Inge Elsing-Fitzinger

Perlen vor die Säue…


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      Jetzt überrollt sie mit geradezu besessener Sturheit jedermann. Ob Freund, ob Feind. Ihr Größenwahn nimmt absurde Formen an. Unabsehbare Konsequenzen folgen. Mit Jürgen an ihrer Seite sollen alle Ränke pures Gold werden.

      Furioso pur

      Alexa sitzt vor dem riesigen Spiegel im Ankleidezimmer. Ihr Blick fällt auf ein Foto aus der Internatszeit. Madame Chantal. Diese Fistelstimme. Jahrelang hat die elegante Lehrerin versucht, ihr das Rüstzeug für eine später in Luxus lebende Frau zu vermitteln.

      „Meine Damen, vergessen sie niemals, dass sie eine Lady sind“, krächzt die Stimme aus dem Bild, wird immer eindringlicher, lässt sich nicht mehr abstellen.

      „Eine Frau von Format geht niemals ohne Hut und Handschuhe aus dem Haus. Sie stimmt Schuhe und Taschen aufeinander ab, sorgt immer für das richtige Fundament. Einst waren es Hüft- und Schulterpolster für rasante Rundungen, später Korsagen und Hüftgürtel für die perfekte Wespentaille. Sie, meine Damen, sind und bleiben immer das Statussymbol ihrer Männer.“

      Alexa wäre es nie in den Sinn gekommen Jeans zu tragen. Sie trägt immer hohe Absätze, Dekolleté allerdings erst am Abend. Brokat nie vor achtzehn Uhr. Das hat sich bei ihr durch jahrelangen Drill festgesetzt.

      „Die Gattin eines erfolgreichen Mannes muss sich bis zu sieben Mal am Tag umziehen“, hört sie Madame abermals sprechen, „dazu immer passende Accessoires. Frisur und Make-up anpassen! Nicht einmal dem Briefträges dürfen sie sich ohne Make-up zeigen.“

      „Gott sei Dank hat sich seit damals Einiges geändert“, kreischt Alexa erheitert auf. Die Liebe zum Detail hat sich in ihr dennoch krankhaft festgesetzt.

      Auch heute föhnt, toupiert und sprayt sie ihr tizianrotes Haar mit Akribie und Ausdauer. Sie braucht Stunden für sorgfältig gewähltes Make-up. Schimmernder Teint, Silberglitzer auf den Lidern, exakt gewählter Ton des Lippenstiftes zur Farbe des Kleides.

      Ihr Garderobenschrank quillt über von neusten Modellen, die sie von diversen Reisen Kofferweise nach Hause schleppt.

      Im Moment genießt sie das heilige Ritual. Die Vorbereitung zu einer Einladung ihrer zahlreichen Geschäftspartner, das sie zelebriert. Stunden- manchmal tagelang.

      Mit glänzenden Augen begutachtet sie den überquellenden Schrankinhalt. Ihr persönlicher Schatz. Handtaschen von Hermes, Cavalli, Louis Vuitton, Ferragamo – jedes Stück eine Augenweide, jedes eine neue Möglichkeit für einen gelungenen Tag.

      „Männer wählen meist zuerst die Krawatte, dann das dazu passende Outfit“, lacht sie überglücklich. „Genau so geht es mir mit Taschen. Gott sei Dank. Denn jeder Tag ist ein neuer Taschen-Tag.“ Leitfüßig dreht sie sich vor dem Spiegel, fasst gierig ins Volle.

      Jürgen stöbert im Ankleideraum verärgert nach einem sauberen Hemd.

      „Du bist ja völlig verrückt, Schatz. Lass endlich den Quatsch. Schau lieber auf die Uhr. In einer halben Stunde sollten wir abmarschbereit sein. Du bist weder geduscht, noch sonst etwas.“ Drängen liegt in seinem Tonfall.

      „Von diesen Dingen kann ich einfach niemals genug bekommen“, scheucht sie das Unverständnis ihres Mannes weg. „Ein wundervolles Gefühl aus dem Vollen zu schöpfen“.

      Was trage ich Heute? Eine Moschino-Nietenbag in trendigem Neo-Punk-Look? Kombiniert zu edler Leder-Dress, schickem Chiffonkleid. Oder ist heute eher ein Kelly-Bag-Tag, klassisch wie Hermès, zu Kostüm oder Hosenanzug? Fühle ich mich nostalgisch und trage zur bunten Dolce & Gabbana-Tasche ein romantisches Blütenbesticktes Ensemble. Ist mir heute nach Luxus pur, einer crèmefarbenen Vintage-Perlen-Tasche, in Kombination mit rubinrotem Samtblazer? Jeder Tag, jeder Abend, eine neue Herausforderung.

      „Taschen, Schuhe, Gürtel, Schmuck – davon kann eine Frau doch nie genug haben“, meint sie mit dem Brustton tiefster Überzeugung. „Du brauchst ja auch dein großes Auto, deine goldene Kreditkarte und noch einiges mehr.“ Mit einem verführerischen Lächeln dreht sie sich um, greift Jürgen gierig zwischen die Beine. Sie wäre auf der Stelle bereit gewesen mit ihm ins Bett zu hüpfen. Jürgen stößt sie prüde zurück.

      „Beeil dich lieber, wir müssen ja nicht jedes Mal zu spät kommen.“

      Richtig wütend verzieht sie den knalligen Mund: „Mit der passenden Tasche wird mein Abend erst perfekt“. Überzeugt zelebriert sie genüsslich ihr Hobby. „Schließlich ist eine Handtasche das wichtigste weibliche Accessoire, der entscheidende Gradmesser ihrer Trägerin“, plaudert sie nun mit stoischer Ruhe weiter. Sie nervt, macht Jürgen rasend vor Wut und Ungeduld.

      „Schon im Internat hat man uns stets gepredigt: eine Dame ist nur dann gut angezogen, wenn Tasche und Kleidung perfekt auf einander abgestimmt sind. Also dräng mich nicht. Hab ich erst einmal die richtige Tasche gefunden, geht alles ganz rasch, du kennst mich doch.“

      „Eben darum“, pfaucht Jürgen verärgert zurück. „Du brauchst bekanntlich Stunden für deine Maskerade. “

      „Je später der Abend, umso edler die Gäste! Lass uns nicht hetzen, Liebling. Schließlich wollen ja die Leute etwas von uns, also lass sie ruhig warten. Umso reizvoller wird es dann.“

      Geschäftsessen. Das Buhlen um Gunst. Dieses endlose Verhandeln und Feilschen. Richtig enervierend, denkt sie gereizt.

      Bei Alexa dreht sich einfach alles um die Perfektion ihrer Schönheit. Einziges Ziel, alle Anwesenden an Ausgefallenem und Teuerstem zu übertrumpfen. Mit meisterlicher Hingabe perfektioniert. Geldsorgen findet sie generell ordinär, einfach unter ihrem Niveau. Wer nicht in ihrer Gewichtsklasse mithalten kann fühlt es stets.

      Sie hat sich auf einen intim sinnlichen Abend mit Jürgen gefreut. Aufregenden Sex, das neue Lieblingsspielzeug, die Hand- und Fußfesseln. Richtig lüstern, wenn er sie brutal ruhig stellt und sie rasend vor Lust Schmerzensschreie ausstößt. Leidenschaft und Qual. Irre Geilheit.

      Er hat mit diesem unvorhergesehenen Treffen alles verpatzt. „Spielverderber“, flucht sie leise, schmeißt ein kostbares Teil unwillig über den Stuhl. Bewusst langsam schlendert sie in die Dusche. Verdammt, wozu habe ich so viel Zeit für meine Frisur verwendet, ärgert sie sich und stülpt eine Haube über die Haarpracht.

      „Es ist bereits zehn Minuten vor Acht. Ich fahre besser vor. Dein verspäteter Auftritt wird bestimmt umwerfen sein.“ Gestylt wie ein männliches Modell steht Jürgen im Türrahmen. Seine verärgerte Miene straft die netten Worte Lügen.

      „Eine Superidee, Liebling. Ich komme so rasch wie möglich nach. Dir wird schon die passende Entschuldigung für meine Verspätung einfallen“, gurgelt sie zwischen dem wohligen Wasserstrahl hervor.

      Nun steht sie abermals vor dem Schrank. Zum safranfarbenen Seidenanzug wählt sie nach endlosen Überlegungen, ein sehr freizügiges Top aus kakaobraunem Lamé. Erst vorige Woche hat sie dieses Teil in ihrer Lieblingsboutique erstanden. Kostenpunkt uninteressant. Sie bezahlt immer mit Kreditkarte, kontrolliert nie die Summe, die darauf vermerkt ist. Wozu auch. Wenn ihr etwas gefällt, nimmt sie es einfach. Wenn es später auch nur den Schrank füllt, nie getragen wird. Ihre düstere Laune wandelt sich zur süchtigen Spielernatur mit immensem Kreativitäts- Potential.

      Ihr wohlgeformter Körper fühlt sich weich und leidenschaftlich an, als sie das Top über die nackte Haut zieht. Perfekt gekleidet steht sie wenig später vor dem riesigen Garderobenspiegel.

      Tasche und Schuhe sind bestens gewählt. „Accessoires sind das kleine Extra, das unserem Aussehen ein wunderbares Gefühl von Macht gibt“ strahlt sie zufrieden ihr Spiegelbild an. Sie erobert und gewinnt. Natürlich immer.

      Eine fiese Lösung, Blamage

      Völlig echauffiert stürzt Jürgen aus dem Sitzungssaal. Nervös starrt er aus dem Fenster auf den dichten Verkehr. Alexa folgt ihm unmittelbar auf den Flur. Hektische Flecken auf dem Gesicht, stürmt sie außer Atem auf ihn los, reißt ihn aufgebracht am Ärmel