Annalies A. Beck

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit


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eingehende Betrachtung ausgewählter Social-Media-Instrumente und deren Funktionen wirft die Frage auf, wie diese im Sinne einer Zuordnung verschiedener Anwendungsgruppen klassifiziert werden können. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Ansätze, die jedoch kritisch zu betrachten sind. Gabriel & Röhrs (vgl. 2017: 21) geben zu bedenken, dass eine strikte Abgrenzung aufgrund der Funktionsüberschneidungen einzelner Social-Media-Instrumente nicht möglich sei. Dem entspricht auch Becks (2014: 25){75} vorausgegangene Feststellung:

      „Eine Zuordnung einzelner technischer Dienste bzw. Protokolle anhand der Kriterien Zeit (synchron vs. asynchron) und soziale Konfiguration (one-to-one etc.) hält einer kritischen Prüfung nicht stand, weil die Organisations- und Institutionsdimensionen von Medien nicht durch die Technologie determiniert werden.”

      Dennoch werden Social-Media-Instrumente{76} seit 2008 (vgl. Li/Bernoff, 2011) in Anwendungsgruppen unterteilt und entsprechende Funktionskategorisierungsversuche unternommen. Tab. 2 zeigt einen Überblick des aktuellen Forschungsstands.

      Tabelle 2: Klassifizierungsansätze zu Social-Media-Anwendungsgruppen und -Funktionen in der Literatur

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      Die eingehende und vergleichende Betrachtung der einzelnen in Tab. 2 abgebildeten fünf Klassifizierungsansätze führt im Sinne einer Zusammenführung zu der Erkenntnis, dass nach Kaplan & Haenlein (vgl. 2010){77}, Mack & Vilberger (vgl. 2016) Gronau (vgl. 2016), Li & Bernoff (vgl. 2011), Gabriel & Röhrs (vgl. 2017) und Kietzmann et al. (vgl. 2011) sechs zentrale abgrenzbare Social-Media-Funktionskategorien identifiziert werden können. Zu den sechs Funktionen zählen die (F1) Ermöglichung von Kommunikation, der (F2) Aufbau von Beziehungen, die (F3) Organisation der Zusammenarbeit, die (F4) Bereitstellung von Inhalten, die (F5) Abgabe von Bewertungen und die (F6) Schaffung virtueller Welten (s. Abb. 15). Dieser aus der Literatur abgeleitete Ansatz zur Kategorisierung von Social-Media-Funktionen stellt die Grundlage für das weitere Forschungsvorgehen im Rahmen der vorliegenden Studie dar.

      In Kap. 2.1.3.2 (vgl. Abb. 14) wurde dargelegt, dass Wissen nachhaltig wirksam geteilt wird, wenn zuvor Beziehungen zwischen den Akteuren aufgebaut wurden (F2, Beziehungen aufbauen). Somit darf der Beziehungsaufbau als wesentliche Voraussetzung für den Umgang mit Wissen betrachtet werden.

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      Abbildung 15: Sechs Funktionen von Social Media

      Im organisationalen Kontext spielen vor allem die Funktionen (F1, Kommunikation ermöglichen), (F2) und (F3, Zusammenarbeit organisieren) eine entscheidende Rolle (vgl. Mack/Vilberger, 2016){78}. In Bezug auf (F1) bestätigen zudem Bertenrath et al. (vgl. 2018: 33), dass digitale Kommunikationstechnologien grundsätzlich in drei zentralen Aufgabenbereichen typischer NGOs eingesetzt werden, zu denen die Kommunikation mit der Zielgruppe der Leistungsempfänger, die Öffentlichkeitsarbeit sowie Verwaltungsaufgaben gehören (vgl. Kap. 2.1.3.1.1). Die nähere Betrachtung der Funktionen (F1) und (F3) in einem Zusammenhang mit (F2) offenbart die Visualisierung eines Prozessschemas. Unabhängig von der Tatsache, dass diese drei Funktionen durchaus von mehreren Social-Media-Anwendungen parallel erfüllt werden können (vgl. Beck, 2014: 25; Gabriel/Röhrs, 2017: 21), lassen sie sich einem Prozessschema zuordnen und entsprechend abbilden (s. Abb. 16):

      Sobald Kommunikation ermöglicht wird (F1), können Beziehungen aufgebaut werden (F2). Auf dieser Grundlage kann wiederum der Transfer und Austausch von organisationalem Wissen stattfinden (vgl. Kap. 2.1.3.2) sowie die Zusammenarbeit organisiert werden (F3). Diese Erkenntnis ist als theoretische Grundlage für die Durchführung der empirischen Untersuchung im Rahmen dieser Studie von hoher Bedeutung. Um entsprechend der zugrundeliegenden Forschungsfrage empirisch zu analysieren, wie die Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten organisiert und gestaltet wird (F3) und die theoretischen Bedingungen hierfür zu eruieren, wird im Rahmen dieses Kapitels der Fokus auf die beiden Social-Media-Funktionen (F1) und (F2) gerichtet.

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      Abbildung 16: Prozessuales Ablaufschema zentraler Social-Media-Funktionen in Organisationen

      Im nächsten Teilkapitel werden folglich die Funktionen (F1, Kommunikation ermöglichen) und (F2, Beziehungen aufbauen) ausführlich betrachtet, wobei ausgewählte Social-Media-Anwendungen vorgestellt werden, die zum Zwecks der jeweiligen Funktionserfüllung im organisationalen Kontext eingesetzt werden.

      2.2.3 Kommunikation und Beziehungsaufbau als zentrale Funktionen von Social-Media-Anwendungen

      In diesem Teilkapitel wird dargelegt, inwiefern sich mittels Social-Media-Anwendungen Kommunikation ermöglichen (F1) und Beziehungen unterschiedlicher Intensität zwischen Nutzern herstellen lassen (F2). Mit Nutzern sind im intra- und interorganisationalen Kontext der Entwicklungsprojekte die handelnden Akteure (vgl. Kap. 2.1.2.1.1), sowohl das Projektteam als auch projektexterne Anspruchsgruppen gemeint. In Bezug auf (F2) soll ausgehend von der Annahme, dass Web 1.0-Instrumente eher Flüchtigkeit und Indirektheit vermitteln und im Gegensatz dazu die Face-to-Face-Kommunikation Nähe und Direktheit schafft (vgl. Kap. 2.1.3.1.3), dargelegt werden, inwiefern Social-Media-Anwendungen jene Nähe und Direktheit vermitteln können. Bevor die Besonderheiten dieser Social-Media-Funktion eingehend erläutert werden, bietet Kap. 2.2.3.1 zunächst einen Überblick über wesentliche Social-Media-Anwendungen, die im organisationalen Kontext verwendet werden, um Funktion (F1), die Ermöglichung von Kommunikation, zu erfüllen. Ausgehend von den bisher getroffenen Annahmen zur Intensität von Beziehungen und dem entsprechenden Reziprozitätspotenzial{79} werden anschließend in Kap. 2.2.3.2 die Beziehungsqualitäten einzelner Social-Media-Anwendungen erläutert und begründet.

      2.2.3.1 Kommunikation ermöglichen

      Der Annahme folgend, dass Beziehungen erst aufgebaut und schließlich gepflegt werden können, sobald Kommunikation ermöglicht wurde, gilt es zunächst Funktion (1), Kommunikation ermöglichen, näher zu betrachten. Werden Social Media zunächst mit der Intention Kommunikationsprozesse zu initiieren eingesetzt, geht es darum, dass die Organisationsmitglieder Inhalte austauschen, verteilen und empfangen (vgl. Kietzmann et al., 2011: 245). Bruhn (2016: 456) merkt an, dass „die Kommunikationsträger der Social-Media-Kommunikation das Transportmittel der Information beziehungsweise des Inhalts darstellen“, wozu „sämtliche Online-basierten Plattformen, die in der Lage sind, die Kommunikationsbotschaft zu übermitteln“, zählen. Basierend auf dem aktuellen Forschungsstand lassen sich insgesamt neun Social-Media-Anwendungen identifizieren (vgl. Kaplan/Haenlein, 2010; Gronau, 2016; Gabriel/Röhrs, 2017; Kietzmann et al., 2011), die im organisationsinternen und/ oder -externen Kontext (s. Tab. 3) verwendet werden, um Kommunikation zu ermöglichen.

      Alle Anwendungen{80} haben gemeinsam, dass durch sie eine interaktive Kommunikation herbeigeführt wird, die als Basis für das Teilen von Wissen dienen kann. Kietzmann et al. (2011: 245) geben zu denken: „Whether sharing leads users to want to converse or even build relationships with each other depends on the functional objective of the social media platform.”

      Im Anschluss an die nähere Betrachtung der Social-Media-Funktion (F1) wird im folgenden Kapitel beschrieben, auf welche Weise es zum Beziehungsaufbau (F2) kommen kann, welche Beziehungsformen zu unterscheiden sind und welche Social-Media-Anwendungen dabei relevant sind.

      Tabelle 3: Social-Media-Anwendungen in der Organisationskommunikation

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      2.2.3.2 Beziehungen aufbauen und pflegen

      In diesem Abschnitt wird erläutert, inwiefern bestimmte Social-Media-Anwendungen den Aufbau (F2) und darüber hinaus auch die Pflege von Beziehungen ermöglichen. Die zentrale Funktion von Social Media liegt darin, die strukturellen und fließenden Eigenschaften