Andreas Parsberg

Das Spiel der Dämonen, Teil 1 (Schottland 1601)


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wir uns konzentrieren.“

      Sie sah Cedric dabei an. „Sonst funktioniert es nicht. Cedy, leg das vor dich auf den Tisch.“

      Sie reichte Cedric einen Schreibblock. „Und halt diesen Kugelschreiber locker in der Hand.“

      Cedric tat, was sie gesagt hatte.

      „Jetzt schließ deine Augen.“

      Er machte die Augen zu. Gegen seinen Willen verspürte er ein nervöses Kribbeln. Ihm war ein wenig unheimlich zumute.

      „Henri und Anna reicht mir eure Hand, die andere legt ihr an Cedrics Ellbogen, so können wir den Kreis schließen.“

      Cedric fühlte den Druck der Fingerspitzen seines Bruders und seiner Großmutter an seinem Ellbogen. Er empfand es seltsamerweise als beruhigend.

      „Nun schließt ihr auch die Augen und konzentriert euch.“

      Einen Moment lang herrschte Stille. Dann war wieder die Stimme ihrer Großmutter zu hören.

      „Oh, ihr Geister aus dem Jenseits. Wenn sich einer unter euch mit uns in Verbindung setzen will, so ist jetzt die Zeit dafür gekommen. Sendet uns eure Botschaft!“

      Cedric lief ein Schauer über den Rücken. Dann hörte er, wie sein jüngerer Bruder mühsam ein Kichern unterdrückte. Komisch, er konnte den missbilligenden Blick seiner Mutter förmlich sehen, beinahe wahrnehmen.

      Wie war das möglich, wo er doch die Augen geschlossen hatte?

      „Henri!“, schimpfte die Großmutter leise. „Konzentrier dich!“

      Cedric saß da, den Kugelschreiber locker in der Hand, das Handgelenk auf den Schreibblock gestützt.

      Plötzlich fuhr er zusammen.

      Er hatte eine entsetzliche Kälte gespürt, so, als hätte sich eine eiskalte Hand um seinen Hals gelegt. Dann ertönte ein lautes Pochen, als schlüge jemand auf den Tisch.

      Cedric versuchte, die Augen zu öffnen.

      Er konnte es nicht!

      Der Tisch begann zu vibrieren und ruckte ihm entgegen. Ohne einen bewussten Befehl bewegte sich seine Hand. Er versuchte, die Kontrolle über sein Handeln zurückzuerlangen, konnte es aber nicht.

      „Es funktioniert!“, schrie Henri. „Omi, schau nur, es funktioniert!“

      „Omi!“, rief Cedric. „Mach, dass es aufhört!“

      Erneut ruckte der Tisch. Cedric fühlte sich schwach und wie weit fort von allem, was geschah. Von irgendwoher hörte er seine Mutter, die nach ihm rief. Ihre Stimme klang gedämpft, als spreche sie durch ein Kissen hindurch.

      „Cedy! Cedy, mach die Augen auf!“

      Er versuchte zu tun, was seine Mutter verlangte. Doch seine Augen wollten sich nicht öffnen.

      „Cedric!“

      Mit einer Art abgelöstem Interesse nahm er wahr, dass sich seine Hand weiter über das Papier bewegte. Plötzlich sauste eine andere Hand auf seine herab und umschloss sein Handgelenk. Für einen Moment entbrannte ein heftiger Kampf. Seine Hand versuchte weiterzuschreiben, während die andere, eine kräftige, sehnige Hand, sie stoppen wollte.

      „Cedric! Öffne sofort deine Augen!“

      Es war seine Großmutter. Cedric gab sich alle Mühe zu tun, was sie verlangte. Plötzlich überkam ihn erneut ein starkes Frösteln. Er schlug die Augen auf.

      Seine Hand lag schlaff auf dem Tisch. Sein Handgelenk war immer noch fest von den Fingern seiner Großmutter umklammert. Der Kugelschreiber lag auf dem Papier. Er war zerbrochen.

      Cedric blickte in die Runde. Auf allen Gesichtern malten sich verschiedene Abstufungen von Schock und Angst. Seine Mutter starrte ihn mit nervöser Spannung an. Die Wangen von Henri glühten, seine Augen glänzten vor Faszination über das, was da gerade stattgefunden hatte.

      Dann sah er zu seiner Großmutter hinüber und hielt den Atem an. Auf ihren Zügen lag ein merkwürdiger Ausdruck, eine Mischung aus Sehnsucht und Furcht. Ihr Blick war so scharf und durchdringend, dass er ihn zu durchbohren schien.

      Cedric schaute auf den Tisch. Der Rand des Blattes Papier unter seiner Hand war ringsum mit Schnörkeln verziert, die verblüffend regelmäßig und viel kunstvoller waren, als Cedric es je mit offenen Augen hingekriegt hätte. Die Schnörkel bildeten einen Rahmen, in dessen Mitte in großen Druckbuchstaben die Botschaft stand:

      Wollt ihr mit mir spielen?

      Cedric zitterte. Er wusste, die Worte stammten nicht von ihm.

      Plötzlich ging das Licht an, flackerte und ging wieder aus. Das geschah dreimal in Folge. Dann gab es einen kleinen Knall und der Raum blieb dunkel. Henri rannte zur Tür und betätigte den Lichtschalter. Er funktionierte nicht mehr.

      „Ein Abschiedsgruß von unserem Besucher“, sagte die Großmutter und lachte gezwungen.

      Damit brach das Schweigen der Anderen.

      „Unser Besucher?“, rief Cedric. „Was ist passiert, Omi? War ich in Kontakt mit einem Geist?“

      „War es ein Gespenst?“, fragte Henri, ganz Feuer und Flamme.

      Die Wohnzimmertür öffnete sich geräuschvoll. Thomas Vogt blickte wütend auf die Gruppe, die um den kleinen Tisch herum saß.

      „Was ist hier los?“, sprach er wütend und versuchte das Licht anzuschalten. „Henri, hast du wieder mit dem Lichtschalter gespielt?“

      „Nein! Ich war es nicht!“, antwortete er.

      „Ich glaube, es war der Sturm, Thomas“, erklärte die Großmutter mit gefasster Stimme.

      Wie zur Bestätigung zuckte ein Blitz am Himmel auf, es ertönte ein krachender Donnerschlag. Anna Vogt lächelte beruhigend ihren Mann an.

      „Na, das ganze Geschrei kam aber nicht von dem Sturm. Könntet ihr eure Lautstärke bitte etwas herunterschrauben?“

      „Sicher. Tut uns leid“, antwortete seine Frau mit einem zärtlichen Lächeln auf den Lippen. „Am besten gehen wir jetzt einkaufen, damit wir dir nicht mehr auf den Wecker fallen.“

      „Von mir aus könnt ihr gerne bleiben, nur macht keinen solchen Lärm“, antwortete Thomas Vogt, drehte sich um und stapfte zurück in sein Arbeitszimmer.

      „Gut gemacht, Mutti“, sagte Henri anerkennend, nachdem sein Vater verschwunden war.

      „Pssst!“, machte ihre Mutter. „Cedric, bist du okay?“

      „Ich glaube schon“, antwortete er. „Außer, dass ich mich vielleicht ein bisschen schwach fühle. Was ist passiert?“

      „Nichts!“, stieß seine Großmutter heftig hervor.

      „Omi!“, protestierte Henri.

      Cedric blickte seine Großmutter an. Er spürte, dass die alte Dame innerlich mit sich kämpfte. Das machte ihn nervös.

      „Was war nun los?“, fragte Cedric und wollte es nun endlich wissen.

      „Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte seine Großmutter langsam. „Es hat irgendetwas mit dem Unterbewusstsein zu tun, nehme ich an. Wenn man die richtige Stimmung erzeugt, dann kann ein Teil des Gehirns, der Teil, der träumt, eine Zeitlang übermächtig werden und Dinge tun, die einem nicht bewusst werden. Rein psychologisch zu erklären“, meinte sie wegwerfend.

      Cedric erschrak. Seine Großmutter log, das konnte er an ihren Augen sehen und ihrer Stimme erkennen. Das jagte ihm weit mehr Angst ein als das, was gerade geschehen war. Was verbarg seine Großmutter?

      „Was hatte diese Botschaft zu bedeuten?“, fragte der neugierige Henri hartnäckig.

      „Wahrscheinlich war sie ironisch gemeint und ein Zeichen dafür, mit was sich das Unterbewusstsein von Cedric beschäftigt hat. Er dachte wohl an euer Kartenspiel“, antwortete