Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


Скачать книгу

heran und Gallan erkannte in ihm Surjur seinen Sohn. Leise sprachen sie kurz miteinander, dann eilte Surjur zum Ausgang der Halle. Auf dem Weg aus der Halle nickte er einzelnen Kriegern zu, die sich wortlos erhoben und ihm folgten.

      »Das sind die Späher Gallan. Mein Sohn wird sie anführen und uns über den Feind unterrichten, wen aber schicken wir zu den Stämmen in der Ebene, um die Botschaft zu verbreiten?« Sertan sah sich suchend um.

      »Ich werde mit Gallan aufbrechen« bot sich Garan zur Überraschung seines Sohnes an.

      »Das wird aber nicht genügen,« meldete sich Sertan zu Wort. »Es sind viele Stämme in alle Richtungen verstreut und es wird euch beiden nicht gelingen, alle zu verständigen. Ich schließe mich an.«

      Lewaneo schüttelte abwehrend den Kopf. »Du bist der Kriegsrat, dein Platz ist im Dorf, aber du hast recht es sollten einige von uns Garan und Gallan unterstützen.« Sertan blickte über die noch anwesenden Krieger, die auf ihren Plätzen saßen. Sie diskutierten immer noch heftig über die Abstimmung. Dann befahl er sieben von den Kriegern zu sich. Mit wenigen Worten erklärte er ihnen ihre Aufgabe. »Jeder von euch nimmt sich zwei Männer. Eure Angelegenheit wird es sein, die Stämme zu unterrichten. Reitet schnell, an euch liegt es ihre Führer zu überreden sich uns anzuschließen. Macht ihnen mit allem Nachdruck den Ernst der Lage klar.«

      Die Krieger, die Sertan ausgesucht hatte verließen ohne ein weiteres Wort das Versammlungshaus um sofort, mit ihren Vorbereitungen für ihren Aufbruch zu beginnen.

      »Und du Sangao,« fuhr Sertan fast im selben Atemzug fort, »kümmerst dich um die Verteidigung Itumas. Lass tiefe Gräben um die Mauer ziehen und überprüfe sie auf schadhafte Stellen. Ich will, dass du unsere Verteidigung organisierst. Sag den Waffenschmieden, sie sollen jedem Krieger genügend Lanzen, Schwerter und Pfeile bereitstellen, und notfalls Tag und Nacht arbeiten. Wir wollen gerüstet sein, falls der Feind früher vor unsere Stadt steht als Belgan es vermutet. Du bist der erfahrenste Krieger von uns und erinnerst dich an die Zeiten in denen die Nayati zahlenmäßig überlegene Feinde schlugen.«

      Gallan konnte sich bei diesem Seitenhieb das Grinsen nicht verbeißen, wurde aber sofort wieder ernst, als er den missbilligenden Blick seines Vaters bemerkte.

      »Komm Sohn,« wir haben noch einiges vorzubereiten, wenn wir beim Morgengrauen aufbrechen wollen.«

      Als Vater und Sohn ins Freie traten, senkte sich bereits die Dämmerung über die Stadt. Viele Einwohner standen trotz des strömenden Regens vor dem Versammlungshaus und warteten auf Neuigkeiten. Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass sich eine feindliche Armee auf Ituma zubewegte und aus den Gesichtern der Umstehenden sprachen Besorgnis und Angst.

      Sofort wurden Gallan und Garan von ihnen bestürmt, um von ihnen Neuigkeiten zu erfahren, doch Garan zog seinen Sohn wortlos weiter. Sie schritten durch die sich öffnende Gasse der Frauen und Kinder, ohne die eindringlichen Fragen zu beantworten.

      »Was ist, haben die Leute kein Recht zu erfahren, was auf sie zukommt?« Garan zog seinen Sohn weiter, und erst als sie die Menschen hinter sich gelassen hatten, antwortete er. »Sie erfahren es noch früh genug, dafür wird schon Sangao sorgen. Er hat dir nie verziehen, dass du Kishos Helfer wurdest, deshalb wird er dich sabotieren, wo er nur kann. Du hast es ja soeben miterlebt.«

      Gallan nickte und sah dabei seinen Vater eindringlich an.

      »Was ist mit dir? Ich bin dein Sohn und handelte gegen deinen Willen, hast du mir je verziehen?«

      Garan schüttelte ungeduldig sein Haupt, aber er gab keine Antwort, sondern drängte zum Weitergehen. »Es gilt eine lange Reise vorzubereiten und wir haben nur wenig Zeit dazu. Wir müssen noch mit Sertan reden, der nach dem Rat zu uns kommen wird.«

      »Eine lange Reise,« fragte Gallan verwundert. »Die Stämme sind nicht so weit entfernt, dass wir große Vorbereitungen treffen müssten. Was hast du vor Vater?«

      »Später, mein Sohn konzentrieren wir uns lieber auf die Aufgabe, die vor uns liegt.« Garan schlug den Weg zum Lagerhaus des Stammes ein, wo sich die beiden Krieger mit Proviant und anderen Dingen für ihre Reise eindeckten. Schwer bepackt verließen sie das Lager und wandten sich den Gemeinschaftsställen zu.

      »Du wirst ein Pack und ein Reservepferd benötigen,« meinte Garan, als sie den Stall betraten. Schon als sie das Tor öffneten, wieherte ihnen Jarduk freudig entgegen und stampfte aufgeregt mit den Hufen auf den Boden. Irgendwer musste ihn in der Zwischenzeit aus dem kleinen Stall am Haus hierher gebracht haben.

      »Sag mir, was du planst Vater.« Gallan streichelte den Hals Jarduks, der seinen Kopf an Gallans Schulter rieb. Er bemerkte, wie sich sein Vater umsah, als befürchte er es könnte jemand lauschen.

      »Wir reiten nicht zu den nächstgelegenen Stämmen, das werden die Boten erledigen. Wir suchen die zahlenmäßig kleineren weiter entfernten Brüder auf, die viele Tagesreisen von hier entfernt sind.«

      Gallan betrachtete seinen Vater als sähe er einen Geist. »Du meinst die Daghari und Hawarda. Aber die leben in den Wäldern von Dagam und selbst Kisho wagt es nicht, sie anzugreifen. Warum glaubst du, dass sie uns helfen werden?«

      Garan machte eine ungeduldige Handbewegung, ehe er sich den Pferden im Stall zuwandte. »Such deine Pferde aus, alles andere besprechen wir, wenn Sertan kommt. Nun mach schon, wir haben nicht ewig Zeit.«

      Gallan suchte sich eine kräftige braune Stute aus, der er seine Ausrüstung auflegte und einen Apfelschimmel als Ersatzpferd. Während er Jarduk den Sattel auflegte und den Sattelgurt leicht zuzog, beschäftigten sich seine Gedanken mit seines Vaters Absichten.

      *Glaubte Garan wirklich, die Daghari und die Hawarda zum Kampf gegen die Kishos Armee zu gewinnen?*

      Gallan führte seine Pferde an den Zügeln aus dem Stall, vor dem sein Vater bereits auf ihn wartete. Gemeinsam schlugen sie die Richtung zu ihrem Haus ein. Überall in den Straßen des Dorfes herrschte nun aufgeregtes Treiben und so kamen sie nur langsam voran. Von Weitem hörten sie Sangao seine Anweisungen brüllen, der umgeben von einigen Kriegern die Arbeiten an der Mauer beaufsichtigte, obwohl es zunehmend dunkler wurde.

      »Bringt mehr Fackeln, wir brauchen mehr Licht,« schrie er und stolzierte wie ein Pfau umher. Gallan bemerkte, wie sein Vater abfällig schnaubte. »Er führt sich auf als wäre er der Herrscher über die Nayati. Ich hoffe Sertan kann ihn in seine Schranken weisen.«

      Sie stellten ihre Pferde im Anbau der neben dem Haus stand unter, dann betraten sie gemeinsam das Haus. Im Haus wartete bereits Sertan mit bekümmertem Gesicht und begrüßte sie.

      Gallan und sein Vater nahmen gegenüber von Sertan Platz und berieten über Garans Plan.

      Spät in der Nacht verließ Sertan das Haus weitaus zuversichtlicher als er es betreten hatte. Lesena kramte, während die Männer sich berieten, in dem Abstellraum des Hauses in einer Kiste. Als Sertan gegangen war, kam sie mit einem Bündel auf den Armen zurück.

      »Hier mein Junge, erkennst du ihn wieder?« Natürlich erkannte Gallan seinen Jagdanzug wieder, den seine Mutter kurz vor seinem Abschied fertiggestellt hatte.

      »Zieh ihn an Gallan. Die Krieger der anderen Stämme sollen dich nicht für einen Sucher halten,« riet ihm seine Mutter und reichte den Anzug ihrem Sohn. Währen Gallan sich der schwarzen Kleidung des Barons entledigte, erklärte Garan seinem Sohn mit sichtlichem Stolz.

      »Deine Mutter hat immer an deine Rückkehr geglaubt und deine Sachen aufgehoben.«

      Gallan erfuhr, als er noch bis kurz vor Mitternacht mit seinen Eltern beisammensaß, wie es seinem Bruder und seinen beiden Schwestern ging. Sein Bruder Sogan lebte noch in der Stadt, nur seine Schwestern Kaya und Dena waren zu Männern in den umliegenden Dörfern gezogen.

      »Wo ist Sogan, ich sah ihn weder bei der Versammlung noch im Dorf,« fragte Gallan seine Eltern. Garan erklärte ihm, dass Sogan mit einem Jagdtrupp ausgezogen war, der erst in einigen Tagen zurück erwartet wurde.

      Als Gallan alle Neuigkeiten die seine Familie betrafen erfahren hatte, richtete Lesena für Gallan ein Schlaflager zurecht. Augenblicklich schlief Gallan, müde