aus. Er ist gut, im Bett, wie in seinem Metier. Der Junge hat allerhand drauf, vertrau mir.“ Klitschnass hüpft sie zum Telefon, kehrt nach wenigen Augenblicken wieder zurück. „Als Vorschuss für meine prompten Dienste bekomme ich aber noch ein letztes Mal deinen himmlischen Schwanz zwischen die Schenkel, dann muss ich fort. Ich treffe den Burschen in einer halben Stunde. Wir sehen uns dann um fünf auf dem Rathausplatz. Einverstanden?“
Punkt fünf. Frisch gestylt und super sexy erscheint Gerda am vereinbarten Treffpunkt. Im Schlepptau einen Mann um die Dreißig, hochgewachsen, mit unordentlichem strohfarbenem Haarschopf, Dreitagebart. Lässig schlendert er neben ihr her. Saloppe Kleidung, Rollpulli, Jeans, bequeme Freizeitstiefel. Sichtlich ohne große Sorgen, was der nächste Tag bringen würden. Langsam schlürft der Fremde auf Jürgen zu, betrachtet ihn kritisch. Plötzlich ein erstaunter Blick.
„Also auf den Bildern in der Zeitung siehst du attraktiver aus, alter Kumpel.“
Jürgens runzelt die Stirn. Eine nachdenkliche Falte zwischen den Brauen. Diese Gesichtszüge. Er kennt sie, kann sie jedoch im Moment nicht einordnen. Erinnerungsfetzen schwappen auf, die ihn misstrauisch machen.
„Was treibst d u denn hier“, versucht er jovial zu klingen, woher kennen wir uns überhaupt.“ Und dann ist sie plötzlich da, die Erinnerung. Max, der ewige Jurastudent. Berlin. Sie waren um die Häuser gezogen. Nächtelang. Mit gefälschten Beweisen hat er ihn damals aus einer ziemlich peinlichen Situation herausmanövriert. Um ein Haar hätte man ihn eingebuchtet, hätte Max ihm nicht ein hieb- und stichfestes Alibi gegeben. Ein cleveres Kerlchen, ohne Skrupel. Genau der richtige Partner für seine schlüpfrigen Geschäfte.
„Ich hoffe, dein ewiges Studium hat dir das nötige Hintergrundwissen verschafft, um mir nützlich zu sein.“
„Lass hören, Sportsfreund, wo drückt der Schuh“, feixt Max genießerisch. „Ich habe zwar noch immer keine Zulassung, aber dafür jede Menge brauchbarer Tricks auf Lager, um die härtesten Nüsse zu knacken. Wer sich mit Max verbündet, geht bestimmt nicht baden.“
„Dein Wort in Teufels Ohr“, stöhnt Jürgen ehrlich erleichtert. Dieser Kerl hat Einiges drauf, war er felsenfest überzeugt.
„Bist du mit Gerda befreundet?“ Jürgens Frage klingt zögerlich.
„Nicht enger als mit vielen anderen auch“, meint er lässig. „Sie hat mich ein paar Mal auf Partys begleitet. Das eine oder andere Mal sind wir auch ins Bett gehüpft. Ein richtig geiles Weibstück, sag ich dir. Wer kann einer so hübschen Biene auf Dauer schon widerstehen? Ansonsten stehen wir telefonisch in Verbindung. Du weißt schon. Eine Hand wäscht die andere. Informationen sind das halbe Leben, die zweite Hälfte sind Verbindungen. Je mehr Leute du kennst, umso eher erreichst du, was du brauchst.“
„Also lass uns keine kostbare Zeit vergeuden“, drängt er plötzlich zum Aufbruch. „Wie ich von Gerda gehört habe, steckst du ziemlich in der Scheiße und brauchst dringend einen Bagger, der dich aus dieser Gülle schaufelt. Stehe zur Verfügung, aus alter Freundschaft, versteht sich. Erfolgshonorare werden widerspruchslos angenommen.“
Eine gelungene Täuschung
Es ist drückend heiß im Sitzungssaal. Das Publikum wirkt müde, schlaff. Dunkle Anzüge, beengende Krawatten, verschwitzte Hemden. Jürgen mobilisiert all seine Energie. Er muss sein Vorhaben heute unbedingt zu einem positiven Abschluss bringen. Morgen schon könnte die Konkurrenz ihre Finger im Spiel haben. Ihm würde ein enormer Patzen Geld durch die Lappen gehen. Geld, von dem weder der Hochverehrte Schwiegerpapa noch seine Frau wussten, dass es überhaupt im Umlauf war.
Max hat die ganze Nacht durchgearbeitet, ihm am frühen Morgen eine geordnete Liste mit gefälschten Buchungen, Kaufverträgen und wunderbaren Unterschriften und Stempeln überreicht. Siegessicher tätschelt Jürgen den Ordner vor sich auf dem Pult. Die Zeit würde einfach nicht reichen, all diese Dokumente genauer zu überprüfen. Die meisten Anwesenden wollten möglichst rasch wieder zurück in ihre Firmen, um noch mehr Geld zu raffen, von dem die meisten viel mehr besaßen, als sie je ausgeben konnten. Das ist Business, lächelt er wissend vor sich hin.
Er mobilisiert all seine Kräfte, rekonstruiert die wichtigsten Sätze seines „Lehrbuches für erfolgreiche Strategien“, tritt selbstbewusst vor das versammelte Auditorium.
Eine möglichst sonore Stimme. Auf keinen Fall zu schnell sprechen, ermahnt er sich. Und das Wichtigste, beim Betreten des Raumes ein breites Lächeln aufsetzen. Die Zielobjekte identifizieren, Gegner infiltrieren, Ziel isolieren, aus der Defensive locken und - zügig vollstrecken. Einen Block in der linken, einen Stift in der rechten Hand. Tunlichst lange Vorreden vermeiden. Das hat er gestern zur Genüge getan, war saftig auf die Schnauze gefallen.
Eine kurze Begrüßung. Übergangslos beginnt er mit seinem Vortrag, zählt bündig die zu behandelnden Punkte auf. Er hat sie auswendig gelernt. Die Notizen auf dem Block sollen als Unterstützung dienen, falls ihm sein Gedächtnis einen unerwarteten Streich spielt. Heute muss er die Hörerschaft mit Kompetenz überzeugen. Dazu gehört die freie Rede. Kein Hilfe haschender Blick auf sein Gekritzel. Schwiegerpapa schafft das immer. Dieser Mann geht meist sehr sparsam mit Worten um, doch jedes einzelne trifft voll ins Schwarze. Eine Strategie, die er jetzt ebenfalls anwenden will.
Mit großer Erleichterung stellt er fest, dass es der Senior vorgezogen hat, der Verhandlung fern zu bleiben, sichtlich überzeugt, dass dieses Treffen absolut unnötig und erfolglos verlaufen würde. Alexa sitzt in der hintesten Reihe, betrachtet ihn mit einigem Wohlwollen. Diese Gunst hat er sich mit einem Sexmarathon in der vergangenen Nacht mühevoll erkauft.
Mit selbstbewusstem Tonfall vermittelt er knapp seine Vorschläge. Lange, emotionsgeladene Ausführungen könnten das so diplomatisch gesteuerte Schiff nur zum Sinken bringen, befolgt er den guten Rat von Max.
Trotz steigender Temperatur versteht er es die Zuhörer mitzureißen. Ein Talent, das ihm angeboren ist, das ihm gestern aus unerklärlichen Gründen plötzlich abhanden gekommen war – die Körpersprache, die ungeahnte Reaktionen bewirkt. Gute Haltung, gewinnendes Lächeln und dieser gewisse „ich bin okay-, du bist okay-, alles ist okay- Blick. Sehen und gesehen werden – wenn der Körper spricht, lügt er nicht. Ein Credo, das er bisweilen notgedrungen zelebriert, da seine Worte nur all zu oft mehr Lügen beinhalten, als Wahres. Die gestern noch komatösen Teilnehmer scheinen heute hellwach zu sein, folgen mit Interesse seinen Ausführungen.
Er hat gelernt jeden Muskel seines Gesichtes zu kontrollieren. Antrainiertes Selbstbewusstsein, mehrere auswendig gelernte Floskeln, ein wenig psychologisches Halbwissen. Der mimische Ausdruck ist ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg.
Freundlich drein zu schauen kostet ihm heute wirklich Mühe, nach all den Einwänden und Zweifeln, die die gestrenge Jury gestern abgelassen hat. Doch er weiß, wer freundlich drein schaut, inszeniert in sich selbst Gute Laune- Gefühle. Die braucht er unbedingt, um sein Geschäft positiv über die Bühne zu bringen. Ergo lächeln, lächeln, lächeln, bis die Mundwinkel zucken – dann lächeln auch die anderen.
Er legt Schriftsätze vor, detaillierte Berechnungen von Kosten und Nutzen, Pläne und Fotos des neuen Projektes und der freizügigen Umgebung. Es gelingt ihm tatsächlich die Angesprochenen zu überzeugen, Geld in sein lukratives Geschäft zu investieren. Erwartungsgemäße Zweifel werden zwar geäußert, die Jürgen mit haarsträubenden Erklärungen zerstreut. Je verrückter sich ein Argument anhört, umso williger findet es ein offenes Ohr. Erfahrungsgemäß weiß er um die Labilität seiner Kundschaft.
Und tatsächlich! Keiner blickt schockiert, wie am Vortag, keiner lässt Zweifel verlauten. Die Stimmung heizt sich wie von selbst an. Man beglückwünscht einander, nicht auf dieses Meeting verzichtet zu haben. Allesamt hören sie bereits die Goldmünzen in den Taschen klingeln.
Die Worte fließen Jürgen aalglatt über die Lippen und er lächelt fast ununterbrochen. Lügen, Gemeinheiten. Ränkespiele hat er in beinahe unerschöpflicher Menge auf Lager. Ein selbstgefälliges Grinsen in dem braungebrannten Gesicht, stolziert er herum wie ein balzender Pfau. Sein Selbstvertrauen grenzt an skrupellose Frechheit.