A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


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gestoßen und bin ihr nur knapp entkommen.“

      Misstrauisch unterbrach Henk ihn: „Bitte, sei ehrlich, ist das eine Falle deiner Mutter, um meinen Geisteszustand zu prüfen?“

      Seufzend beruhigte Ben: „Ich weiß nicht, wie ich Sie dazu bringen soll, mir zu vertrauen. Sie müssen es einfach tun. Nein, das ist keine Falle und meine Mutter weiß natürlich nicht, dass ich in einer anderen Welt war. Sie würde mir ja doch nicht glauben, sondern mich hier einliefern lassen.“

      Ein schiefes Grinsen breitete sich in Bens Gesicht aus: „Niemand glaubt einem solche Geschichten. Ich bin aus zweierlei Gründen hier: Einerseits möchte ich Ihnen helfen und andererseits hoffe ich, von Ihnen Informationen über Hydraxia zu erhalten. Diese Xaria hat uns etwas sehr Kostbares gestohlen, das wir unter allen Umständen wieder haben müssen und ich denke, Ihre Informationen können uns helfen.“

      Die ganze Zeit hatte Henk ihn fassungslos angestarrt und plötzlich schien dieser gebrochene Mann einen kleinen Funken seines alten Selbst wiederzufinden. Seine Augen wirkten lebendiger, fast hoffnungsvoll und seine Körperhaltung veränderte sich.

      „Ja, ich werde dir alles erzählen, aber dazu wird die Zeit nicht ausreichen. Deine Mutter wird dich gleich abholen und uns unterbrechen. Wie willst du mich denn hier rausholen?“

      „Ehrlich gesagt, weiß ich das jetzt noch nicht, aber ich werde einen Weg finden. Ganz sicher, das verspreche ich Ihnen. Zur Not muss uns Magie helfen.“

      Verschwörerisch kniff Ben ein Auge zu und Henk nickte aufgeregt. „Aber wo soll ich hin? Ich habe kein Zuhause mehr und niemand vermisst mich da draußen, ich kann nirgendwohin. Meine Familie hat sich von mir abgewandt und den Kontakt zu mir abgebrochen.“

      „Vielleicht gehen Sie ja nach Fanrea, da ist es schön, nur manchmal ein bisschen gefährlicher als in unserer Welt. Denken Sie darüber nach.“

      „Ich kenne dieses Fanrea doch überhaupt nicht.“

      „Dann verstecke ich Sie erst einmal bei Esther, der Tante meiner Freundin, und wir überlegen später, wo sie bleiben. Aber nun erzählen Sie so viel, wie Sie schaffen, bis meine Mutter kommt. Und verhalten Sie sich anschließend so normal, wie irgendwie möglich. Spielen Sie allen vor, dass Sie geheilt sind, bis ich Sie befreien kann. Einverstanden?“

      „Einverstanden! Also ich fange mitten in der Geschichte an, weil das für dich wohl der wichtige Teil ist, oder? Xaria hielt mich in einer Art Kerker gefangen, sie gab mir genau so viel Essen und Wasser, dass ich nicht sterben konnte. Die meiste Zeit hingen meine Arme in Ketten, mein ganzer Körper bestand nur noch aus Qual. Jeden Tag kam Xaria mit einem Skalpell und schnitt mich damit an einer beliebigen Stelle. Manchmal hielt sie einen Becher darunter, um mein Blut aufzufangen oder sie saugte es direkt aus der Wunde. Ihr diabolisches Grinsen verfolgt mich bis heute in meine Träume.“

      Henk schloss die Augen und musste eine kurze Pause machen, weil die schreckliche Erinnerung ihn überwältigte. Ben wurde fast übel und hätte gern auf die weitere Geschichte verzichtet.

      Heiser fuhr Henk fort: „In meinem Kerker befanden sich weitere Gefangene, nicht nur Menschen, sondern auch andere Wesen: Elfen, ein halbtoter Zwerg, ein gewaltiger Tiger und ein Horbut. Wir wurden allesamt gefoltert und waren sehr schwach, daher unterhielten wir uns nicht viel. Jeder war zu sehr damit beschäftigt, am Leben zu bleiben. Dennoch stärkte uns die Gemeinschaft, so mussten wir dieses elende Schicksal nicht alleine ertragen. Wenn zu der Qual noch die Einsamkeit gekommen wäre, dann hätte ich nicht überlebt. Aber uns ging es noch gut, im Vergleich zu den Sklaven, die in den Diamantenminen schuften mussten.“

      „Was für Diamantenminen? Wo sind die?“

      Verzweifelt bedeckte Henk seine Augen mit den Händen und schüttelte den Kopf, um die furchtbaren Bilder loszuwerden. Seufzend fuhr er dann fort: „Sie besitzt riesige Diamantenminen, in denen hauptsächlich Kinder und Eidechsenmenschen unter erbärmlichen Bedingungen schuften. Ich überspringe nun meine Leidensgeschichte, weil sie dir nicht weiterhilft. Du möchtest wahrscheinlich Informationen über Xarias Schloss haben. Nun, es ist riesengroß, doch die Hexe verbrachte die meiste Zeit im Nordtrakt, und dorthin wurden wir manchmal gebracht, um ihr beim Essen zuzusehen. Begleitet wurde ich von Steinsoldaten, die mir keine Chance zur Flucht ließen. In ihrem privaten Bereich, der sich über mehrere Etagen erstreckte, befanden sich unter anderem Esszimmer, Schlafzimmer, eine riesige Bibliothek, ein großer Waffenraum und eine Schatzkammer. In ihrem Schlafzimmer befand sich ein Setzkasten mit klein gezauberten, bewegungsunfähigen Wesen, die sie ab und zu herausnahm, um sie zu quälen oder mit ihnen zu spielen.“

      Angewidert schüttelte Ben den Kopf und murmelte: „Ekelhaft.“

      „Ja, ekelhaft. Ab und zu spielte sie mit mir Schach und auch dafür benutzte sie irgendwelche verzauberten Wesen. Wenn ich brav mit ihr spielte, bekam ich eine Belohnung in Form von einem richtigen Essen, einem Bad oder zwei Tage ohne Ketten. Je besser ich spielte, umso reichhaltiger fiel die Belohnung aus.“

      Nervös tigerte Henk von einer Ecke des kleinen Zimmers in die andere und wieder zurück. Er räusperte sich und fuhr mit belegter Stimme fort: „An manchen Tagen schien Xaria besonders schlechte Laune zu haben und peitschte uns alle aus. Erst wenn unsere Haut aufplatzte und das Blut an uns herunterfloss, besserte sich ihre Stimmung. Manchmal kam ein Diener und hat unsere Wunden notdürftig versorgt, an guten Tagen heilte Xaria uns mit Magie. Manchmal starb einer an seinen Verletzungen. Aber ich verliere mich schon wieder in Details.“

      Henk unterbrach sich, massierte mit seinen Fingern kurz seine Schläfen, so als ob er sich dadurch besser konzentrieren könnte. Gequält schaute er Ben mit einem langen, schmerzerfüllten Blick an und eine einzelne Träne stahl sich aus seinem Auge.

      In einer beruhigenden Geste legte Ben eine Hand auf Henks Schulter. „Sie werden Ihren Frieden wiederfinden und die Bilder in Ihrem Kopf verblassen irgendwann. Ich kenne jemanden, der ihnen dabei helfen wird.“ Er dachte an die Elfe Osane und ihre Fähigkeiten, Körper, Geist und Seele zu heilen.

      Dankbar sah Henk ihn an und redete schließlich leise weiter: „Du musst wissen, wie ich geflohen bin. In Xarias Schlafzimmer befand sich ein großer Spiegel, der in andere Welten führt und durch ihn konnte ich fliehen. Überall in ihrem Schloss waren Wächter und steinerne Monster, die die Hexe beschützten und auf die Gefangenen aufpassten. Es gab Fallgruben und versteckte Waffen, die einen plötzlich attackierten, Giftspeier und andere Widerlichkeiten. Deshalb war es äußerst schwierig, von dort fortzukommen. Und ins Schloss einzudringen wird genauso schwer werden.“

      Mit einer müden Geste strich Henk sich die Haare aus der Stirn und trat zu dem vergitterten Fenster, um hinauszusehen. Seufzend erzählte er: „Die meisten Gefangenen befanden sich damals im Südturm und ich wünschte, ich hätte sie befreien können. Aber meine Flucht ergab sich durch einen Zufall, als ich mich in ihrem Schlafzimmer befand, um eine Partie Schach zu spielen. Ich glaube, es hat mir das Leben gerettet, dass ich als Einziger Schach spielen konnte und auch ein ernst zu nehmender Gegner war, denn sie hasste nichts mehr als Langeweile.“

      Mit einem Mal wurde die Tür geöffnet und die beiden wurden mitten in ihrem Gespräch unterbrochen. Bens Mutter betrat das Zimmer und sah erschöpft aus. Innerlich fluchte Ben, er hatte auf mehr Zeit mit Henk gehofft.

      „Na, ihr zwei! Alles okay? Worüber habt ihr gesprochen?“, fragte sie gespielt heiter.

      „Sie haben einen äußerst netten Sohn, Frau Doktor. Er hat mir von der Schule erzählt und ich ihm einiges vom Klinikalltag. Ich hoffe, ich habe ihn nicht gelangweilt“, antwortete Henk. Dann stand er auf und sagte höflich: „Ich danke Ihnen für den Besuch Ihres Sohnes, er hat mir etwas Freude und Hoffnung in mein Leben gebracht und mich daran erinnert, wer ich wieder sein will.“

      Zu Ben gewandt fügte er hinzu: „Danke für das, was du mir geschenkt hast. Du hast mir den Glauben an eine Zukunft wiedergegeben.“

      Verwirrt schaute Bens Mutter zwischen den beiden hin und her. Ihr Sohn ergriff Henks Hand, schüttelte sie zum Abschied und meinte: „Verlieren Sie die Hoffnung nicht wieder und vertrauen Sie mir. Die Hoffnung stirbt zuletzt*.

      Die zwei