Lisa Kuppler

O Du Fröhliche


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mit der scharfen Biegung, die Brücke Richtung Städtle, das kleine Bauerngärtchen vor Nachbars Kuhstall und unseren Parkplatz, dessen Kiesbelag jedes Mal wie kalter Schnee knirschte, wenn ein Auto kam. Da draußen war nichts zu entdecken. Alles wie ausgestorben. Stinklangweilig war es. Es schneite noch nicht einmal.

      »'Etz, hosch 's g'seha?«, fragte mich die Oma, als ich zu ihr in die Küche gestiefelt kam.

      »Noi.«

      »Dann gucket mir zwoi nochhär no' amol z'samma, gell. Magscht ausschläcka?«

      Sie reichte mir die große Glasschüssel, aus der sie gerade den letzten Klecks Buttercreme auf den Frankfurter Kranz verteilt hatte. Ich setzte mich mit der Schüssel auf den Küchenstuhl und schaute zu, wie sie die karamellisierten Mandelstückchen, die zum Auskühlen auf einem Tablett ausgebreitet lagen, über den Kranzkuchen verteilte. Dann half ich ihr mit der Weihnachtstorte. Wir umrandeten die Sahnequarkdecke mit Sternchen aus Karton, setzten in die Mitte einen Strohstern und bestäubten dann alles mit Kakao. Die Oma hob vorsichtig die Sterne wieder ab, und wir bewunderten unser Werk. Noch schnell den Rand mit Mandelblättchen verziert, fertig.

      »Magscht a Hildabredle?«, fragte meine Oma.

      »Jo.« Hildabrötchen mochte ich zwar nicht besonders, aber zu etwas Süßem sagte ich nicht nein.

      »Kumm, 'etz gucket mir no' amol noch em Chrischtkindle.«

      »Au jo!«

      »Aber pssst«, beugte sie sich zu mir, »ganz leise, damit mir 's it v'rschräcket.«

      Gemeinsam schlichen wir zum Wohnzimmerfenster.

      »Siehscht äbbes?«, flüsterte sie.

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Do! I glaub, do drüba hab i äbbs g'seha!«

      »Wo?« Mit großen Augen schaute ich zur hohen Tanne hinüber.

      »Ah, doch it. Ab'r do! Do war doch grad a Flügele, do unterm Fenschterbrett!«

      »I sieh nix!« Aufgeregt rutschte ich näher zur Scheibe.

      »'Etz sieh i's au' nimmer. 'S ich wohl scho' wied'r davo'g'floga.«

      Das gab es doch nicht. Zum Verrücktwerden war das!

      Meine Oma schob mir einen Stuhl ans Fenster und machte sich ans Christbaumschmücken. Stocksteif verharrte ich und starrte hinaus. Die Häuser am Straßensaum verschwammen immer wieder vor meinen Augen. Ich blinzelte und starrte. Nichts.

      Allmählich dämmerte es. Knirschend kam ein Auto aufs Fenster zu und jemand winkte. Nein, das Christkind konnte das nicht sein. Es kam doch nicht im Auto…

      Es war meine Mutter. Sie brachte die Weihnachtskluft, die ich zum Fest tragen sollte.

      »Komm mit«, versuchte sie, mich von meinem Beobachtungsposten loszueisen. »'Etz komm, kriagsch au' a Weihnachtsbredle.«

      »Aber koi' Hildabredle!«

      Kaum war ich herausgeputzt, trudelte auch schon die Verwandtschaft ein. Mit großem Hallo hagelte es feuchte Wangenküsse.

      »Ab jetzt in'd Küch«, sagte meine Oma. »'S Chrischtkindle will d'Geschenkle bringa.«

      Oh, jetzt kam es tatsächlich zu uns ins Haus. Ganz nah würde es sein. Wie aufregend! Was für eine Möglichkeit, vielleicht einen Blick von ihm zu erhaschen. Was für eine Verlockung, ihm heimlich aufzulauern. Doch man durfte es auf keinen Fall stören. Es war scheu. Wenn man es erschreckte, flog es ganz schnell davon und nahm die noch unverteilten Geschenke wieder mit, am Ende womöglich ausgerechnet meine! Das war das Risiko nicht wert – und unter allen Umständen zu verhindern.

      In der Küche ging es hoch her. Alles schnatterte durcheinander.

      »I spickel mol, ob 's Chrischtkindle vielleicht scho' do war.« Mein Onkel war im Begriff, die Küchentür einen Spalt zu öffnen.

      »Noi! Bleib do!«, zerrte ich ihn aufgeregt von der Tür weg.

      Ich lauschte. Von draußen war leises Geraschel und Schritte zu hören. Puh, gerade noch mal gut gegangen. Dann erklang ein helles Glöckchen.

      »'S Chrischtkindle war do!«

      Emsig zogen alle über den Flur. Im Wohnzimmer erstrahlte der Weihnachtsbaum in hellem Glanz. In seinen blanken Kugeln spiegelte sich der Kerzenschein, und das silberne Lametta blitzte und funkelte im Flackerlicht. Ansonsten war vom Wohnzimmer nicht mehr viel zu sehen. Es lag unter einer Lawine von Geschenken verschüttet. Wir stellten uns andächtig vor der Eiche-Rustikal-Imitat-Schrankwand auf, Kinder vorne, Erwachsene hinten, und begannen damit, uns unsere Geschenke zu ersingen. Meine Oma sang in erster Linie laut, die anderen brummelten vor sich hin, während meine Mutter mit ihrem Sopran die letzte weihnachtliche Gesangswürde zu retten versuchte. Ich stand mit offenem Mund – mehr als die ersten zwei Zeilen von jedem Weihnachtslied kannte ich ohnehin nicht – und versuchte herauszufinden, welcher der Geschenkeberge wohl meiner war. Diesen Frevel vertuschte ich ebenso unschuldig wie angestrengt mit gelegentlichen Mundbewegungen, die mein Mitsingen vortäuschen sollten. Hin und wieder stieß ich auch leiernde Laute dazu aus.

      Dann kam der rituelle Streit, »No' a Liad« – »Noi, 'etz langt's!«, gefolgt von der rituellen Schlacht am Gabentisch.

      »Ahhh!« – »Ohhh!« – »Jo was ischt au des!?«, tönte es von allen Seiten.

      Als wir schließlich gemütlich beim Abendessen saßen und meine Oma die Kuchen auftischte, rief meine Cousine plötzlich mit ausgestrecktem Arm: »Gucket amol, 's schneit!«

      Tatsächlich. Am Fenster schwebten kleine weiße Flöckchen herab, tanzten kurz auf den Windböen und sanken dann ganz sachte auf die Erde nieder.

      »Kumm«, sagte meine Oma, »'s Chrischtkindle spielt doch immer so gern im Schnee. Vielleicht seha mir 's jo doch no'!«

      Sie nahm mich bei der Hand und ging mit mir zum Fenster. Hoffnungsvoll sah ich hinaus. Eine dünne Schneedecke hatte sich bereits über alles gebreitet. Im Lichtschein der Straßenlaternen glitzerte sie wie ein Funkelsternenmeer.

      »Do! I glaub, do drüba hinter'm Gartazaun, do war's grad! Hosch es stauba g'seha?«

      Es ist lange her. An das Christkind glaube ich nicht mehr. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss mal eben aus dem Fenster gucken.

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