deren Fett in die Flammen tropfte.

      Halb verhungert leckte Ben sich die Lippen: „Ich hab meine Wahl schon getroffen.“

      Emma dagegen lenkte ihren Blick auf andere Leckereien: Noch warmes Baguette mit Olivenpaté, kleine, dampfende Schnitzelchen mit frischen Kräutern und Zitrone, Lammfilets auf eingelegten Auberginen und Zucchini, gegrillte Calamaris, Meeresfrüchtesalat, gebratene Sardinen und frittierte Gemüsebällchen.

      „Da ist etwas für Körnermäuse und für Fleischmonster dabei“, grinste Ben.

      „Stimmt, selbst du wirst satt werden“, spottete Emma und schoss ein paar Fotos mit ihrer Digitalkamera.

      Fasziniert betrachtete Ben in der Zwischenzeit die Anwesenden: Ein Mann hatte zwei Köpfe, die ständig miteinander stritten, dann saß dort eine Art Eidechsenmann, der manchmal mehr wie ein Mensch wirkte und dann wieder mehr das Aussehen einer Echse hatte. Seine Gestalt flimmerte irgendwie und wechselte ständig, je nachdem, wie das Licht auf ihn fiel.

      Irritiert wandte Ben sich den anderen Wesen zu. Neben Magor saß ein riesiges, trollähnliches Wesen, das sich angeregt mit dem Zauberer unterhielt und immer wieder den neben ihm sitzenden Zwerg mit in das Gespräch einbezog. Irgendwo entdeckte er auch die Köchin, eine menschengroße Maus in Frauenkleidern und Migune, eine zierliche, kleine Elfe mit Reptilienhaut, einem Fledermausflügel und einem Schmetterlingsflügel. Migune war eine enge Vertraute von Magor. Soviel hatte die Köchin Ben bereits verraten, als er in der Küche auf der Suche nach einem Snack gewesen war. Seine staunende Betrachtung wurde unterbrochen, als Magor allen einen guten Appetit wünschte und sie bat, zuzugreifen.

      Ben unterhielt sich angeregt mit Nala, die an seiner anderen Seite saß und genüsslich in eine Hähnchenkeule biss. Ihre rabenschwarzen Haare hatte sie lässig hochgesteckt und mit einer Hibiskusblüte geschmückt, die fast die gleiche rote Farbe hatte, wie ihr Trägerkleid. Das Rot betonte zudem ihre schokobraune Haut. Überrascht bemerkte Ben, wie hübsch sie war und wie viel sie essen konnte.

      „Du kannst aber ganz schön reinhauen, nicht das nachher für mich nichts mehr übrig bleibt“, flachste Ben.

      „Und ich bin noch lange nicht satt“, konterte Nala.

      „Ich tausche mein Baguette gegen dein Lammfilet.“

      „Auf keinen Fall! Hol mir lieber noch ein paar gegrillte Calamaris. Ich habe riesigen Hunger.“

      „Endlich mal ein Mädchen, dass nicht nur auf Körnern rumknabbert. Du gefällst mir.“ Übermütig knuffte Ben sie mit dem Ellenbogen in die Seite. Er war glücklich und genoss den unbeschwerten Augenblick.

      In dem Moment sprangen Jidell und Quidell auf Esthers Schoss. Stöhnend betrachtete Jidell die Leckereien und machte Anstalten, auf den Tisch zu krabbeln. Es gelang Esther noch so gerade, ihn am Schwanz zurückzuhalten. „Untersteh dich. Denk nicht mal dran, Jidell“, schimpfte Esther.

      Quidell murmelte: „Chill mal deine base, Esther. Ich muss was essen.“

      Esther runzelte die Stirn. „Ihr müsst euch benehmen, ihr blamiert uns noch. Ich besorge euch jetzt was.“

      „Viel Fleisch, am besten.“ Genießerisch rollte Jidell mit den Augen.

      Agatha mischte sich ein: „Bleib mit den beiden Rüpeln sitzen. Ich hole ihnen was.“ Sie erhob sich und ging zum Buffet. Als sie mit zwei Tellern zurückkehrte, lief Jidell der Speichel aus der Schnauze und er seufzte glücklich.

      „Danke, Agatha.“ Esther verdrehte die Augen und lächelte ihre Freundin an.

      „Bruder, du alter Fresssack“, klagte Quidell und stürzte sich gierig auf ein Stück Fleisch. Fett tropfte von seinen Schnurrbarthaaren, er schüttelte sich und es spritzte nach allen Seiten.

      „Bäh, du Ferkel!“, rief Emma empört.

      Agatha und Esther waren bekleckert. Schmunzelnd reichte John ihnen eine Serviette zum Säubern.

      „Das war voll fett, Bruder“, kommentierte Jidell.

      „So, ihr geht jetzt von meinem Schoss herunter und esst auf dem Boden. So wie andere Ratten auch.“ Esther war wütend.

      „Eh, sei nicht so aggro“, beschwerte sich Jidell, sprang aber auf den Boden, als er Esthers Blick sah. Quidell folgte ihm und setzte sich neben seinen Bruder. Ihre Nasen streckten sich den Düften entgegen und die Schnurrbarthaare zitterten. Da musste Agatha lachen, nahm die Teller der Ratten und stellte sie zu ihnen. Die Brüder stürzten sich darauf und balgten sich um die besten Stücke.

      „Hoffnungslos“, murmelte Esther, ignorierte die Ratten und begann ein Gespräch mit Agatha.

      Emma saß zwischen Ben und Esther und gegenüber von John, der mit seinem weißen Leinenhemd und Jeansshorts ungewohnt, aber gut aussah. Immer wieder schaute sie unauffällig zu ihm hinüber, um zu sehen, wie er mit Messer, Gabel und dem edlen Glas zurechtkam und wunderte sich, wie perfekt er sich benahm.

      „Toll siehst du aus. Es steht dir gut, wenn du die Haare hoch trägst“, machte John ihr ein Kompliment, das Emma verlegen werden ließ. Mit ihren hochgesteckten Haaren wirkte sie älter und er fand es süß, wie einzelne Strähnen sich lösten und ihr Gesicht umspielten.

      „Danke.“

      Sein Blick fiel auf die Kette mit dem von ihm geschnitzten Delfinanhänger und er lächelte Emma an. „Das Kleid steht dir super, du solltest öfter so etwas anziehen.“

      Mit den Komplimenten konnte Emma schlecht umgehen, und in ihrem Sommerkleid fühlte sie sich unwohl, weil sie Zuhause nur in Jeans herumlief. Sie errötete und wechselte schnell das Thema: „Wie schmeckt es dir?“

      Er überspielte ihre Verlegenheit: „Sehr gut. Natürlich schmeckt das alles hier ganz anders als in Fanrea, aber ich lasse mich inspirieren und werde das eine oder andere nachkochen. Kochst du Zuhause auch manchmal?“

      Entgeistert starrte Emma ihn an: „Äh, nein.“ Wie peinlich war das denn, dachte sie. Er als Junge konnte kochen und sie nur ein wenig Gemüse schnippeln.

      John unterbrach ihre Gedanken: „Kochen macht Spaß, es ist gesellig. Du solltest es mal versuchen.“

      „So habe ich das noch nie gesehen, meine Mutter kocht immer.“

      „Und