Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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»Nicht so wichtig. Wichtiger ist, ihr solltet den Rest des Weges auf euer Pferd verzichten. Wir sind nahe und es wäre nicht von Vorteil, lärmend anzurauschen.«

       »Richtig! Nur ein Irrer würde ein Schöpferhaus voller gläubiger Krieger stürmen«, maulte der Hagere.

      Kapitel 2

      Grau, eisig und abweisend war das Gemäuer. Deren dunklen Luköffnungen starrten lauernd in die verschneite Nacht hinaus.

       Schöpferhäuser hatten schauderhaft Schönes an sich. Ihre Mauern waren trutzig, trotzdem strahlten sie jene innere Ruhe aus, die Muse zur Kontemplation bot. Andererseits schlossen sie nicht allein ihre Bewohner dahinter ein, sondern beschränkten auch ihr Denken bis zu diesen Gemäuern. Nichts gelangte hinein. Nichts hinaus. Es waren Kerker – Kerker des Geistes.

       Lutek hatte einst, da sie einander erst kurze Zeit kannten, zunächst behauptet, der Frieden in Girets Mauern habe ihm gefallen. Später hingegen gestand er sich ein, dass ihn das Leben dahinter gelangweilt hatte.

       »Das soll ein Schöpferhaus sein?«

       Isandes Frage war berechtigt. Celena vermutete allerdings eher, dass hier deren Krieger ausgebildet wurden. Ein flüchtiger Blick hinüber, deutete darauf hin, dass sich hier mehr als die üblichen Gebäude hinter den Mauern verbargen. Es glich einer Castrum, denn nicht viel anders wirkte das Monstrum, an dessen Mauer sie Stellung bezogen hatten.

       »Und was jetzt? Durch die Vordertür?«, erkundigte sich Isande.

       Celena sah prüfend an dem Mauerwerk hinauf. Allzu hoch war es nicht, dennoch dachte sie nicht im Traum daran, sich einfach hineinzuschleichen. Man rechnete mit ihr. Bestenfalls mit ihren anderen Weggefährten, nicht jedoch mit einer Freibeuterin und ihren Männern, welche still leidend im Schnee vor sich hin bibberten.

       Nicht weit von ihrer Position befand sich zu ihrer Überraschung eine Mauereinsparung, in der eine eisenbeschlagene Tür aufblitzte. Der Seiteneingang erweckte den Eindruck, kaum einem Ansturm mit Hilfe eines Rammbocks nachgegeben zu wollen. Zumindest mit einer Wache hätte sie gerechnet. Allerdings, wenn man sie erwartete, dann war genau das die Einladung.

       Bedacht darauf kein Geräusch zu verursachen, drehte sie sich in hockender Stellung den Begleitern zu.

       »Ich nehme diese Tür!« Celena zeigte zu der unscheinbaren Nische. »Versucht ihr euer Glück über die Mauer«, wisperte sie.

       »Einverstanden.« Isande nickte.

       »Eure Armbrust ist gefragt«, wandte die junge Freibeuterin sich an den bartlosen Zwerg neben ihr.

       Besagte Waffe war mit einem Enterhacken statt des erwarteten Bolzens bestückt. Es sah aus, als hatten die Vier mit solch einem hohen Hindernis gerechnet. Celena wunderte es nicht. Schließlich waren ihre Helfer Räuber der Meere.

       »Keinen unnötigen Aufenthalt dort drin«, zischte sie Isande zu.

       »Keine Sorge! Gebt uns einen Moment, bevor ihr loslegt.«

       Wie gefordert, wartete Celena. Mit Falten auf der Stirn begutachtete sie die Kletterpartie der Seefahrer. Erstaunlich behände gingen sie zu werke. Sogar das kleinwüchsige Wesen hatte die Brüstung der Mauer in kürzester Zeit erklommen. Soweit sie es erkennen konnte, hatten sie es geschafft.

       Jetzt kam ihr Part. Die Finger der Kriegerin wanderten zu einer Tasche, die sie zuvor am Sattel hängen hatte. Einen Lidschlag später wog sie eine schwere handtellergroße Kugel in der Handfläche. Sie schätzte die Entfernung zu dem Seitentor, visierte diesen an und warf das schwarze schwere Metall.

       »Klopf, klopf«, gab sie von sich.

       Ein dumpfer Schlag gegen Holz. Einen Herzschlag lang nichts als Stille.

       Im nächsten Augenblick barst protestierend das Portal und verstreute verkohlte Späne und glühendes Metall in die Nacht.

       Celena wartete nicht ab, ob irgendein Schöpferkrieger oder vielleicht eine Betschwester die Neugier befriedigte und nachsah. Sie stürmte durch den Schnee, wirbelte weiße Flocken mit jedem der Schritte auf und schlüpfte durch den gerissenen Krater in die heilige Feste.

       Zwei der heiligen Krieger, von der Wucht der Explosion gegen die Säulen ihres Tempels geschleudert, rappelten sich mühsam auf die Beine. Ein dritter lag am Boden und regte keinen Muskel.

       Verwirrt verharrten die beiden lebenden Saphiumgeschädigten in ihren Bewegungen. Einen Lidschlag später jedoch zog der erste sein Schwert und stürzte sich mit wütendem Aufschrei auf den Eindringling.

       Alles was Celena in diesem Moment sah, war Stahl. Nicht einmal ein Gesicht konnte sie erkennen. Es war lediglich ein anonymer Krieger, dem sie das eiserne Rohr entgegenstreckte. Sie zog an dem Abzug.

       Erst zischte es, dann fauchte das Faustrohr sein tödliches Geschoss dem Schwertschwingenden entgegen. Es erfüllte den tödlichen Befehl.

       Die daumendicke Kugel durchschlug den Brustpanzer des Angreifers, drang in den Körper und zertrümmerte Knochen. Der Getroffene taumelte. Sein behelmter Kopf neigte sich zu dem rauchenden Loch in seiner Brust. Mit einem ungläubig klingenden Ausruf brach er zusammen.

       Die Zeit, was der zweite zutun gedachte, war nicht gegeben. Celena musste sofort handeln. Sie zog aus ihrer provisorischen Schärpe ein zweites Faustrohr, zielte auf den Gesichtslosen und drückte den kleinen Hebel. Das Feuerkraut entzündete sich. Abermals gab es eine Stichflamme, dem sich ein Knall anhängte, der an den Wänden widerhallte. Ein nachfolgendes Scheppern auf Steinboden bezeugte, das sie den Mann tödlich getroffen hatte. Es würde nicht lange dauern bis …

       Schritte. Sie waren vor ihr und kamen stetig näher. Ihr Herz hämmerte wild. Wie gehetzt blickte sie sich um. Ihr blieb nur der andere Weg links daneben. Im Laufen entnahm sie eine dritte faustdicke Kugel aus der seitlich an ihrem Körper baumelnden Tasche.

       Unweit vor ihr wurden Türen aufgerissen.

       Celena zögerte nicht. Sie warf den Metallball. Der Sprengapfel rollte zwischen den Beinen einer der Gepanzerten hindurch, der neugierig hinterherblickte. Schutz suchend presste sich die Tochter des Einen gegen eine Säule. Gerade rechtzeitig. Im gleichen Moment detonierte das Wurfgeschoss. Nicht ein Schrei von Sterbenden war zu hören. Einzig Metall, das blechern die Gemäuer kerbte, drang an ihre Ohren.

       Für Gewissensbisse blieb keine Zeit. Celena stürzte aus ihrer Deckung.

       Sie wollte sich nicht an dem Resultat der Zerstörungskraft ergötzen, trotzdem gewahr sie in den Augenwinkeln die mit den Resten einstmals menschlicher Leiber beschmierten Wände.

       Im Lauf entnahm sie dem breiten Stoffband um ihrer Hüfte die letzten beiden Feuerrohre. Über zerschmettertes Mauerwerk hastend, die Hähne gespannt, rannte sie in den Korridor vor ihr hinein.

       Die Explosionen waren nicht unbemerkt geblieben. Türen wurden heftig aufgerissen.

       Das Rauschen ihres Blutes überflügelte das beharrliche Klingeln in den Ohren, welches die Nähe, der von ihr verursachten Implantion verursachte. Im vollen Lauf riss sie die Arme auf Höhe der sich zu beiden Seiten öffnenden Durchlässe. Schnappen, zischendes Kraut und wiederum spien die eisernen Rohre todbringende Kugeln.

       Männer stöhnten vor Schmerz. Laute Rufe ertönten. Celena beachtete all dies nicht. Sie ließ Deirdres Erfindungen fallen, zog ihre beiden Schwerter und machte sich darauf gefasst den wütenden Ansturm der Überlebenden gegenüberzutreten.

       Rüstungen klirrten im Laufschritt der schwer gepanzerten Krieger des angeblichen Schöpferhauses. Schwerter wurden gezogen.

       Gleich zwei warfen sich brüllend auf den weiblichen Störenfried. Ein Dritter gesellte sich dazu. Wütend hieben Celenas Klingen auf ihre Gegner ein. Sturmgleich wirbelte sie durch die Gegnerschar und zerteilte Fleisch und Knochen. Zwei von ihnen brachte sie in ihrem wilden Ansturm zu Fall. Da waren es noch zwei, denn ein Nachzügler gab sich die Ehre.

       Der vom Drachenfeuer geschmiedete Stahl glitt durch das Bein des einen, der zu Boden stürzte. Ein nachfolgend ausholender Streich und der vierte verlor seinen metallgeschützten Kopf. Celena drehte sich um. Sie erinnerte sich an den Verletzten, den sie laufunfähig