Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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Ein grimmiges Lächeln zuckte um die Mundwinkel des Alten. »Das wollte ich hören! Das ist der wahre Geist.«

       Mit unsicheren Schritten trat sie daraufhin in die Schreibstube. Ihr Blick wanderte zu der Decke hinauf, die von einer Zierleiste und geschnörkelten Ornamenten umrandet war. Funkelnde Sterne aus kristallenen Steinchen sahen auf sie hinab.

       »Celena«, rief Belothar erstaunt aus. Er richtete sich derart ungestüm auf, dass der Stuhl, auf dem er zuvor saß, umfiel.

       »Ich habe nicht vergessen, dass es ein Turnier zu gewinnen gilt«, leitete sie mit Entschlossenheit ihre Rede ein. Aufmüpfigkeit war ihr Markenzeichen. Auf Weisungen, selbst die des Vaters, hatte sie nie gehört. Hier wollte sie mit Sicherheit nicht damit beginnen. Sie hatte vor, Lutek zurückzuholen. Wer ihr helfen mochte, war herzlich eingeladen.

       Eisern starrte Celena die Gefährten nieder. »Keine Ahnung, was ihr zu Tun gedenkt«, fuhr sie fort.

       Da erschien wieder ihre auflodernde Starrsinnigkeit. Mit strafenden Blick auf die Sprecherin gerichtet, erahnte Belothar eventuelles Unheil. Er verkniff sich jeglichen Widerspruch.

       Tief sog Celena die Luft ein. »Ich … «, ein zweiter Atemzug folgte.

       »Ich werde ihn zurückholen«, gab sie ihr Vorhaben endgültig preis.

       Die einzige Reaktion war das Aufseufzen des Jungkönigs. Kurz schloss er die Lider, um sie hernach mit einem gequälten Lächeln wieder zu öffnen. »Das kommt mir allzu bekannt vor«, gab er von sich.

       Bevor Celena auszuführen vermochte, was ihr auf dem Herzen lag, legte Sebyll das Stück Pergament auf den Tisch.

       Erkenntnis brach sich Bahn, nachdem Celena las was darauf stand. Es stieß regelrecht die Pforten ihres Verstandes auf. Mehr denn je wusste sie, dass sie ihr Vorhaben durchzuführen hatte, egal was Belothar diesbezüglich für Einwände erhob. Dieser jedoch tat ihr nicht den Gefallen, dagegen zu protestieren. Im Gegenteil.

       »So sei es! Ich werde Lord Monearl bitten, einen Weg zu finden, das Turnier aufzuschieben. Eine Weiterführung der Wettkämpfe ohne meine Anwesenheit ist nicht durchführbar«, erklärte Belothar unerwarteterweise. Er blickte in die verdutzten Gesichter der kleinen Gesellschaft.

       »Ha, wenn ihr mir nicht glaubt … es steht in den Regeln geschrieben. Dort heißt es, der Regent muss zu jeder Runde seinen Segen geben«, rechtfertigte er sich. »Ohne mich können sie das Gesetz nicht ändern. Ernsthaft, ihr könnt es jederzeit in den dicken Wälzern, genannt "Gesetze Hadaimans" nachlesen.«

       Überrascht blinzelte Celena den König des Landes entgegen. »Du liest?«

       »Erstaunlich, nicht wahr? Sogar schreiben kann ich«, gab Belothar bekannt.

       »Wunderbar! Dafür kann ich etwas, was ihr nicht könnt«, brachte sich Deirdre ein. Sie strahlte regelrecht über alle vier Backen.

       »Thorgrim, ich hätte eine Aufgabe für euch. Sucht die hiesigen Zwerge auf, die hier in Thelerm leben. Ich benötige ein Metall, das sich Lithargit nennt. Ihr Celena, setzt euch mit Isande in Verbindung. Sie hat im Bauch ihrer Karavelle, was für unser Vorhaben notwendig ist. Belothar, ihr … ach kommt mit mir mit. Ich habe eine wahnsinnig gute Idee«, feixte sie, ergriff des Königs Arm und zerrte den verdattert dreinschauenden mit sich.

       Thorgrim wandte sich derweil räuspernd zu Celena um.

       »Mir kam zu Ohren … « Forschend hefteten sich seine listigen Augen auf die Kriegerin. »Euer Rotschopf hat demzufolge mit Zwillingen das Lager geteilt?«

       »Thorgrim!«, keifte Sebyll erbost. Wütend warf sie einen der metallbeschlagenen Folianten nach ihm. Schnell vermochte der Zwergenmann sich wegducken, bevor sein Kopf mit dem schweren Band Bekanntschaft machte.

       »Was soll das?«, beschwerte er sich. »Man wird doch fragen dürfen. Außerdem … ich meine, ich kann das nachvollziehen«, raunte Thorgrim. »Wenn ich an meine erste Frau zurückdenke, die meinte mit einer gleichgeschlechtlichen zu kuscheln. Wie muss es bei zwei Weibern sein, die nicht auseinanderzuhalten sind?«

       Bevor Celena darauf erwidern konnte, kam ihr die blondhaarige Gryposfrau zuvor. »Verdammt, kleiner Mann haltet endlich eure vorlaute zwergische Klappe«, knurrte sie wütend.

       Ehe sie ihren Zorn aufbauschte, nahm die Kriegerin Sebyll zur Seite.

       »Bleibt ruhig! Ich glaube, dass er sein Mitgefühl damit zum Ausdruck bringt. Es ist seine Art«, wisperte sie ihr zu.

       Letztendlich war es geraten. Sie kannte den Zwerg, der seine Gefühle hinter einem harten Kern verbarg. Ihre Vermutung entsprach mit Sicherheit der Wahrheit und darüber hinaus begriff sie, was Thorgrim damit sagen wollte: Die Leere in einen abtöten, brachte auf lange Sicht nichts. Einzig ankämpfen war die Lösung.

       * * *

      Flammen knisterten in dem Kamin des großzügig gebauten Raumes, der mit Wandteppichen geschmückt war. Der schwere Wandschmuck bewegte sich leicht im Zug des offenstehenden milchigen Kristallfensters.

       Auf einem klobigen Tisch lag all das, was in kürzester Zeit herangeschafft wurde.

       Torran, über eine Zeichnung gebeugt, kratzte sich überlegend an den Kopf. So man seine rechte Hälfte des Antlitzes betrachtete, das von Narben zerstört war, war es, schwer zu erkennen, ob er abfällig das Gesicht verzog oder grinste. Er tippte auf das Pergament vor sich. »Das wollt ihr anfertigen?«, wandte er sich an Deirdre.

       »Oh ja! Seid ihr jemals im Reich Arvelis gewesen?« Deirdre nahm den Vorrat an Lithargit in Augenschein und nickte befriedigend.

       »Dort ist es für meinen Geschmack zu warm. Warum fragt ihr?«

       »Diese Arveliser sind ein erfinderisches Volk. Der Adel bevorzugt kleine Armbrüste, die mit Kugeln statt Pfeilen abgeschossen werden. Daraufhin kam mir ein Gedanke.«

       Torran hob eine Braue. »Ihr wollt nicht etwa eines dieser fürchterlichen Dinge bauen?«

       »Ihr habt davon gehört? Nein, nicht Solche. Dass was ich meine, habe ich vor langer Zeit geschaffen.« Sie klopfte mit ihren Knöcheln auf ein Kästchen, das sie in der Hand hielt und öffnete es. Eingebettet auf Samtstoff lag ein unterarmlanges, vier fingerbreites Holzstück. Bei genauer Betrachtung war es durchgehend hohl. Die verbreiterte Spitze und das abgerundete Heft wurden durch ein blaugraues schweres Metall verstärkt.

       Mit Neugier in den Augen besah sich Belothar das unscheinbar wirkende Holzteil. »Nach meinen Kenntnissen sieht eine Armbrust anders aus«, stellte er sarkastisch fest.

       Um die Mundwinkel Deirdres zog sich ein schelmisches Lächeln.

       »Völlig richtig! Es sind keine. In Arvelis heißen die Waffen Belesstra«, versicherte sie ihm. »Dies hier … ist weitaus effektiver und … feuriger.«

       Das sprichwörtliche Licht funkte in Belothars Gedankengewölbe. »Ihr habt Feuerpulver? Jenes, dass die Nukaris bei ihren Eroberungen einzusetzen pflegten?« Skepsis breitete sich in dem mimikhaften Spiel seines Gesichtes aus. »Es wurde von solchen Donnerwaffen berichtet, die die Nukaris für ihre Überfälle benutzten.«

       »Habt ihr vor ein Tor zu sprengen, oder einen Schädel in Mus zu verwandeln? Dafür sind sie sicherlich geeignet«, wandte Torran ein. »Ansonsten sind sie zu nichts anderes nutze. Funktioniert das Ding überhaupt?«

       Weiterhin verschmitzt lächelnd, entnahm Deirdre das Handrohr der hölzernen Kiste. Mit dem Finger der linken Hand zog sie eine der Metallbügel, die jetzt erst sichtbar wurden, bis zum Anschlag zurück. Sie richtete das Rohr auf Belothar und betätigte den Abzug.

       Der Anvisierte zuckte erschrocken zusammen, da ein klackendes Schnappen erklang.

       »Seid ihr des Wahnsinns?«, fauchte er kreidebleich auf.

       Deirdres Züge entglitten ihr abrupt. »Oh, ich fürchte, ihr müsst heute auf meine Anwesenheit in euren Gemächern verzichten«, flüsterte sie verhalten.

       Verstehend was sie meinte, senkte der Jungkönig reumütig sein Haupt. »Verzeiht!«, sagte er nur.

       Kurz darauf hellte sich ihr Gesicht ebenso schnell auf, wie ihr Lächeln zuvor