A.E. Eiserlo

Fanrea Band 2


Скачать книгу

Achillikrusse. Er sehnte sich nach der sanften Berührung ihrer Hände, vor denen er sich trotzdem ekelte. Seinen Namen hatte sie genannt. Bitte gesagt. Gemeinsam hatten sie das Schloss geöffnet.

      Der Zwiespalt in ihm fraß sich in Bosraks Kopf hinein und machte ihn zornig. Besser war es, Wut und Hass zu empfinden, diese Gefühle waren ihm vertraut. Sehnsucht und andere Regungen des Herzens taten ihm weh, bohrten in ihm und hinterließen blutende Wunden, die er mit Zorn und weiterem Hass verschließen musste.

      Wie dumm er war, an ihre Berührungen auch nur zu denken? Verzweifelt verließ er den Komposthaufen und rannte zurück zum Weltentor, auf der Flucht vor sich selbst und seinen Sehnsüchten. Die Suche nach Yarkona musste fortgesetzt werden, sie war seine Herrin und zu ihr gehörte er. Zunächst würde er in das Hexenhaus zurückkehren und dort eine Weile auf sie warten. Danach könnte er den Radius erweitern und bis in die Bergwelt Fanreas vordringen. Für ihn als Gestaltwandler war das kein Problem und als Sarkan läge ihm die Welt zu Füßen und er war in der Lage, riesige Entfernungen zurückzulegen.

      Gerade umarmte Esther ihre Schwester Marlene zur Begrüßung und steckte ihr heimlich eine größere Summe Geld in ihre Jackentasche. Esther wusste, wie knapp die Familie bei Kasse war und ihr selbst ging es durch Jamies Erbe ziemlich gut. Wenn Marlene die Scheine bemerkte, wäre diese peinlich berührt und würde das Geld ablehnen, doch das war Esther egal. Hauptsache, sie konnte ihrer Schwester helfen.

      Die Umarmung ihrer drei Geschwister zum Abschied ließ Emma geduldig über sich ergehen. Vor ihrem Abenteuer in Fanrea wäre das undenkbar gewesen, aber nun war Emma viel netter zu ihnen. Letztens hatte sie sogar mit Lara „UNO“ gespielt ohne zu streiten und das war echt sensationell.

      Jakob quäkte: „Du sollst nicht gehen, bleib hier.“

      Max dagegen stellte Emma ein Beinchen, sodass sie stolperte. Rüpelig boxte sie Max in den Bauch, aber bevor eine richtige Prügelei in Gang kam, trat Lara dazwischen: „Mann, seid ihr doof! Gleich ist Emma weg und dann vermissen wir sie. Vertragt euch.“

      „Nee“, brummte Max.

      „Bis dann, Blödi“, erwiderte Emma.

      Zuletzt verabschiedete Emma sich von ihrer Mutter und brachte sogar ein „Ich hab dich lieb.“ zustande, während sie sich drücken ließ. Vor Rührung bekam Marlene feuchte Augen und wollte Emma noch etwas Urlaubsgeld zustecken, aber Esther verhinderte das, indem sie sagte: „Nee, nee, Schwesterherz. Das ist mein Patenkind und ich übernehme das mit dem Geld, sonst bin ich beleidigt. Endlich kann ich mal etwas Zeit mit meinem Schätzchen verbringen und nicht nur vor mich hin schrullen.“

      Zu Emmas Geschwistern gewandt, versprach Esther: „Das nächste Mal seid ihr Kleinen dran mit Urlaub.“

      „Bringt mir Lego mit oder Playmobil Piraten“, quengelte Jakob.

      Endlich startete Esther den Motor und rollte mit Emma die paar Meter zu Ben hinüber, während Jakob unerlaubterweise neben dem Auto herrannte. Dort gab es eine erneute Abschiedsszene. Mattes weinte sogar und wollte seinen großen Bruder Ben überhaupt nicht gehen lassen. Die Eltern betrachteten ihren Sohn mit gemischten Gefühlen und fanden es befremdlich, dass er jetzt das erste Mal ohne sie in Urlaub fuhr.

      Liebevoll umarmte Ben seine Mutter und flüsterte ihr noch schnell ins Ohr: „Mama, mach das mit deiner eigenen Praxis, du schaffst das. Erzähl Papa davon und hör auf, in dieser blöden Klapse zu arbeiten.“

      Seine Mutter drohte kurz mit dem Finger: „Du sollst doch nicht Klapse sagen.“

      Statt einer Antwort zog Ben eine Grimasse. Jetzt zog Tim seinen Sohn in die Arme, drückte ihn ganz fest und versicherte ihm: „Am liebsten würde ich mitkommen. In der Nähe von diesem Schloss kann man Rafting machen und angeln, da hätte ich auch Spaß dran. Vielleicht können wir im Herbst zusammen hinfahren?“

      „Klar, mit dir immer gerne, Papa. Pass mir gut auf meinen Lieblingsbruder auf.“

      Mattes stutzte: „So ein Quatsch! Du hast doch nur mich als Bruder.“

      Ben prustete los und stieg zu Emma nach hinten ins Auto. Esther gab Gas und würgte erst einmal den Motor ab. „Oha, bin wohl etwas aus der Übung. Na ja, bis Frankreich hab ich mich warm gefahren.“

      Ben schmetterte direkt los: „Dieser Weg wird kein leichter sein. Dieser Weg wird steinig und schwer!*“

      „Also ich finde, Xavier singt deutlich besser als du“, konterte Esther und fuhr endlich los.

      Ben grinste: „He, Esther, jetzt bin ich aber baff, du kennst Xavier? Wo ist eigentlich dein Navi?“

      „Ich habe keins“, lachte Esther. „Ihr wisst doch, ich bin total altmodisch.“

      „Also ich würde es eher voll verpeilt nennen. Du bist ja so was von out, Esther“, frotzelte Ben.

      Kaum waren sie um die Ecke gekurvt, da hörten sie aus dem Kofferraum schimpfende Stimmen. Verwirrt schauten Ben und Emma sich an, als Esther fröhlich rief: „Jidell und Quidell, die Luft ist rein. Ihr könnt rauskommen.“

      „Wer sind denn Jidell und Quidell?“, erkundigte sich Emma irritiert.

      Esther schmunzelte: „Wartet es ab, aber erschreckt euch nicht.“

      Die beiden Freunde drehten ihre Köpfe neugierig in Richtung Kofferraum. Plötzlich öffnete sich der Deckel einer beigen Korbtasche und heraus schauten zwei ziemlich große Rattenköpfe. Die kleinen Knopfnasen schnüffelten hungrig hin und her und einer der zwei maulte: „Esther, ich habe Hunger. Mein Bauch grummelt erdbebenmäßig.“

      Wie hypnotisiert starrte Emma die Ratten an und fing fast an zu kreischen, doch sie beherrschte sich.

      Ben dagegen staunte: „Sprechende Ratten. Esther, echt krass, deine Begleiter! Ich habe dir ja eine Menge zugetraut, aber so was nicht. Wo hast du die denn aufgegabelt?“

      „Tja, die beiden Rattenbrüder sind Mitbringsel aus Fanrea von damals. Sie wohnen schon ewig bei mir im Haus und streiten den ganzen Tag.“

      Wie zur Bestätigung ging es direkt los. Jidell blaffte: „Aber ich bekomme zuerst etwas zu essen, ich bin der Ältere!“

      „Auf was du dir etwas einbildest. Drei Minuten bist du vielleicht älter, das ist ja wohl gar nichts. Außerdem bin ich der Schlauere, wie du vielleicht weißt und deshalb bin ich zuerst dran!“

      „Pah, wie kommst du denn darauf, du und schlau. Da lachen ja die Hühner.“

      Esther unterbrach die Zankhähne: „Schluss jetzt! Wollt ihr euch nicht mal vorstellen? Was ist das für ein schlechtes Benehmen.“

      Sofort wandten die Ratten sich den Freunden zu und Jidell äffte Esther nach: „Oh, entschuldigt das schlechte Benehmen von meinem Bruder, er denkt immer nur ans Essen. Also ich bin Jidell. Ich bin der Äl….“

      „Und ich bin Quidell. Ich heiße euch willkommen. Übrigens bin ich der Schlauere.“

      „Nein, der bist du nicht …“

      „Stopp!“, stöhnte Esther. Sie reichte zwei Äpfel nach hinten, auf die sich die Rattenbrüder gierig stürzten und Ruhe gaben. Laut schmatzend wurden die Äpfel vertilgt, Jidell grunzte zufrieden und Quidell flüsterte: „Lecker.“

      Für Fips hatte Esther einen Kauknochen eingesteckt, den sie ihm zuwarf. Schwanzwedelnd machte sich Fips an ihm zu schaffen.

      Schließlich wagte Emma die Frage, über die sie seit Fanrea nachdachte: „Was war eigentlich genau mit Leni und deinem Mann in Fanrea?“

      Esther schluckte und antwortete dann mit belegter Stimme: „Mit dieser Frage habe ich gerechnet und ich werde euch nun endlich die Wahrheit erzählen. Ich bin es satt, immer mit diesen Lügen zu leben und wenigstens ihr sollt wissen, wie es wirklich war.

      Mein Mann Jamie kam aus sehr reichem Hause, in dem er sich nie wohl fühlte. Erzogen wurde er in Texas für das Big Business des Öls, interessierte sich aber kein bisschen dafür. Er war das schwarze Schaf der Familie und auf der spirituellen Suche