Andreas Preiß

Tod am Fließ - Zaplinski ermittelt


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hält uns nur auf. Das könnte ein Tatort sein, da gehen wir jetzt rein“, gab Zaplinski zurück. Manchmal war Kolbow so ein Schisser.

      Das Tor war verschlossen. Zaplinski drehte rechts daneben an der kleineren Eingangstür am Knauf. Auch zu. Es gab allerdings eine Gegensprechanlage mit einer Messingklingel und der Beamte drückte den Knopf. Keine Reaktion. Zaplinski drückte noch einmal, wieder regte sich nichts.

      Kolbow spähte durch die Zaunstäbe. „Da hinten ist jemand, Zappa.“ Er zeigte seitlich auf das Haus und Zaplinski rief: „Hallo, Sie, hier ist die Kripo. Können Sie bitte mal kommen und das Tor öffnen?“

      Eine ältere kleine Frau hatte gerade etwas in den Müllcontainer geworfen und drehte sich um.

      „Kommen Sie mal!“, rief Zaplinski und winkte die Frau zu sich heran.

      Die zögerte erst, kam dann zum Tor vor, blieb aber auf Abstand. Sie sah asiatisch aus. Trug einen merkwürdig bunten Kittel, gelbe Gummihandschuhe und hatte einen ebenso gelben Wischlappen in der Hand. Sie musterte die beiden Ermittler misstrauisch durch den Zaun.

      „Heute geschlossen“, sagte sie.

      „Wir wollen nicht in den Club“, erwiderte Zaplinski.

      Die Frau, sicher gut über die Sechzig, sah ihn verständnislos an. Auf ihrer Stirn schien zu stehen: „Und was wollen Sie dann hier?“

      „Kripo, Mordkommission, mein Name ist Zaplinski. Das ist mein Kollege Kolbow. Und wer sind Sie?“

      „Dao. Ich putze.“

      „Nur gut, dass sie das dazu gesagt hat“, dachte Zaplinski und grinste in sich hinein, wunderte sich aber darüber, dass sie zu dieser späten Uhrzeit noch zugange war. „Frau Dao. Hier wohnt doch Enrico Pape. Wir müssten mal in seine Wohnung“, erklärte er.

      Dao sah sie unsicher an. „Mister Rico nicht da.“ Es klang ein bisschen wie „Mistel Lico“.

      „Ja, das ist uns klar. Enrico Pape ist tot. Deswegen sind wir hier. Verstehen Sie, Frau Dao?“, erklärte Zaplinski ungeduldig.

      „Mister Rico … tot?“, fragte sie ungläubig.

      Zaplinski verdrehte die Augen, das hier dauerte ihm alles schon wieder zu lange. Zu blöd, dass Pape keinerlei Schlüssel dabeigehabt hatte, das hätte einiges vereinfacht. Nicht zu ändern. Er straffte sich, zückte seinen Dienstausweis und deutete damit auf die Tür. „Machen Sie jetzt auf. Wir sind die Polizei.“

      Die verschüchterte Frau Dao zog ein kleines Mobiltelefon aus der Kitteltasche. „Chef anrufen, okay?“

      Zaplinski nickte, obwohl ihm das eigentlich nicht passte. „Na gut, machen Sie.“

      Dao wählte und erreichte ihren Gesprächspartner sofort. Sie sagte etwas in einer fremden Sprache, nickte unterwürfig, als würde die Person am anderen Ende der Leitung direkt vor ihr stehen und Respekt einfordern. Schließlich streckte sie das Telefon Zaplinski entgegen. „Bitte mit Chef sprechen.“

      Er nahm ihr das Gerät ab. Es sah antiquiert aus, hatte eine feste Tastatur und nur ein kleines Display. Zaplinski fühlte sich um mindestens zehn Jahre zurückversetzt. So etwas in der Art hatte er selbst einmal besessen.

      „Zaplinski am Apparat, Mordkommission Nord, mit wem spreche ich?“

      Die Antwort überraschte ihn. „Wongwanit? Chakrapop Wongwanit?“, fragte er nach. Nein, er hatte sich nicht verhört. Und ja, er kannte diesen Namen, von früher.

      Zaplinski setzte dem Mann am anderen Ende der Leitung auseinander, was er wollte. Nein, er könne nicht bis morgen warten, das müsste jetzt sofort sein. Zaplinski blieb stur. Ansonsten verschafften sie sich eben selber Zutritt. Nach einigem Hin und Her reichte er das Handy an Frau Dao zurück.

      Er wandte sich mit leicht triumphierendem Gesichtsausdruck Kolbow zu: „Na, geht doch. Er hat aber ziemlich rumgezickt. Pape war sein Mitarbeiter, sagt er. Seine Wohnung ist in einem Nebengebäude.“

      Er zeigte auf Dao, die noch telefonierte. „Ihm gehört das Ganze hier und er kommt her. Sie soll uns zu Pape reinlassen. Aber wehe, wenn wir seine Räume betreten.“ Den letzten Satz zog er mit theatralisch ängstlicher Miene ins Lächerliche.

      Dao hatte ihr Gespräch beendet und steckte das Handy wieder zurück in die Kitteltasche. Dann zog sie ein Schlüsselbund aus der anderen Tasche und schloss die Tür auf. Kolbow und Zaplinski folgten ihr zum hinteren Grundstücksteil.

      „Mit wem hast du da gesprochen?“, wollte Kolbow wissen.

      „Er heißt Wongwanit. Chakrapop Wongwanit. Ich kenne den.“

      „Chakra … wie?“, fragte Kolbow.

      Zaplinski hatte keine Lust, das zu buchstabieren. Er hatte damals auch ein paar Tage benötigt, um den Namen aussprechen zu können.

      „Nenn’ ihn einfach Chang, das ist sein Spitzname.“

      „Chang? Wie dieses Bier mit dem Elefantenlogo? Und du kennst ihn?“

      „Wie das Bier, genau“, bestätigte Zaplinski. „Wir haben vor Jahren mal intensiv gegen ihn ermittelt. Ein Bordilliero, der auch kräftig mit Drogen gehandelt hat. Ich war damals bei einer Ermittlungsgruppe. Wir hatten ihn fast, aber er ist uns vom Haken gegangen. War ein ziemlicher Reinfall seinerzeit.“

      EG Dragon

      Im Sommer, zehn Jahre zuvor: Zaplinski sitzt an dem U-förmigen Konferenztisch im Besprechungsraum. Er sieht in eine Handvoll unbekannter Gesichter, die offenbar ebenso gespannt sind wie er, was da auf sie zukommen wird. Sein Chef hat ihm nichts Genaueres gesagt. Nur irgendetwas von „große Sache“ und „vertraulich“ geschwafelt, als er ihm mitgeteilt hat, er, Zaplinski, sei ab sofort zu einer speziellen Ermittlungsgruppe versetzt.

      Die Tür wird geöffnet und zu seiner freudigen Überraschung kennt Zaplinski den Mann, der da mit einem Stoß Papiere und einem Laptop unter dem Arm hereinkommt. Benno Lehmann.

      Kriminalhauptkommissar Lehmann schaut in die kleine Runde, die da versammelt ist. Bei Dieter Zaplinski bleibt sein Blick kurz hängen und er nickt ihm zu. Sie haben beim Kripo-Dauerdienst im Wedding einige Zeit ein Team gebildet. Lehmann, der etwas jüngere aber schon erfahrenere Kriminalpolizist mit der Fachhochschulausbildung und Zaplinski, der frischgebackene Queraufsteiger von der Schutzpolizei. Zaplinski freut sich. Schön, dass er mit Lemmy wieder mal zusammenarbeiten wird.

      „Guten Morgen und herzlich willkommen bei der Ermittlungsgruppe Dragon“, sagt Lehmann. Seine neuen Mitarbeiter erwidern den Gruß mit einem allgemeinen Gemurmel. Er schaltet den Beamer an und stöpselt den Laptop ein. An der Projektionswand poppt das Logo der Berliner Polizei auf.

      Lehmann klickt und das Foto eines erstaunlich großen und stämmigen Asiaten erscheint.

      „Unsere Zielperson ist … Chakrapop Wongwanit, genannt Chang“, beginnt er seinen Vortrag. „Ein ehemaliger Thaiboxer, Kampfname Red Dragon. Daher auch EG Dragon. Er hat sich durch eine Scheinehe seinen Aufenthalt hier erschlichen.“

      Ein entrüstetes Raunen erhebt sich in der Runde.

      „Was leider nicht nachzuweisen war“, ergänzt Lehmann daraufhin. „Chang betreibt hier mehrere als Massagesalons getarnte Bordelle und ein Import-Geschäft mit allem möglichen Zeug aus Asien. Lebensmittel, Möbel, Krimskrams“, fährt er fort.

      Jede Einzelinformation ergänzt er mit Folien, die Fotos und Lagepläne enthalten. „Konkret geht es hier um Menschenhandel, Prostitution, sogar mit Kindern, aber vor allem um Drogen.“ Er legt eine Pause ein, sieht bedeutungsvoll in die Runde. „Im großen Stil. Chang stammt aus dem Goldenen Dreieck.“

      Er muss das hier niemandem weiter ausführen. Die Gegend, wo Myanmar, Thailand und Laos auf der Landkarte optisch diese geometrische Figur bilden, kennen alle zur Genüge als Epizentrum der Drogenproduktion.

      „Alles wird umgeschlagen über seinen Importhandel. Schmuggelmöglichkeiten ohne Ende. Bisher konnte ihm keiner am Zeug flicken, aber durch einen glücklichen Zufall könnte