Andreas Parsberg

Das Spiel der Dämonen, Teil 1 (Schottland 1601)


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Das gewaltige Fundament der Abtei schien in seinen Grundfesten zu erzittern.

      „Josef...“, schrie einer der Männer von außen. Entsetzt waren sie in den Kellergang geeilt und fanden das verschüttete Loch.

      „Verdammt ...“, fluchte der Vorarbeiter. „Josef ist darin begraben worden Wir brauchen Hilfstrupps. Wir müssen mit Balken die Mauern abstützen, sonst segelt uns die alte Decke auf die Köpfe.“

      „Josef...“, schrie der Vorarbeiter. „Lebst du noch?“

      Es kam keine Antwort.

      Es herrschte völlige Finsternis in dem Raum, nur der dröhnende Pressluftbohrer versprühte Funken. Josef tastete sich in der Dunkelheit zu ihm heran und schaltete das Gerät aus.

      Dann stützte er sich an einer kalten Wand ab und richtete sich auf.

      Plötzlich ertönte in der Finsternis ein teuflisches Gelächter.

      Josef fuhr entsetzt herum.

      In der schwarzen Dunkelheit leuchteten zwei gelblich stechende Punkte. Sie wirkten wie Augen.

      Augen?

      Josef gefror aus Angst das Blut in seinen Adern.

      Dann spürte er in seinem Nacken einen kalten Windhauch. Er wirbelte herum, doch er konnte in der Finsternis nichts erkennen. Der Bauarbeiter breitete die kräftigen Arme aus und drehte sich um die eigene Achse. Doch er berührte nichts.

      Erneut streifte ihn ein eiskalter Luftzug!

      „Ist da wer?“, fragte er ängstlich.

      Rechts von ihm hörte er ein grässliches Kichern!

      „Da ist doch jemand“, stotterte Josef und versuchte, das Grauen von sich abzuschütteln. „Hallo? Bitte, bekomme ich eine Antwort?“

      Wo bin ich hier bloß gelandet? fragte er sich.

      Dann kniff er die Augen zusammen.

      Die stechenden gelben Augen waren nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Es entstand ein schimmerndes Licht und hüllte eine unheimliche Gestalt ein.

      Josef erkannte einen Mann, der eine Mönchskutte trug. Die Kapuze hatte er über den Kopf gezogen, sodass nur die Augen zu erkennen waren.

      „Sind Sie ein Mönch aus dieser Abtei?“ fragte Josef stammelnd.

      Als Antwort erklang nur wieder dieses unheimliche Lachen.

      Das Wesen stand nun direkt vor ihm und streckte seine weißen, skelettartigen Totenhände aus.

      Ein keuchender Schrei entrang sich der Kehle von Josef.

      Unvorstellbar, was er da vor sich sah.

      Er sprang zurück, taumelte gegen die Wand und spürte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Er hob zum Schutz abwehrend die Arme.

      Der Tote in der Mönchskutte umringte ihn mit fletschenden Zähnen. Seine Hände waren wie Geierkrallen gekrümmt. Eine der Knochenhände fasste nach ihm und riss ihm den Arbeitsoverall auf.

      Josef schrie so laut und panisch, wie noch nie in seinem Leben!

      Das Gelächter schwoll an. Es klang grausig und schallte an den alten Wänden zurück.

      Nach Jahrhunderten des Verharrens war die Stunde des Dämons gekommen. Das Wesen aus der Schattenwelt hatte Hunger!

      Josef wich halb bewusstlos vor Angst zurück. Aber den Gedanken an eine Flucht musste er aufgeben. Er war an die Wand gepresst. Direkt vor ihm stand der Dämon und funkelte ihn mit seinen stechenden, gelben Augen an. Josef war sich der Hilflosigkeit seiner Lage bewusst.

      Dann sah er die scharfen Krallen des Dämons auf sich zu fliegen. Wie in Zeitlupe eines schlechten Filmes spürte er, wie sich die Haut an seinem Hals öffnete und das warme Blut aus seinem Körper floss.

      Es war das letzte Bild, das seine Augen zu sehen bekamen. Es begleitete ihn in den Tod.

      Der Dämon holte nochmals aus und trennte mit einem zweiten Hieb den Kopf des Bauarbeiters von seinem Rumpf ab.

      „Der Schreckliche“ war nicht länger in der Abtei eingesperrt.

      Sein Ziel war Rache und eine neue Seele, da ihm seine genommen wurde.

      1

       August 2012

       Schönthal in Bayern

       Bergstraße

      Cedric Vogt schlich auf Zehenspitzen den Korridor des alten Hauses seiner Großmutter entlang, beladen mit einer Tüte Kartoffelchips, einer großen Cola und zwei Gläsern.

      „Das sind die langweiligsten Ferien, die ich je erlebt habe“, schimpfte er, als er das Esszimmer betrat, in dem sein jüngerer Bruder Henri bereits wartete.

      Henri, der gerade die Skip-Bo Karten mischte, verdrehte zustimmend die Augen. Draußen regnete es immer noch.

      Cedric seufzte, als er sich setzte, um weiterzuspielen. Das war heute bereits das zehnte Spiel in Folge. Seit drei Tagen verbrachten sie ihre Zeit mit dem Kartenspiel.

      Drei Tage Regen!

      Drei Tage im Haus der Großmutter eingesperrt!

      Morgen war der fünfundsiebzigste Geburtstag seiner Großmutter. Seine Eltern hatten daher beschlossen, eine Woche Urlaub in der Einsamkeit zu verbringen. Das alte Haus seiner Oma lag am Ortsrand von Schönthal im Bayerischen Wald. Bei schönem Wetter hätte es viele Möglichkeiten gegeben. Aber es regnete durchgehend.

      Sein älterer Bruder Simon kommt morgen aus München. Er war bereits berufstätig und konnte sich keinen Urlaub nehmen.

      Cedrics Vater war Geschichtslehrer am Max-Born-Gymnasium, hatte jedoch beschlossen, während der Schulferien ein Buch zu schreiben.

      Daher verlangte er völlige Ruhe im Haus.

      Cedrics Mutter und Oma verbrachten die verregneten Tage mit Besuchen bei Verwandten, um den Autor in seiner Ruhe nicht zu stören.

      Daher war Cedric mit seinem Bruder allein und verbrachte die Zeit mit dem Kartenspiel Skip-Bo.

      Das Schlimmste für ihn war, dass sein Mobiltelefon in dieser Einsamkeit keinen Empfang hatte. Er konnte keinen Kontakt mit seinen Freunden halten, nicht per SMS oder Facebook.

      Blöde Einöde!, dachte er frustriert. Wer lebt schon freiwillig im Bayerischen Wald ohne Handyempfang? Kann man heutzutage überhaupt noch ohne Smartphone überleben?

      Eigentlich war es nur eine bestimmte Person, die er vermisste:

      Laura Bertani!

      Das hübsche Mädchen aus der Nebenklasse. Seit er das erste Mal in ihre grünen Augen gesehen hatte, war er in sie verliebt.

      Er seufzte.

      Laura wusste nichts von seinen Gefühlen, aber das störte seine Träumereien nicht. Sie sah einfach toll aus, mit ihren langen mittelbraunen Haaren, den grünen Augen und der schlanken, sportlichen Figur.

      Cedric seufzte lauter.

      „Hey, Cedy“, rief sein Bruder. „Du bist dran.“

      Cedric blinzelte und versuchte, das Bild von Laura aus seinem Kopf zu verdrängen.

      „Tut mir leid, Henri. Ich war mit meinen Gedanken woanders.“

      „Bei dem hübschen Mädchen aus deiner Schule?,“ fragte sein Bruder und grinste listig.

      Cedric wurde rot. „Das geht dich nichts an!“

      „Warum nicht? Ich finde sie ist sehr hübsch. Willst du sie als Freundin haben? Mit ihr gehen?“

      „Das geht dich wohl nichts an!“

      „Ich