Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


Скачать книгу

linken freien Hand ein gleichschenkliges Instrument, das zwischen der Ansammlung ihrer Utensilien lag. Zielsicher warf sie es Belothar zu. »Das gilt auch für euch. Glaubt nicht, das ihr heute schlafen werdet. Ihr dürft mit Thorgrim zusammen, das gesammelte Metall schmelzen und in Form gießen.« Deirdre zwinkerte dem zähneknirschenden König zu.

       »Ach! Solltet ihr zufällig beim Metallgießen so etwas wie ein Buch heraus erkennen, dann ist es das Zeichen dafür, das ihr einiges mehr zu lernen habt.«

       Derweil sie das sagte, legte die Magierin die hölzerne Waffe zurück in die samtgepolsterte Kiste. Torran ließ es sich nicht nehmen und strich mit seinen kräftigen Fingern über das geschliffene Holz des Handrohrs. Auf der Stirn wölbten sich tiefe Furchen.

       »Zweibeiner, welcher Herkunft sie sein mögen«, raunte er. »Ihre Erfindungen sind stets todbringend.«

       * * *

      Jeamy rümpfte angewidert die Nase, während sie und Celena sich durch die Tischzeilen des überfüllten Lusthauses schoben. Das Ziel, die hinterste Ecke, in der eine braun gebrannte Frau in aufreizender Kleidung mehreren Burschen eine Lektion in Sachen Benehmen erteilte.

       Unwillkürlich fragte sich Celena, ob die Seefahrerin immerzu einen Streit anzettelte oder sogar bewusst zu Eskalationen kommen ließ.

       Auf ihren Weg zu der Leichtbekleideten trat einer der angesäuselten Gäste an die Ältere der beiden heran. Er ignorierte die gerüstete Aufmachung ihrer Gestalt. »He du Kleine«, nuschelte er zu Jeamy hin. »Wie wäre es mit einer gemeinsamen unzüchtigen Rangelei?«

       Ihre Faust krachte umgehend in sein breitgrinsendes Gesicht. Der Schlag erfolgte wuchtig. Jaulend, mit gebrochener Nase ging der Rüpel auf die Knie. Vom Schmerz tränengefüllte Augen sahen zur San-Hüterin auf.

       Bevor der Bursche ein Wort sagen konnte, zog Jeamy unmissverständlich ihr Schwert. Sofort rappelte sich der Widerling auf und suchte das Weite.

       Währenddessen hatte Isande ihren Unterricht beendet.

       »Sieh an, sieh an! Wen haben wir denn da?«, lächelte sie Celena entgegen. »Und … was ist diesmal euer Begehren?«

       Weshalb sie die auf der Lagerstatt sowohl im Kampf stürmische Marodeurin aufsuchte, fiel Celena momentan schwer, dies in Worte zu fassen. Kurz schwieg sie daher.

       »Ihr habt etwas, das wir gebrauchen könnten«, gab sie nach einer Weile bekannt.

       »Ah, ihr wollt etwas von mir. Gut! Dann zum Geschäftlichen ...«, schnitt Isande ihr das Wort ab. »Was bietet ihr mir? Die Aussicht auf eine weitere Nacht? Oder besser zwei Nächte. Wo ist eigentlich euer Geliebter?«

       »Um ihn geht es«, mischte sich Jeamy ein. Sie sah es Celena an, das es ihr schwerfiel, die düstere Wahrheit auszusprechen. Ihre Miene verriet, dass sie keine Übereinkünfte diesbezüglich akzeptierte.

       »Wenn das so ist«, ruderte Isande augenblicklich zurück, »sagen wir, ihr schuldet mir etwas.« Unmittelbar zog die Seefahrerin einen kleinen Dolch aus ihren Ärmel. Mit einem Schnitt ritzte sich ihre Handfläche an. Blitzschnell ergriff sie, ohne eine Zusage abzuwarten, die Hand Celenas. Mit festen Griff hielt Isande diese fest, während die Klinge brennend in deren Handballen einschnitt. Jeamys Augen weiteten sich vor Entsetzen.

       Keinen Lidschlag später schlug Isande ein.

       »Somit ist der Pakt mit Blut besiegelt«, verkündete die Freibeuterin.

       * * *

      Die mit Moos verwachsen Gemäuer waren weniger feucht als die Katakomben von Ithnamenas Schwarzfeste. Flackernde Fackeln spendeten zu dem Licht auch ein bisschen Wärme.

       Celena blinzelte und besah sich das Ergebnis ihrer Übung. Sieben Schritt entfernt in ihrem Ziel, einen auf einem Pfosten aufgebockter stählerner Harnisch, klaffte ein kreisrunder, daumendicker Krater.

       Ihre Hand juckte. Sie legte das Handrohr beiseite, um die Innenfläche zu begutachten. Isandes Schnitt verheilte langsamer. Die Abwesenheit des Geliebten schwächte den Heilungsprozess. Zudem kam ihr die Frage in den Sinn, warum man einen Pakt mangels Pergament und Schreibfeder stets mit Blut zu besiegeln gezwungen war. Dies war innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Male geschehen. Ob sie es einhalten konnte, vermochte sie nicht sagen. Daher war ihr seltsam zumute, als kurz zuvor Jolana Korden sie um ein Gespräch unter vier Augen gebeten hatte. Bisher hatte sie dazu keinen Drang verspürt. Zuviel war passiert, als dass sie sich mit dem Anliegen der Korden zu beschäftigen genötigt sah.

       »Ihr dürft die Augen nicht verschließen«, hörte sie Deirdres Worte zwischen ihren Gedanken heraus.

       »Ich werde es mir merken«, murrte Celena, die sich an den Rauch und den Feuerblitz nicht gewöhnen wollte. »Ich bin ...«

       »Beeindruckt? Ich muss zugeben, mit der Stoßkraft musste ich etwas experimentieren«, sagte die Zauberin stolz. »Hier, meine kleinen Freunde gaben mir die nötige Inspiration.«

       Deirdre hielt eine der kleinen Kügelchen hoch und legte diese zu den handtellergroßen Geschossen, die ihnen im Kampf gegen die Derkoys gute Dienste geleistet hatten. »Magie in Verbindung von Elementen. Zu welche Wunder diese gemeinsam fähig sind.«

       »Gefährlich ist es nicht?«, erkundigte sich Belothar räuspernd, dessen Kopf vorsichtig um eine Ecke lugte.

       »Im Augenblick, ja«, entgegnet die Magierin amüsiert. »Celena lässt sich ohnehin mit dem laden viel Zeit.«

       Der Wink mit dem Zaunpfahl setzte Celena kaum zu. Das hier waren keine Pfeile, die man an die Sehne eines Bogens anlegte. Diese Dinger mussten mit sogenannten Ladestöckchen, die ihr zugegebenermaßen des Öfteren entglitten, schussbereit hergerichtet werden. Eindeutig mühsamer, auch wenn solch ein Handrohr zweifellos einen Reiz besaß. Schwerter zog Celena vor allen anderen Waffen vor. Die Klingen lagen unverbindlich in der Hand und waren sofort bereit. Gegenteilig suchte man fluchend nach einem Pfeil oder Bolzen in einem leergeschossenen Köcher von den gegossenen Kugeln abgesehen.

       »Du wolltest etwas sagen?«, fragte die Kriegerin ihren göttlichen Bruder, der es endlich gewagt hatte, seinen Körper aus der Ecke herauszuschälen. Indes versuchte sie mit dem Ladestock ihre eigene Zeit zu unterbieten.

       »Wir haben herausfinden können, wo sich Malaine aufhält. Sie weilt während des gesamten Turniers in einem der Schöpferhäuser außerhalb Thelerms.«

       Belothars Worte brachten Celena aus ihrer Konzentration heraus. Sie scheiterte kläglich daran, das Handrohr gewissenhaft und schnell zu laden. Stirnrunzelnd ließ sie davon ab.

       »Schöpferhaus?« Begeisterung hörte sich anders an. Sich mit den Religiösen anzulegen gefiel ihr ganz und gar nicht. Dennoch hatte die Neuigkeit an ihrem Entschluss nichts geändert. »Ich werde hingehen!«

       »Oh ja! Sicherlich! Ihr spaziert dort hin und fragt die Ehrwürdige, ob sie zufällig ein weibliches Pärchen, von Beruf Spione, beherbergt. Sie wird lächelnd nicken und uns freudig mit Wein empfangen«, brummte Belothar.

       Leicht entnervt warf Celena ihm einen missfälligen Blick zu. »Wer hat von "Uns" gesprochen? Ich sagte, ich gehe!«

       »Alleine?«, fragte entsetzt ihr Gegenüber.

       »Sie hat Recht. Ihr als König dürft euch dort nicht sehen lassen. Ebenso die San-Hüter«, gab Jeamy von sich, die grübelnd abseits stand.

       »Ihr wollt kneifen?«

       »Wir reden von einem Überfall auf ein Glaubenshaus. Was glaubt ihr, würde passieren, wenn ihr oder der Orden bei ihnen auftauchen?«

       »Ach! Erscheint Celena alleine, ist es nichts anderes«, widersprach Belothar.

       Nickend studierte Jeamy eingehend den König. »Celena wird nicht ewig in Hadaiman bleiben können. Das ist euch bereits seit längerer Zeit klar.« Sie schritt auf Belothar zu. »Ihr hingegen habt ein Land zu regieren und ich ... ihr könnt euch denken, was mit unsereins geschieht.«

       Die alte Hüterin schwieg kurz. »Da gibt es noch etwas! Ihr solltet eines über Malaine wissen: Sie ist kein Mensch. Nicht wie ihr denkt.«

       »Einen Moment …«, hub Celena