Annalies A. Beck

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit


Скачать книгу

Verbreitung von Informationen (vgl. Bertenrath et al., 2018: 26). Dies fördert zudem eine umfassende Teilhabe am organisationalen Wissen für alle Organisationsmitglieder über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg (vgl. Richter/Stocker, 2012: 32; vgl. Schmidt, 2018: 75ff) und wirkt sich entscheidend auf die Gestaltung des Wissensmanagementprozesses{106} einer Organisation aus. De Bastion (2013: 378) stellt fest: „Statt einem einseitigen Wissenstransfer wird die Bildung einer Wissensgemeinschaft angeregt, in der jeder sein Wissen gleichberechtigt beitragen kann.“ Stocker & Richter (2012: 33) betätigen, dass „effizienter Wissenstransfer“ durch Social Media herbeigeführt werden kann. Partizipieren mehr Organisationsmitglieder am organisationalen Wissen, kann sich dies wesentlich auf die Motivation und Zufriedenheit dieser auswirken (vgl. Mack/Vilberger, 2016: 28). Insgesamt gewinnen „prozessuale Organisationsformen“ (Klier/Lautenbacher, 2013: 11) und „dezentrale Steuerungsformen“ (dies., 2013: 13) an Bedeutung.

      Schließlich kann ein dritter Nutzen identifiziert werden, der sich vor allem auf die externe Organisationskommunikation bezieht. Die Präsenz einer Organisation in den sozialen Medien, bspw. mit einer Profil-Seite in einem sozialen Netzwerk, trägt zur Bekanntheitssteigerung der Organisationsaktivitäten bei (vgl. dies., 2013: 4) und kann den Dialog mit externen Anspruchsgruppen wie potenziellen Projektpartnern eines Entwicklungsprojekts fördern.

      In Bezug auf die Probleme (vgl. Tab. 5), die bisher empirisch belegt wurden, ist zunächst die fehlende Kompetenz, die unter den Nutzern von Social-Media-Anwendungen in Organisationen beobachtet werden kann, zu nennen. Diese äußert sich auf vielfältige Weise: Zum einen kommt es vor, dass Anwendungen aus dem organisationalen Kontext heraus für private Konversationen genutzt werden und damit wertwolle Arbeitszeit verschenkt wird (vgl. Chui et al., 2012; vgl. Accountemps, 2010; vgl. Shepherd, 2011). Insbesondere jene übermäßige Nutzung von Social-Media-Anwendungen, die keinen Arbeitsbezug aufweist, wird von Turel & Serenko (2012) als „addiction“ gewertet. Eine Abhängigkeit von Social-Media-Anwendungen kann nach Gibbs et al. (vgl. 2013) mitunter zu einer zunehmenden Verschlossenheit der betroffenen Nutzer führen: Kommunizieren diese nur noch digital, grenzen sie sich zugleich von Organisationsmitgliedern ab, die primär persönlich kontaktiert werden müssten (vgl. ebd.; s. Abb. 18). Dem schließen sich Klier & Lautenbacher (2013: 18) an: „Die zunehmende Individualisierung, bei gleichzeitiger Kollektivierung in den Gruppen und Teams verbunden mit neuen Formen der Steuerung weist stark das Phänomen der Entgrenzung auf.“

img24.jpg

      Abbildung 18: Mögliche problematische Entwicklung der Social-Media-Nutzung

      Werden Social-Media-Anwendungen dazu benutzt, Kollegen oder Vorgesetzte zu diskreditieren (vgl. Chui et al., 2012; Mack/Vilberger, 2016: 34), wird der Zweck des organisationalen Technologieeinsatzes ebenso verfehlt. Somit kann neben einer fehlenden Nutzungskompetenz, wenn Anwendungen bspw. von unerfahreneren Nutzergruppen technisch schlichtweg nicht verstanden werden (vgl. Tonndorf/Wolf, 2015: 238), auch ein Mangel anderer persönlicher Kompetenzen vorliegen. Gabriel & Röhrs (2017: 83) merken des Weiteren an: „Voraussetzung [...] ist eine Social-Media-Kompetenz, die nicht nur IT-Wissen und ökonomisches Anwendungswissen beinhaltet, sondern auch spezielles Wissen über Social Media und Sozialkompetenz (social skills), d. h. die Fähigkeiten und Einstellungen, die im Sinne einer Kooperation und Kommunikation mit Menschen nützlich sind.“ Beuthner (2016: 186) konkretisiert dies anhand des Beispiels von sozialen Netzwerken, die intraorganisational genutzt werden:

      „Benutzer [...] vertrauen sich in der Regel, was jedoch dazu führen kann, dass hier ausgetauschte Informationen nur unzureichend gegen den Zugriff durch unbefugte Mitarbeiter gesichert werden. Wenn jedoch beispielsweise vertrauliche Dokumente von jedem Mitarbeiter eingesehen werden können, kann es unter Umständen auch vorkommen, dass diese gelöscht, verändert oder an nicht autorisierte Personen weitergegeben werden. Dahinter muss keine böse Absicht stecken, oft geschieht dies einfach aus Unkenntnis oder Versehen.“

      Die Problematik der mangelnden Nutzungskompetenz betrifft die intra- und interorganisationale Kommunikation gleichermaßen. Werden seitens eines Projektteams bspw. versehentlich falsche organisationsbezogene Informationen über Twitter kommuniziert, kann dies im Extremfall eine Ruf- und Imageschädigung zur Folge haben (vgl. Mack/Vilberger, 2016: 34).

      Ein weiteres Problem stellt der Missbrauch von personenbezogenen Daten dar, der mit der Social-Media-Nutzung einhergehen kann (vgl. Skaržauskiené et al., 2013: 239f; vgl. Chui et al, 2012; vgl. Moqbel/Nah, 2017; vgl. Mack/Vilberger, 2016: 34). Tonndorf & Wolf (2015: 236) stellen fest, dass diese Art der Kommunikation „schnell und oftmals schwer zu kontrollieren“ sei. Der Schutz von personenbezogenen Daten ist nicht hinreichend gewährleistet, wenn Organisationen bspw. den Instant-Messenger-Dienst WhatsApp verwenden. Gabriel & Röhrs (2017: 33) geben zu denken: „WhatsApp ist der aktuell bekannteste und meistgenutzte Instant Messenger, obwohl er wegen des laxen Umgangs mit personenbezogenen Daten [...] stark kritisiert wurde.“

      Werden Informationen fehlerhaft oder unrechtmäßig mittels Social-Media-Anwendungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, spielt außerdem der Aspekt der „Frage der Glaubwürdigkeit im Netz“ (Beck, 2014: 23) eine Rolle. Organisationen stehen ggf. vor der Herausforderung, schnell auf „fake news“{107} zu reagieren bzw. entsprechende Datenschutzmaßnahmen einzuleiten. Aufgrund dieser möglichen Gefahrenlage erscheint es notwendig, in Bezug auf die jeweils betroffene Organisation sorgfältig zu prüfen, welche Informationen über welche Social-Media-Kanäle verbreitet werden und ob das Risiko eingegangen werden kann, auch einmal einen „unfertigen Gedanken preiszugeben“ (Klier/Lautenbacher, 2013: 11). Zudem muss vorab entschieden werden, welcher Grad der Offenheit gewählt wird (vgl. Michelis, 2014: 7), damit dieser möglichst auch zur übrigen institutionellen Struktur und Organisationskultur passt.

      Chui et al. (vgl. 2012) merken an, dass potenzielle Risiken nicht den tatsächlichen Nutzen des Einsatzes von Social Media in Organisationen limitieren dürfen. So können bspw. Zensuren und eingeschränkte Internetzugänge dazu führen, dass Social-Media-Anwendungen ihr eigentliches Potenzial gar nicht erst entfalten können.

      Im Anschluss an die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beim Einsatz von Social Media in Organisationen wird nun speziell auf das Potenzial im Kontext der internationalen EZ eingegangen.

      2.3 Potenzial des Einsatzes von Social Media in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

      In den vorausgegangenen Kapiteln wurden die Grundlagen der Zusammenarbeit im Rahmen von nachhaltig wirksamen Entwicklungsmaßnahmen und die Definition sowie Relevanz von Social Media im Anwendungskontext von Organisationen erläutert. Im Sinne eines Transfers gilt es nun basierend auf dem aktuellen Forschungsstand das Potenzial von Social-Media-Anwendungen für die Kommunikations- und Arbeitsprozesse von Entwicklungsmaßnahmen einzuschätzen.

      Hinsichtlich der zuvor beschriebenen Nutzungsvorteile und des positiven Einflusses von Social Media auf die Effizienz von organisationsübergreifenden Arbeits- und Kommunikationsprozessen stellt Sangmeister (2018: 24) fest:

      „Digitalisierung der EZ ermöglicht Bürokratieabbau und mobilisiert Effizienzgewinne. Es wäre verantwortungslos, diese Chancen zur Verbesserung der EZ nicht zu nutzen.“

      Das BMZ äußert sich bereits 2013 (S. 8) zur zunehmenden Bedeutung von IKT und deren Nutzen für die „Erhöhung der Effizienz sowie der Effektivität und der Transparenz von Maßnahmen und Prozessabläufen“. Diese Meinung teilt ebenso Steltemeier (2018: 35): „Projekte in fast allen Sektoren der EZ können durch digitale Technologien effizienter und nachhaltiger geplant und implementiert werden.“ Gimpel (2018: 58) betont die daraus resultierende Vernetzung: „Die Digitalisierung bietet [...] die Möglichkeit und Notwendigkeit, bestehende Geschäftsprozesse in der Organisation zu optimieren und zu vernetzen, um effizientere Leistungen zu bringen.“ Einen Ausblick auf die Chancen, die sich mittels Social Media für die Wissensteilhabe im Kontext von Entwicklungsorganisationen bieten, erläutern Seibold (vgl. 2014) und Michelis (vgl. 2014).{108} Ansonsten äußern sich Berthoud (vgl. 2004) und King (vgl. 2000) zu internetbasiertem Wissensmanagement in der EZ, nehmen