Hartmut Witt

Steine der Macht


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dem Lichtsee und der schönen Stadt Citta, die zugleich die größte der Insel war.

      Samobali war nicht gerade groß. 125 km in der Länge und ebenso in der Breite mit leichter Tropfenform und ein paar kleinen vorgelagerten Inseln boten etwa 380.000 Menschen aus den unterschiedlichsten Völkern Lebensraum. Außerdem bevölkerten Zwerge die Berge, in den Wäldern lebten Elfen, in den Gewässern Nixen, die man nie versucht hatte zu zählen. Man kooperierte mit diesen Naturvölkern, teilte und genoss so die Vorzüge deren Wissens und Künste.

      Das Wissen um die Schuld an den Kriegen, der Wunsch nach Frieden und die Erfahrung aus den unterschiedlichsten Herrschaftsformen hatte diese fast letzte freie Menschengemeinschaft zusammengeschweißt und ihre unterschiedliche Herkunft größtenteils vergessen lassen. Zudem verfügte man über eine Gesellschaft, die Gemeinnützigkeit unterstützte. Es gibt kein Geld auf Samobali, keinen Grundbesitz. Jeder besaß, was er nutzte, um daraus etwas für die Gemeinschaft zu produzieren. Das persönliche Ansehen richtete sich nach dem Nutzen für die Gemeinschaft. Die angesehensten Bürger wurden in den Rat der Weisen berufen. Und es gab einige, sehr angesehene Weise, denen man nachsagte, dass sie Zauberer bzw. Zauberinnen wären. Sie waren es auch, die den Zauberbann um Samobali zogen und damit die bedrohlichen Wesen von den angrenzenden Kontinenten sowie von der Schreckensinsel im Süden fernhielten.

      Doch nicht alle Samobalikis waren grundsätzlich mit der friedvollen Haltung Samobalis zufrieden. Viele hatten ihr Hab und Gut auf dem Festland verloren, hatten Verwandte, die versklavt oder umgewandelt wurden. Dazu hörte man von einigen Widerstandnestern in den unterschiedlichsten Regionen, die sich Beistand erhofften. So gab es Reisende, die, wenn sie aus Samobali kamen, auch wieder zurückkommen durften. Und diese brachten auch regelmäßig Neuankömmlinge mit, wodurch die Bevölkerung Samobalis beständig wuchs. Das konnte auf Dauer bedrohliche Formen annehmen. Zudem konnte man nicht immer kontrollieren, welches Volk mitgebracht wurde.

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      3. Amon Tih

      Amon war ein lebensfröhlicher Holzhandwerksgeselle, dessen Eltern früh an der Knotenkrankheit verstarben. Seine Eltern waren nach dem letzten großen Krieg nach Samobali gelangt, und das auf unterschiedlichen Wegen.

      Der Vater Aldermar stammte von der Küstenregion Ateuras. Nachkommen einer dunländischen Kriegerfamilie waren dort nach den zahllosen Kriegen in der äußerst fruchtbaren Gegend hängen geblieben und lebten von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Aldermar brach aus der bäuerlichen Tradition mehrerer Generationen aus und erlernte das Holzhandwerk. Als die Feinde aus anderen Kontinenten eindrangen und das Land überschwemmten und unterjochten, riefen die Herrscher der Menschen in allen Ländern zur vereinten Schlacht auf. Es wurden alle waffenfähigen Männer gebraucht und es war auch an Amons Vater, in den Krieg zu ziehen, den die Menschen schließlich verloren, und damit alles Hab und Gut.

      Die Furken beherrschten seither den größten Teil des Ostkontinents. Er beschrieb die Furken in etwa so: Sie sahen aus wie Hunde, nur liefen sie auf zwei Beinen. Es gab sehr unterschiedliche Rassen, ein paar davon ähneln Wölfen, andere Schakalen. Eigentlich waren sie nicht grundsätzlich böse, nur durchtrieben vom Jagdfieber und vollständig überzeugt von ihrem Glauben, dass alle Wesen der Welt werden müssten wie sie. Wer in ihrem Herrschaftssystem dienlich wurde, startete sehr tief, konnte aber schnell durch seine Taten in der Hierarchie aufsteigen. Aldermar erzählte seinem Sohn, dass er in der Hierarchie der Furken schnell aufgestiegen war, da sie sein Handwerk schätzten. Dies änderte sich erst, als ihn ein neidischer Konkurrent des Verrats und Mordes bezichtigte. In einem Umwandlungslager wurde er misshandelt und gefoltert. Doch ihm gelang die Flucht. Dank glücklicher Umstände schaffte er es, auf einem Schiff das Land zu verlassen. So kam er spät, völlig ausgemergelt und krank nach Samobali.

      Die Mutter Amons hieß Hildega und war lange zuvor in Samobali eingetroffen. Sie stammte aus einer Menschen-Großstadt namens Burnlin im Reich der Borger, die im Krieg restlos zerstört wurde. Wie durch ein Wunder konnte sie mit einem Expressdrachen entkommen, dem letzten, der in der Stadt übrig geblieben war. Hildega entstammte einer Künstlerfamilie, die sich ein zusätzliches Brot mit Herstellung von Kleidungsstücken verdiente. Als sich die beiden fanden, gründeten sie eine Familie, aus der drei Kinder hervorgingen.

      Amon hatte einen Bruder namens Gorgen, dessen kriegerische Leidenschaft irgendwann aus ihm herausbrach. Vor vier Jahren folgte er dem Ruf einer Untergrundbewegung auf dem Festland des Westkontinents. Seither gab es keine Nachricht mehr. Seine Schwester Wita zog es ebenso in die Ferne. Sie folgte dem Händler Michelunka, der alle Jubeljahre in Samobali auftauchte, um dann ungeheuerliche Geschichten aus aller Welt zu erzählen.

      Amon war der jüngste Sprössling und erbte das handwerkliche Können seines Vaters und die Kunst des Improvisierens seiner Mutter. Er hatte die Seele eines Kriegers, die sich gelegentlich in tollkühnen Aktionen zeigte. Außerdem schärfte er seinen Geist in strategischen Brettspielen, was sein kämpferisches Herz bezähmte. Dieses zeigte sich beim gemeinsamen Musizieren gelegentlich durch wildes Trommeln. Seine Freunde brachen darüber oft in erheitertes Lachen aus. Er wurde von seinen Handwerkerkollegen wegen seiner kreativen Einfälle geschätzt, die nicht immer brauchbar waren, aber häufig auch die Lösungen in kniffligen Fragen brachten. Sein Gesellenstück hatte er diesen Sommer mit Bravour geschafft.

      Wie alle Samobalikis besaß er eine einfache Grundausbildung in Magie, die sie mittels Gedankenkraft ausübten. Im Handwerk bedienten sie sich einer einfachen Naturmagie und beschwörten Elementarkräfte, so dass sich manches wie von Geisterhand gerührt bewegte. In Wahrheit halfen ihnen Naturgeister, die für sterbliche Augen unsichtbar waren und nur mit erlernter Hellsichtigkeit sichtbar wurden. Amon hatte den ersten Grad eines Magiers geschafft. Doch der Weg zu einem Meister beinhaltete noch sehr viel mehr. Er war nur ein kleiner Zauberlehrling, und als Handwerker würde er auch nicht viel mehr benötigen. Doch in ihm schlummerten der Wille und die Vision, etwas Großes zu vollbringen. Nur was, das wusste er noch nicht.

      4. Tagewerk

      An diesem Tage arbeiteten die vier Hausgenossen und der Baumeister Jabo im Wald am Hange des Berges. Jabo wählte die Bäume aus und Britta beschwörte die Naturkräfte. Die anderen Drei setzten die in den Zwergenschmieden gefertigten Beile ein und schlug Kerben und Keile in die Stämme, bis die Bäume fielen. Die entasteten und gedrittelten Stämme zogen sie mit Hilfe der Pferde ins Tal. Die frisch geschlagenen Nadelbäume von schlankem, geradem Wuchs verströmten einen sehr angenehmen Geruch. Im Tal befand sich am Fluss ein Sägewerk. Ein alter Sägewerksmeister arbeitete dort mit seinem Sohn und seiner Tochter. Das Sägewerk wurde mit Wasserkraft betrieben, alles schien mittels Zahnrädern und Antriebsriemen irgendwie miteinander verbunden. Wenn der Sägewerksmeister den Hauptriemen auflegte, lebte das Sägewerk auf und die Stämme wurden auf die entsprechenden Maße zugeschnitten. Ihr Tagewerk war erfüllt, als sie zehn Stämme ins Tal gezogen hatten.

      Trotz der Hilfe der Elementarkräfte war dies eine körperlich harte Arbeit. Sie mussten einen weiteren Tag für die Waldarbeit verwenden, um das ganze Holz für den Hausbau der jungen Familie in dem Ort Gran Bellisen zusammen zu bekommen. Die Arbeitspläne hatten sie bereits angefertigt und die Berechnungen angestellt, um später an den richtigen Stellen die Holzverbindungen auszuarbeiten. So ließ sich die Holzkonstruktion nachher einfach zusammenfügen und mit Holzschrauben aus härterem Holz verbinden.

      Ja, die Samobalikis bauten zumeist Holzhäuser. Nur vereinzelt mauerten sie mit Stein oder Lehmziegeln. Da das Klima fortwährend warm und angenehm war, reichten leichte Konstruktionen. Oft wurden nicht einmal Gläser eingesetzt. Ein Dach mit großen Überständen, gedeckt mit gebrannten Tonziegeln, sorgte dafür, dass der oft reiche Regen nicht in das Innere des Hauses gelangte.

      Bevor die Sonne unterging, waren die Fünf in ihr Haus am Rande von Gran Bellisen zurückgekehrt. Das Haus lag auf einer kleinen Anhöhe keine fünfzig Meter entfernt von dem Fluss Isen, den man hinter dem Uferwald plätschern hörte. Dazwischen lag eine große Wiese, auf denen Pferde, Kühe und Schafe grasten. Die Fünf ließen ihre Pferde auf die Wiese und gaben ihnen für die Tagesarbeit zum Dank einige