Andreas Preiß

Tod am Fließ - Zaplinski ermittelt


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der Straße.“ Er fuhr mit dem Finger ein kleines Stück über den Plan. „Und hier ist die hintere Grundstücksgrenze, direkt am Wanderweg. Es ist eher ein Anwesen, bei der Größe. Also, Enrico Pape ist quasi an seiner Hintertür überfallen worden.“

      Zaplinski überlegte kurz. „Da war doch ein Türchen in dem Zaun am Weg. Das könnte doch tatsächlich ein Hintereingang sein.“ Er sah wieder auf die Karte. „Na klar, schaut mal. Wenn man die Straße Richtung Mühle nimmt, dann ist das viel weiter. Unser Freund hat scheinbar eine Abkürzung benutzt. Der war nicht zum Nordic Walking da.“

      Magga hatte bereits etwas in ihr Handy getippt und meldete sich jetzt zu Wort. „Früher war das die Revierförsterei. Heute ist da ein Bordell drin. Villa Molino.“

      „Danke, Magga“, sagte Zaplinski, der von der schnellen Zuarbeit überrascht war. Die Kommissarin machte sich gut, freute er sich. Und sie war nicht so anstrengend wie Vera manchmal.

      Vera hob erstaunt die Augenbrauen und machte sich wohl in Gedanken einen Knoten ins Taschentuch. Dass Zaplinski ein „Danke“ rausrutschte war keine Alltäglichkeit.

      „Bordell. Habt ihr eigentlich eine Ahnung, wo das Wort herkommt?“, platzte Kolbow dazwischen.

      Sein Gesicht drückte klar aus, dass er davon ausging, wieder mal der Einzige zu sein, der mit diesem Wissen aufwarten konnte.

      „Na logo, das hat so ’nen Bart …“, antwortete Zaplinski und winkte gelangweilt ab.

      Kolbow machte ein enttäuschtes Gesicht.

      Zaplinski feixte. Reingelegt. „Nee keine Ahnung. Na los Herr Oberlehrer, lass uns an deinem Herrschaftswissen teilhaben, bevor du platzst.“

      Vera war anzusehen, dass ihr Interesse an einem neuerlichen Vortrag aus dem unsäglichen Kollexikon gegen Null ging.

      Kolbow bemerkte es zwar, konnte aber nicht widerstehen. Wie immer. „Das kommt aus dem Französischen. Von „bordel“ und das bedeutet auf Deutsch Bretterhütte.“

      „Ach so, dann verstehe ich jetzt auch, wo der Spruch mit Holz vor der Hütte herkommt“, ließ Zaplinski grinsend seiner Männerphantasie freien Lauf.

      „Können wir jetzt unseren Fokus mal wieder auf die Arbeit richten?“, forderte Vera mit genervtem Gesichtsausdruck. Dass diese Männersprüche und das Gelaber ihr gehörig auf den Geist gingen, war überdeutlich zu sehen.

      Zaplinski rollte mit den Augen. Was hatte die denn wieder für eine Laune? Er seufzte.

      Objektiv gesehen hatte sie ja recht, zugegeben. Vieles von dem, was Kolle da so von sich gab, fiel tatsächlich in die Kategorie „unnützes Wissen, druff jeschissen“ und hielt nur den Betrieb auf.

      Aber subjektiv gesehen, war es manchmal eben auch ganz witzig.

      Eiszeit

      Kolbow war gerade im Begriff, weitere Informationen über Pape zu verkünden, als die Tür vom „Saal“ aufgerissen wurde.

      Ein schlanker, herrisch wirkender Anzugträger um die fünfzig betrat mit schnellen Schritten das Büro. Kriminaldirektor Jochen Eichner, Typ Schönling, dunkle Haare, gegelt und streng gescheitelt. Zaplinski und seine Kollegen sahen ihn konsterniert an. Alle dachten offenbar das Gleiche, was Zaplinski bei dem Anblick durch den Kopf schoss: Was zum Teufel, machte der an einem späten Sonntagabend im Dienst?

      Eichner stellte mit schnellem Blick fest, dass keine adäquate Sitzgelegenheit für ihn vorhanden war. Er lehnte sich daraufhin mit dem Rücken gegen den Fenstersims neben Kolbows Schreibtisch. Eine Begrüßung hielt er anscheinend für unnötig. Er machte eine auffordernde Geste und verschränkte dann die Arme vor der Brust.

      „Lassen Sie sich nicht stören, Herr Kolbow“, sagte der Leiter der Kriminaldirektion Nord, zu der auch Zaplinskis Wittenauer Truppe gehörte.

      Kolbow überwand seine Überraschung wegen des unerwarteten Besuchs, nickte und wandte sich dem Vorgesetzten zu.

      „Okay, also für Sie kurz zur Info, Herr Eichner: Wir haben eben erfahren, wer der Tote ist.“ Er setzte den Kriminaldirektor mit wenigen Worten ins Bild und fuhr dann fort: „Laut Kriminalakte hat er einen Bruder namens Maik, der uns schon als Mittäter bekannt ist. Ansonsten wissen wir noch nicht mehr über ihn, ob es eine Frau oder Freundin gibt, Arbeitsstelle, Umfeld etc., alles noch unbekannt.“

      „Also bisher keine heiße Spur, richtig Zappa?“, stellte Eichner mit einem strengen Blick auf Zaplinski überflüssigerweise fest.

      „Dann legt mal einen Zacken zu. Ich will Ergebnisse sehen.“ Er blickte demonstrativ auf seine Uhr und wandte sich zum Gehen. Zaplinski ächzte und atmete tief ein. Er hätte kotzen können. Dieser Blender ließ doch keine Gelegenheit aus, den Leuten sein 25.000-Euro Chronometer von Breguet mit dem sichtbaren Uhrwerk unter die Nase zu reiben.

      Eichner steuerte indes bereits auf die Tür zu. „Und du…“, er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Zaplinski. „Du hältst mich auf dem Laufenden, klar? Morgen früh habe ich einen Zwischenbericht auf dem Schreibtisch.“ Er wartete die Antwort nicht ab und verließ das Büro, die Tür hinter sich schwungvoll zuschlagend.

      Zaplinski spürte förmlich, wie es im Raum ein paar Grad wärmer wurde. Den Gesichtern seiner Mitarbeiter zufolge ging es denen genauso.

      Eichner, den Korinthenkacker und Paragrafenreiter als unbeliebt zu bezeichnen, wäre eine charmante Untertreibung gewesen. Sein unpersönlicher und kalter Führungsstil nach der Methode „Nicht getadelt ist genug gelobt“ war einfach unerträglich.

      Zaplinski ärgerte sich noch immer, dass er diesem arroganten Fatzke vor Urzeiten nach einigen Bieren in einer schwachen Stunde das du angeboten hatte. Damit war er jetzt vorsichtiger, von daher siezte er Magga auch noch. Die Krönung aber war, dass Eichner ihn so ekelhaft vertraulich ständig mit seinem Spitznamen ansprach. Zappa, berlinerisch für Zapfer. Weil Zaplinski ab und an mal bei Moni hinter dem Tresen aushalf, nicht wegen Frank Zappa. Magga hatte er das auch erst einmal erklären müssen.

      „Was war das denn gerade?“, fragte Vera.

      Zaplinski zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht, was den geritten hat, dass der hier am Wochenende abends auftaucht.“

      Zaplinski verdrängte Eichner aus seinen Gedanken und ging wieder zum Stadtplan. „Tatort und Fundort geben ja scheinbar nichts her. Dann kümmern wir uns erst einmal um die Wohnung von Pape. Kolle, da fahren wir beide hin. Und ihr Mädels, macht den Bruder ausfindig.“

      Vera verzog bei der Anrede das Gesicht. „Mädels? Welche Mädels meinst du? Ich sehe hier nur zwei erwachsene Frauen.“

      Zaplinski seufzte. Vera versuchte dermaßen beharrlich, ihn zu erziehen. Die Frau nervte. Kampflos wollte er sich aber nicht ergeben.

      „Sind wir heute wieder etwas empfindlich. Frau Oberkommissarin? Ich versuch’ s nochmal: Darf ich Sie bitten, unter Einbindung der geschätzten Frau Kollegin Małgorzata Czerny, Ermittlungen hinsichtlich des Bruders des Verblichenen in Erwägung zu ziehen? So besser?“, fragte er grinsend.

      Vera fand das bei Weitem nicht so lustig. „Zaplinski, du bist manchmal ein richtiger Arsch“, gab sie barsch zurück.

      Der grinste nur weiter und nahm seinen Anorak vom Garderobenständer. Bernhard Kolbow folgte ihm. Ein bisschen sahen sie aus wie Pat und Patachon, der lange spillerige Kolbow und sein fast einen Kopf kleinerer rundlicher Chef.

      In Veras Kopfkino allerdings liefen in diesem Moment gerade Bilder von Dick und Doof ab, denen gleich wieder irgendein dämliches Missgeschick passieren würde.

      Villa Molino

      Kolbow und Zaplinski stiegen am Ende des Försterwegs aus dem Dienstfahrzeug. Die Straße führte unweit der ehemaligen Mühle in den Tegeler Forst hinein. Es war eine etwa dreihundert Meter lange Sackgasse und die Hausnummer eins tatsächlich eher ein Anwesen. Beleuchtet wie das Charlottenburger Schloss. Eine Art Herrenhaus mit Freitreppe und einem großzügigen Parkgelände war hinter der hohen schmiedeeisernen doppelflügeligen Toreinfahrt