Elle West

Die Glocke


Скачать книгу

      „Ich verspreche dir, dass ich alles versuchen werde, um sie da lebend raus zu holen.“, versicherte er ihm aufrichtig. „Wenn du mir das glauben kannst, dann halt dich zurück, bis der richtige Moment gekommen ist.“

      Fin sah ihm in die Augen. Er glaubte ihm. „In Ordnung.“, gab er also nach.

      Es war ein Uhr Mittags als Joe The man who dodge bullets Masseria im Cotton Club erschien. Mason hatte von Madden mehr als zehn Mann zur Unterstützung bekommen und Owney selbst hatte es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, dabei zu sein. Für ihn gab es einige einfache Grundsätze, zu denen gehörte: Sein Club, seine Regeln. Mason hatte drei Männer am Eingang positioniert und einen vierten, der Bericht erstattete. Da er selbst für Joe gearbeitet hatte, wusste er, wie gern der Mafiosi die Wachen still und heimlich ausschalten ließ. Deshalb der vierte Mann in Reserve. Im Club selbst, vor der Tür zum Büro von Madden, standen sieben weitere Männer, allesamt ehemalige Mitglieder der Gophers, allesamt schwer bewaffnet. Mason saß am Schreibtisch von Owney, Logan, Nicolo und Fin um sich. Owney hielt sich ein wenig im Hintergrund, wurde jedoch von zwei Bodyguards beschützt.

      Joe Masseria tauchte mit Peter Morello, der Nummer zwei in seiner Gang, Lucky Luciano, einem seiner Topmänner, die sich besonders durchs Morden auszeichneten, und drei weiteren, bewaffneten Männern auf.

      Morello, der The clutch hand genannt wurde, weil ihm an der rechten Hand vier Finger fehlten, trat um den Tisch herum und breitete vor Mason die Arme aus. „Mason, mein Junge.“, sagte er, wie gewohnt auf Italienisch und blickte ihn abwartend an.

      Mason zögerte nur kurz, ehe er sich erhob und Peter umarmte. „Joe, wir geht’s dir?“, fragte er und sprach ihn mit seinem vertrauten Namen, aber auf Englisch an.

      Peter tätschelte ihm knapp die Wange und lächelte. „Tja…wie sagt ihr Amerikaner? Der Lack ist ab?“

      Mason nickte. Peter war tatsächlich alt geworden, aber er ging auch steil auf die 60 zu und hatte sein Leben lang keine Ruhe gehabt, sodass die Zeit noch deutlichere Spuren hinterlassen hatte.

      „Ich bin ein bisschen enttäuscht, Mason.“, sagte er und hielt ihn bei den Armen. „So viele Bodyguards?“

      „Du selbst hast mir beigebracht, dass es besser ist, dem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein, um nicht das Nachsehen zu haben.“, erwiderte Mason auf Italienisch. Dann wechselte er ins Englische: „Setz dich bitte, mein Freund.“

      Peter nickte und blickte ihn mit einer seltsamen Mischung aus Vertrautheit und Skepsis an. „Du musst meine Verwunderung verstehen, Mason. Ich dachte, du hättest dich zur Ruhe gesetzt und jetzt hast du mehr Männer zu deinem Schutz abgestellt, als Guiseppe hier.“, sagte er, während er wieder um den Tisch herum ging und sich davor auf einem Stuhl nieder ließ. Zwei bewaffnete Italiener positionierten sich hinter ihm.

      „Ich habe mich zur Ruhe gesetzt.“, sagte Mason ruhig. „Dann habt ihr angefangen, meine Leute umzubringen und mich damit gezwungen, meine Position zu überdenken.“

      Joe Masseria, der noch in den 30ern war, umarmte ihn ebenfalls. Jedoch weniger vertraut, als misstrauisch. Seine aufmerksamen Augen sahen ihn ebenso sehr an. „Es tut gut, dich wieder zu sehen, mein Bruder.“, sagte er lächelnd. „Die Zeit konnte dir offensichtlich nichts anhaben. Anders als bei mir.“ Er rieb sich seinen etwas dicklichen Bauch und lachte dann. Tatsächlich war er etwas dicker geworden, was Mason besonders an seinem rundlichen Gesicht erkannte. Doch alles andere erschien ihm unverändert zu sein. Joe hatte noch immer die gleiche Frisur, seine kurzen, dunklen Haare trug er zu einem mit Pomade herunter gekämmten Seitenscheitel. Seine schmalen Lippen lächelten noch immer so aufgesetzt, wie Mason es in Erinnerung hatte. Misstrauisch und zu allem entschlossen.

      Joe nahm neben Peter Platz. Lucky Luciano blieb dicht neben ihm stehen. Sein leicht vernarbtes Gesicht unbeweglich. Sein rechtes Augelid hing ein wenig herab und war Mason immer als sein unverkennbares Markenzeichen erschienen. Es ließ ihn immer grimmig erscheinen und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es auch so war. Mason fuhr bei seinem Anblick durch den Kopf, dass sie alle nicht ohne Narben geblieben waren. Er selbst hatte eine verblichene, längliche Narbe, die von seinem linken Ohr bis zu seinem Kinn herunter reichte, weil er mit einem Jagdmesser angegriffen worden war. Und zahlreiche andere Narben überall am Körper. Selbst Fin, der nie Mitglied der Mafia gewesen, nur ebenfalls in Hell's Kitchen aufgewachsen war, hatte eine Schnittnarbe über dem rechten Auge, die durch die Augenbraue verlief und an der Stirn bereits ausgeblichen war. Das Leben hier hatte sie alle tatsächlich, nicht nur metaphorisch gezeichnet.

      Luciano deutete mit dem Kopf zu Logan und grinste, was bei ihm nicht so sehr befremdlich, wie gefährlich wirkte.

      „Wie ich sehe, arbeitet The handsome jetzt für dich?“, griff Joe sogleich auf. „Und du sagst, du gründest nicht deine eigene familia?“

      Mason, der sich wieder gesetzt hatte, lehnte sich, scheinbar entspannt, zurück und lachte leicht. Der Stolz in ihm wollte antworten, dass er verdammt noch mal tun könne, was er wolle, doch die Vernunft, riet ihm davon ab. Er musste nur an Hollie denken und schon war er nicht mehr versessen darauf, heute zu sterben. Immerhin, wenn er diese Verhandlung hier lebend und gesund hinter sich bringen könnte, vielleicht würde sie dann am Ende für ihn her kommen. Vielleicht würde er hier augenblicklich auf sein tatsächliches Ziel hinarbeiten. „Habt ihr deshalb meine Männer umbringen lassen?“, fragte er also. „Weil ihr denkt, ich würde ein konkurrierendes Geschäft eröffnen?“

      „Hast du das vor?“, fragte Peter Morello forschend. Er hielt sein makelloses Lächeln aufrecht und Mason wusste, dass er es auch noch tragen würde, nachdem er sie alle umgebracht hätte.

      „Nein.“, antwortete Mason, erleichtert, nun zu wissen, was die Beweggründe der Morello Familie gewesen waren. „Ich bin ausgestiegen. Logan ist ausgestiegen. Nichts, was wir tun, hat mit euch oder euren Geschäften zu tun.“

      Joe nickte zu Fin herüber. „Warum rettest du ihn dann?“, wollte er wissen. „Er sollte dir egal sein. Nur ein krimineller Elitesoldat aus Harlem. Trotzdem…jetzt steht er hinter dir.“

      „Mein Freund hier hat ebenfalls beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen.“, sagte Mason mit unergründlicher Miene, obgleich es ihm zu denken gab, dass sie genau wussten, wer Fin war. Er befürchtete, dass sie Fin vielleicht weniger als Konkurrenten, als als mögliches Familienmitglied betrachteten. „In letzter Zeit sind zu viele seiner Freunde grundlos umgebracht worden. Das verändert einen Mann.“

      Peter lachte leicht, aufrichtig dieses Mal. „Du hattest schon immer eine Schwäche dafür, die Verdammten beschützen zu wollen, Mason.“, sagte er und war wieder ganz vertraut, familiär. „Deshalb haben wir dich immer geschätzt. Du bist so loyal und großzügig. Eine Seltenheit in unserem Geschäft.“

      „Und ich wusste dein Vertrauen immer zu schätzen, Joe.“, erwiderte Mason lächelnd. „Nur bin ich nicht mehr in eurem Geschäft.“

      „Das behauptest du.“, gab Joe Masseria zurück. „Allerdings scheint der beste Schnapsbrenner der Stadt für dich zu arbeiten und das bedeutet, er arbeitet gegen uns. Ihr beide tut das.“

      Mason verschränkte die Arme vor der Brust. Diese Männer waren eindeutig nicht hergekommen, um die Probleme friedlich aus der Welt zu schaffen. Er kannte sie gut genug, um sie einzuschätzen zu können. Sie waren hier, um ihn zu töten. Sie wollten ihn aus dem Weg schaffen, wenn sie ihn schon nicht für sich gewinnen konnten. Das galt vermutlich auch für Fin, nur dass der nichts davon wusste. Sie hatten ihn nicht über ihr Vorgehen oder ihre Beweggründe aufgeklärt, nur eben angefangen jeden in seiner Umgebung getötet. „Nein, mein Freund.“, sagte er, dennoch ruhig. „Finlay wird mit mir mit kommen. Wir werden die Stadt verlassen und niemand wird sich weiter in euer Geschäft drängen.“

      „Dann arbeitet Mr. Bates von nun an ausschließlich für dich?“, fragte Morello forschend. Im Gegenteil zu Masseria war er bereit, Mason eine Chance einzuräumen sein Leben zu retten.

      Mason blickte Fin an. „Ja.“

      Fin nickte entschieden.