Annalies A. Beck

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit


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(2018: 330):

      „In wesentlich stärkerem Maße als es für die klassischen Medien der Fall war, steht bei der Nutzung des Web 2 .0 [...] die Motivation zum Austausch mit anderen Nutzern im Vordergrund [...] Die Beweggründe, Communities zu nutzen, liegen im Vernetzen und Kontakthalten.“

      Ebenso sind Li & Bernoff (vgl. 2011) und Bruhn (vgl. 2016) der Meinung, dass Social-Media-Anwendungen dazu genutzt werden, Beziehungen virtuell einzugehen und zu pflegen.

      Auf dem aktuellen Forschungsstand basierende Annahmen zu den charakteristischen Merkmalen von stark und schwach ausgeprägten Beziehungen bzw. Beziehungen mit geringem oder hohen Reziprozitätspotenzial{81} lassen sich auf Social-Media-Anwendungen übertragen. Dabei stellt sich heraus, dass von den Social-Media-Anwendungen, die für die Kommunikationsprozesse einer Organisation genutzt werden,{82} nicht alle{83} zugleich auch die Funktion erfüllen, den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zu ermöglichen. Nach den Erkenntnissen von Kietzmann et al. (vgl. 2011), Beck (vgl. 2014); Mack & Vilberger (vgl. 2016) und Gabriel & Röhrs (vgl. 2017) trifft dies auf eine Auswahl von fünf Social-Media-Instrumenten zu, zu denen Blogs, Wikis, Video-Telefonie-Dienste, Instant Messaging und soziale Netzwerke{84} zählen.

      Tabelle 4: Einfluss von Social-Media-Anwendungen auf die Beziehungsintensität

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      Tab. 4 zeigt einen Überblick der fünf Social-Media-Anwendungen, die die Funktion (F2) erfüllen und deshalb im Folgenden ausführlich vorgestellt werden. Dabei wird eine Einordnung hinsichtlich der unterschiedlichen Beziehungsform und -intensität bzw. bzgl. des jeweils mittels der Social-Media-Instrumente intendierten Reziprozitätspotenzials der Beziehungen zwischen Social-Media-Nutzern vorgenommen, die in den nächsten beiden Abschnitten (Kap. 2.2.3.2.1; Kap. 2.2.3.2.2) begründet wird.

      2.2.3.2.1 Einseitige Beziehungen zwischen Nutzern von Blogs und Wikis

      Social-Media-Anwendungen, die schwache bzw. eher weniger reziproke und vielmehr einseitigere Beziehungen generieren, sind vor allem daran zu erkennen, dass es zu längeren Unterbrechungen in der interaktiven Kommunikation kommt. Stegbauer (2001: 161) merkt an: „Dauern kommunikationslose Perioden länger, verblasst die Beziehung.“

      Blogs und Wikis implizieren aufgrund ihrer Funktionalität, die im Folgenden näher beschrieben wird, genau diesen Nutzungsnachteil gegenüber Social-Media-Instrumenten, die reziprozitätsintensive Beziehungen bewirken.

      Blogs

      Blogs (auch Weblogs, Video-Blogs) werden als „erste/früheste Erscheinung von Social Media“ (Kaplan/Haenlein, 2009: 63) von Beck (2014: 20) wie folgt definiert: „Weblog bzw. Blog steht als Kurzform für webbasiertes Logbuch, also eine Art chronologisch geordnetes Tagebuch im WorldWideWeb, das in der Regel öffentlich zugänglich ist.” Die Kommunikation im Rahmen eines Blogs funktioniert indirekt und asynchron, da die Sender bzw. Autoren eines Weblogs keine bestimmten Empfänger adressieren und jene von der Kommunikationsbotschaft zu einer unbestimmten Zeit erreicht werden. Zur Interaktion kommt es erst dann, wenn Blogeinträge von anderen Nutzern kommentiert werden oder im Rahmen dessen Querverweise (auch Links) zu anderen Blogs oder Websites publiziert werden (vgl. Beck, 2014: 20; vgl. Robes, 2008: 17f). Im organisationalen Kontext werden u. a.{85} Fachblogs eingesetzt, in denen Organisationsmitglieder ihr spezifisches Expertenwissen teilen. Dabei kann mit einer Zugangsbeschränkung erreicht werden, dass der Blog ausschließlich organisationsintern oder ggf. von einem ausgewählten externen Personenkreis eingesehen und kommentiert werden kann (vgl. Schmidt, 2018: 13f; vgl. Mack/Vilberger, 2016: 123).

      Kietzmann et al. (2011: 246) heben die fehlende Formalität und Struktur von Blogs hervor, die jedoch für die Initiierung von reziproken Beziehungen unabdingbar ist:{86} „Blogs [...] can allow users to develop a relationship with each other, without a formal arrangement of what and how much information they should share.“ Dementsprechend stellen Waters et al. (2009) fest: „Early research on other social media applications, such as blogs [...], rarely demonstrate a strong commitment to relationship building and dialogue from the practitioners running the organizational accounts.“ Somit lässt sich festhalten, dass Blogs im organisationalen Kontext inzwischen zwar als Social-Media-Anwendung anerkannt werden, mittels welcher Beziehungen zwischen den Nutzern eines Blogs aufgebaut und gepflegt werden können. Dabei handelt es sich jedoch um eher einseitige Beziehungen.

      Wikis

      Mit einem Wiki{87} wird eine Server-Software bezeichnet, die es Nutzern ermöglicht, Internetseiten online zu editieren. Auf diese Weise entsteht eine Seitensammlung bzw. Online-Datenbank, welche von den Nutzern nicht nur gelesen, sondern auch verändert werden kann (vgl. Mu¨ller/Gronau, 2008: 10). Wesentlich hervorzuheben ist hierbei der Korrekturaspekt:

      „Die Inhalte können kontinuierlich durch die Gemeinschaft geprüft, aktualisiert und verbessert werden. Auch Verlinkungen zu weiteren Inhalten bzw. Wissensbereichen sind möglich, sodass weiteres Wissen entsteht.” (Gabriel/Röhrs, 2017: 21)

      Bei der Entwicklung und Qualitätssicherung eines benutzerfreundlichen Wikis spielen die Präsenz und Aktivität der Community eine bedeutende Rolle, wie Li & Bernoff (2011: 24) bestätigen: „The community of contributors notices changes and acts to preserve or reverse them based on the ideals of the community.“ Dass jedem Autor ein für alle anderen Verfasser einsehbares Profil zugeordnet werden kann, erhöht zum einen die Sichtbarkeit und Anerkennung von Vielschreibern (dies., 2008: 25), zum anderen können hierdurch Fake-Profile{88} leichter entlarvt werden. Des Weiteren stellen Wikis sogenannte „talk pages“ (Ferschke et al., 2015) bereit, auf denen parallel zur kollaborativen Erstellung einer bestimmten Seite, Diskussionen unter den Autoren bzgl. der zu publizierenden Inhalte stattfinden können (vgl. dies., 2008: 25). Außerdem ermöglicht die integrierte Volltext- und Titelsuche das schnelle Auffinden von Informationen in einem Wiki. Im Kontext von Organisationen werden Wikis für den „Wissensaustausch innerhalb von Organisationen, für die gemeinsame Dokumentation von Veranstaltungen{89} oder als öffentlich zugängliche Sammlung von Ideen und Notizen einzelner Personen“ (Schmidt, 2018: 15) eingesetzt{90}. Wenn „Projektinformationen [...] fu¨r alle verfu¨gbar und direkt erweiterbar“ (Gronau/ Mu¨ller, 2008: 15) im organisationsinternen Netzwerk veröffentlicht werden, kann ein Wiki auch als virtuelle Projektmanagement-Plattform dienen. Indem mehrere Nutzer zugleich Änderungen vornehmen können, implizieren Wikis neben der „Vernetzung des Wissens“ (Stocker/Tochtermann, 2008: 75) der Organisationsmitglieder auch die synchrone interne Organisationskommunikation. Die Aktivität der Organisationsmitglieder in Wikis wirkt sich maßgeblich auf interne Kommunikationsprozesse aus, da die Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen gefördert wird (vgl. Mack/Vilberger, 2016: 122) und somit neue Anschlusskommunikationsmöglichkeiten geschaffen werden:

      „Das Besondere und auch der Unterschied im Vergleich zu standardisierten und vorgegebenen Prozessen ist, dass sich die Gemeinsamkeit im Diskurs und der Zusammenarbeit erst herausbildet und damit wesentlich nachhaltiger funktioniert.“ (Schönefeld, 2009: 112)

      Dennoch zeigt sich, dass Wikis zu den Social-Media-Anwendungen zählen, die eher einseitige Beziehungsverhältnisse zwischen den Nutzern vermitteln. Auch wenn es im Rahmen der gemeinsamen Erstellung eines Wikis zwischen Organisationsmitgliedern durchaus zum Beziehungsaufbau kommt (vgl. Li/Bernoff, 2011), ist dieser vor allem geprägt von der unregelmäßigen Interaktion: Wiki-Nutzer können keinen Einfluss darauf nehmen, wann ein anderer Autor seinen Eintrag hinzufügt oder editiert. Zudem lässt sich eine eher latente Betroffenheit in Bezug auf die Beiträge anderer Wiki-Nutzer feststellen, die sich auch auf die fehlende formelle Bindung der Autoren zurückführen lässt. Hinzu kommt die Heterogenität und Vielfalt der Wiki-Nutzer, die organisationsübergreifend auf das Wiki zugreifen.

      In diesem Abschnitt wurde dargelegt, weshalb Blogs und Wikis durchaus als Social-Media-Anwendungen identifiziert werden können, die Beziehungen zwischen den jeweiligen Nutzern herbeiführen. Zudem wurde begründet, warum die Anwendungen eher schwache bzw. einseitige Beziehungen zwischen den Nutzern von Blogs und Wikis implizieren.

      Im Anschluss werden die Social-Media-Instrumente