Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


Скачать книгу

Es ruht ihr demantsteinern

       Arm-, Brust- und Nackenband

       In eines viermal kleinern

       Gekrönten Helden Hand.

       Dringt unsre Sonne nimmer

       In's unterird'sche Haus,

       Doch geht ein Heil'genschimmer

       Von Domes Kuppel aus;

       Empor zwei Thürme schießen

       Von buntem Edelstein,

       Und ihre Blumen sprießen

       Und sonnen sich im Schein.

       Zwei Säulenbündel tragen

       Die Heil'gen ob dem Thor,

       Und stehn in's Kreuz geschlagen

       Zwei Kreuzesschwerter vor;

       Das ein' ist diamanten,

       Das ander' ist Rubin,

       Smaragd- und Saphirkanten

       Die Griff' und Knäuf' umziehn.

       Hoch donnernd und ergötzlich

       Das Domgeläut' erschallt,

       Und schafft lebendig plötzlich

       Den Palm- und Eichenwald;

       Dann ziehn viel reine Pfaffen

       Voll Eifer nach dem Dom,

       Und Volk in hellen Waffen,

       Ein wogenvoller Strom.

       Zweifach den Bart gespreitet

       Auf goldnes Brustgewand,

       Voran mit Krone schreitet

       Ein Held, den Stab in Hand:

       Das sind die Streiter Christes

       Und die vom deutschen Reich,

       Und Karl der Kaiser ist es,

       Ein Hirt und Held zugleich.

       Im Klang geweihter Harfen,

       Im Waffenblitz und Licht,

       Geht Karl mit einem scharfen,

       Tiefsinnigen Gesicht;

       In all' dem Volk wie einsam:

       Ein heilig Herrscherbild,

       Und doch so treu gemeinsam,

       Mit Allen traut und mild.

       Wie lang' die deutschen Helden

       Dort unten halten Wacht:

       Das muß die Zukunft melden

       Und steht bei Gottes Macht;

       Imgleichen was sie singen,

       Und segnen leis und laut,

       Ist von verborgnen Dingen

       Und Gottes Herz vertraut.

       Auch dämmert in der Nische

       Dort Kaiser Friederich.

       An einem Marmeltische

       Bezaubert hält er sich;

       Doch wann den Tisch zum dritten

       Sein Funkelbart umreicht,

       Dann kommt er vorgeschritten

       Und Bann und Zauber weicht.

       Dann fängt im Walserfelde

       Der Baum zu grünen an, –

       Und das ist sichre Melde:

       »Bald wird die Schlacht gethan!«

       Und wird er Früchte tragen

       Am strotzenden Geäst:

       »Dann wird die Schlacht geschlagen,

       Dann kommt das Erntefest.«

       Dann hebt es an zu raunen

       Im Volk von Land zu Land,

       Dann blasen Heerposaunen

       Die Welt in Waffenbrand,

       Drängt Alles zum erdorrten,

       Ergrünten Baume schon:

       Aus Unterberges Pforten

       Steigt Karl zum hohen Thron.

       Dann soll'n die Guten richten

       Die Bösen allzumal,

       Zerschlagen und zernichten

       Bei Wals im Rachethal.

       Dann strahlt in hehrem Feiern

       Vom Baum der Welfenschild,

       – Und Keiner kann entschleiern

       Den Geist von diesem Bild.

       2. Der Kaiser im Untersberg.

       Histor. Schatzkästlein für Bayern. München, 1832. I., 7.

       Noch waren zehn Jahre nicht vorüber, als Luther

       seine Reformation begonnen. Da ging ein andächtiger

       Bürger von Reichenhall eines Sonntags nach der

       Frühmesse weit aus lustwandeln. Er kam an den Untersberg,

       sah mit Erstaunen den Berg offen wie durch

       ein Kapellenthörlein, darüber eine Inschrift mit silbernen

       Buchstaben, einer Sprache, die kein Sterblicher

       gehört. Ihm entgegen schritt ein eisgrauer, ehrwürdiger

       Mönch mit einem mächtigen Schlüsselbund, ganz

       in ein großes Buch vertieft. Eine ungeheure Pforte

       flog klirrend und prasselnd auf und auf einer schönen

       Wiese stand eine unendliche Kirche mit zweihundert

       Altären und mehr als dreißig Orgeln. Zweimal dreihundert

       Mönche sangen die Horen. Darauf schlug die

       große Glocke markerschütternd und doch lieblich an,

       und aus allen Winkeln kam zahlloses Volk zum

       Hochamt. Nach dem Gottesdienst bewirthete der

       Mönch den Reichenhaller Bürger köstlich und führte

       ihn umher in den Wendungen des Berges. Da sah er

       den Barbarossa, der einst in den Pabsthändeln Salzburg

       mit Feuer und Schwert verwüstete, unter betäubendem

       Kriegeslärm, Trommelwirbel und Tromme-

       tengeschmetter und wehenden Fahnen, – dann wieder

       in einsamer Majestät den großen Karl mit dem langen

       Silberbart. Reicht der das zweite Mal die ganze lange

       Tafel herum, so bricht der jüngste Tag herein. – Lustwandelnd

       begegneten sie auch vielen unlängst verstorbenen

       Bayerfürsten, Herren und Frauen, Salzburger

       Erzbischöfen, Pröbsten von Bertholsgaden und St.

       Zeno. – Auf die Frage, was diese hier thäten, gab das

       Mönchlein dem Reichenhaller Bürger eine solche

       Maulschelle, daß er glaubte, alle neun Chöre der

       Engel singen zu hören und diesen Backenstreich bis

       an sein Lebensende verspürte. Doch wurde er wieder

       freundlich und schlug ihm uralte, mächtige Bücher

       auf aus Thierhäuten und Baumrinden. Darin stand

       Vieles von den Strafen der Gottlosen, von Türken und

       Schweden, vom Gräuel der Verwüstung, daß die

       Wölfe wieder in die Städte dringen und in Salzburg

       ihre Jungen hinter St. Ruperts Altar legen würden;

       von zwei großen