Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


Скачать книгу

ihr, ich hätte das getan, wenn ich Gallan nicht vertrauen würde,« fragte Belgan mit donnernder Stimme.

      Er drehte sich mit erhobenen Armen um die eigene Achse, damit ihn jeder in der Halle sehen konnte. Seine dünnen Arme ragten wie zwei verdorrte Äste aus den Ärmeln seines Umhangs, deren rechte Hand seinen Stab in die Höhe hielt.

      »Ruhe ich bin noch nicht am Ende meiner Rede,« rief Belgan dem aufgeregten Gemurmel entgegen, das schlagartig einsetzte. »Meine Visionen zeigten mir den Weg, den dieser junge Mann zu gehen hat. Dieser Weg ist eng mit dem Schicksal des Stammes und den Bewohnern dieses Landes verwoben. Ihr solltet ihn anhören, was er über die Krieger zu berichten hat, die uns bedrohen und ihm nicht mit Misstrauen begegnen.«

      Belgan machte eine Handbewegung die Gallan aufforderte in die Manege zu treten, um zu seinem Stamm zu sprechen. Verwundert sah Gallan zuerst seinen Vater dann Belgan an, folgte aber der Aufforderung und begab sich in die Arena. Sein Pulsschlag raste und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren übertönte für kurze Zeit das Stimmengewirr der Anwesenden. Stockend begann Gallan, zu sprechen. Er wusste nicht, wie er beginnen sollte und so überließ er es seiner Intuition.

      »Die Zentaren sind ein wildes kriegerisches Volk, das den Befehlen des Barons blindlings folgt, um den Sohn ihres Anführers Kashim nicht in Gefahr zu bringen. Kashims Sohn wird von Kisho als Unterpfand gefangen gehalten, damit sein Vater dem Baron gehorcht.«

      Je länger Gallan sprach umso sicherer und eindringlicher wurde seine Stimme, die nun klar unter der Kuppel erschallte. »Die Wurrler, obwohl von geringer Größe sind nicht minder gefährlich. Ihre Ausdauer und ihre schon fast tierische Treue zu Kisho kann nur ihr Tod stoppen. Sie kämpfen ohne Rücksicht auf das eigene Leben, was den Wurrlern den Ruf der Gnadenlosen einbrachte.«

      Gallan unterbrach seine Rede, um seine Worte auf die Anwesenden einwirken zu lassen. Da erhob sich Lewaneo, einer der vier Anführer des Stammes und trat zu Gallan in die Arena.

      Lewaneo ein alter weiser und in vielen Kämpfen bewährtes Ratsmitglied hob die Hand zum Zeichen, dass er sprechen wolle. Sogleich trat wieder Ruhe in die Halle ein und Lewaneo fasste in der ihm eigenen schleppenden Sprechweise seine Besorgnis in Worte.

      »Wie viele von den Kriegern, von denen du berichtest, werden kommen und welche Möglichkeiten bleiben uns sich ihrer zu erwehren. Wir können nicht einfach Ituma verlassen und vor ihnen flüchten, also was schlägst du vor Gallan, der du behauptest, die Krieger zu kennen?«

      Gallan hörte die besorgten von Angst um das Wohl seines Volkes gesprochenen Worte Lewaneos und erkannte plötzlich den Sinn von Belgans Worten, die von seinem Weg sprachen. Er Gallan würde sein ganzes Wissen einsetzten, um zu verhindern, dass sein Volk unterworfen und ausgelöscht wurde.

      Als Gallan antwortete, herrschten bedrücktes Schweigen und absolute Stille in der Halle und selbst die Zwischenrufer, die ihn des Verrats bezichtigten schwiegen.

      »Sie werden glauben leichtes Spiel zu haben, da sie bis jetzt anscheinend auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen sind. Der Rat sollte Boten zu den anderen Stämmen schicken, um sie vor der nahenden Gefahr zu warnen,« schlug Gallan dem Rat vor. Dabei sah er erwartungsvoll zu den anderen Führern, die ihre Köpfe zusammengesteckt hatten und sich berieten.

      Lewaneo blickte zu den anderen Räten, um ihre Reaktion auf Gallans Worte abzuwarten. Nun erhob sich Garan von seinem Platz und begab sich an die Seite seines Sohnes.

      Er hob die Hand, um zu sprechen, doch er wurde von Sangao einem alten Querulanten davon abgehalten, gerade als er seinen Mund öffnen wollte. Gallan konnte sich erinnern, dass Sangao keinen guten Ruf besaß, stellte er doch alles infrage, um sich bei seinen Anhängern als oberster Rat aufzuspielen. Nur zu gerne hätte er Sertan gestürzt und seine Stelle eingenommen.

      »Das ist alles Gewäsch, ich vertraue Gallan nicht,« schrie er hitzköpfig dazwischen. »Das Volk der Nayati war immer Gefahren ausgesetzt und es ist mit Feinden fertig geworden, die ihm zahlenmäßig überlegen waren. Weshalb auch nicht dieses Mal? Ich bin gegen Gallan und seine Vorschläge, ich möchte sie nicht einmal hören. Der Rat kann selbst beraten, wie wir mit den Angreifern fertig werden und sie besiegen.« Sangao sah sich mit fanatisch glänzenden Augen in der Halle um, dabei hob er die Arme und schwenkte sie herausfordernd.

      Die angespannte Stille in der Halle wich augenblicklich tumultartigem Lärm, in dem jeder gegen jeden redete und sich die Stimmung zu überschlagen drohte. Hitzige Wortgefechte der Parteien, welche verschiedene Meinungen vertraten, drohten in Handgreiflichkeiten auszuarten. Belgan erhob sich von Neuem und schrie mit wutentbrannter Stimme, die sogar den Lärm übertönte. Selbst Gallan wunderte sich, woher der Schamane die Energie bezog, die ihm dies ermöglichte. Augenblicklich trat wieder Stille in der Halle ein.

      »Seid ihr denn von Sinnen. Der Feind steht vor unserer Tür und ihr habt nichts anderes zu tun als euch zu streiten,« sprach er dann mit vorwurfsvoller Stimme weiter. »Vergesst, dass Gallan für Kisho arbeitete und erinnert euch daran, wen ihr vor euch habt. Einen Sohn des Volkes, der mit seinem Wissen dazu beitragen kann, den Überfall abzuwenden. Stimmt endlich ab ob ihr Gallans Vorschläge anhören wollt.«

      Betreten sahen die Räte sich an, nur Sangao versuchte, die Stimmung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Voller Verachtung rief er den Räten auf ihren Sitzen zu.

      »Entscheidet euch und handelt im Sinne des Stammes, wie es von euch verlangt wird, und hört nicht auf Gallan.«

      Lewaneo, der bei Garan und Sangao in der Arena stand, hob seine Hand und sagte so laut, dass es jeder der Anwesenden hören konnte. »Ich schließe mich dem Rat des Schamanen an und gedenke Gallans Empfehlungen anzuhören. Es kann nur von Vorteil sein jemand in unseren Reihen zu haben, der den Gegner kennt.«

      Ein unterdrücktes Zischen kam über Sangaos Lippen, aus dem Gallan ganz deutlich das Wort „Verräter“ hörte und Lewanao galt. Lauter und mit sich fast überschlagender Stimme schrie Sangao in die Menge der Versammelten.

      »Ich stimme dagegen, weil ich Gallan nicht vertrau, er könnte uns im Auftrag seines Herrn gegeneinander ausspielen.«

      Erneut brandeten zustimmende Zurufe und Argumente der Partei Sangaos auf, welchen von der Seite die Gallan vertraute heftig widersprochen wurden. Belgan erhob sich abermals von seinem Sitz und begann mit eindringlicher Stimme zu sprechen.

      »Gallan ist ein Sohn der Nayati, auch wenn er in den Diensten des Barons stand, vertraue ich ihm. Ich habe seinen Entschluss von damals nie für gut befunden, aber er musste diesen Weg gehen, um heute den Nayati zu helfen. Wer gegen Gallan stimmt, der stimmt gegen sein Volk, bedenkt das. In meinen Visionen sah ich die Horden Kishos die näher kommen und es ist nicht die Zeit dafür Streitereien auszutragen. Stimmt endlich ab, damit wir gerüstet sind, wenn der Feind auftaucht.«

      Garan trat neben seinen Sohn und hob die Hand zum Zeichen, seiner Zustimmung für die Worte des Schamanen. »Belgan hat recht, Kisho hat gewonnen, sobald wir uns uneinig sind. Er wird diesen Umstand gnadenlos ausnützen, daher bin ich dafür Gallans Wissen zu nutzen.«

      Lewaneo nickte und erhob ebenfalls seine Hand.

      »Ich schließe mich den Worten Garans an,« was ihm ein weiteres Mal eine abfällige Bemerkung von Sangao einbrachte. Nun war Sertan an der Reihe seine Stimme abzugeben, und obwohl er noch zögerte, war sich Garan sicher, dass er für Gallan stimmte. Bei Sangao löste Sertans Zögern einen letzten Hoffnungsfunken aus, der aber wie eine reife Frucht zerplatzte, als Sertan zustimmend bekannt gab.

      »Ich stimme ebenfalls zu, Gallan anzuhören. Damit ist es entschieden,« erklärte Sertan, der die letzte und gewichtigste Stimme zu vergeben hatte.

      »Was also schlägst du vor Sohn des Garan, wir sind neugierig was du zu sagen hast.« Gallan überlegte kurz, ehe er mit lauter Stimme sprach.

      »Die Krieger der Zentaren sind gefürchtet für ihre Brutalität und ihren absoluten Gehorsam. Die Nayati können sie alleine nicht besiegen, wie Sangao euch glauben machen will. Schickt Boten zu den Stämmen der Hawarda, der Hidata und den anderen, die auf der Ebene leben und unterrichtet sie von der Gefahr. Schickt Kundschafter aus, die jede Bewegung des Feindes beobachten und seine Stärke melden.