Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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allen Liebhabern

       nicht nur bayerischer, sondern deutscher Volkspoesie,

       Geschichte und Sprache, vorab allen denjenigen, die

       gerne dem Geräusch des Lebens in die stille Natur, in

       die frische Waldeinsamkeit, in das Gebüsch verfallener

       Burgen enteilen, um dort den Stimmen der Bergund

       Waldgeister, dem Wehklagen verwünschter Jung-

       frauen, den Sirenenklängen der Feeen und Nixen ihr

       Ohr zu leihen.

       Irre ich nicht, so hat unsere neueste Poesie einen

       Anfang gemacht, aus der Dürre politischer und socialer

       Tendenzreimerei in die frische, einfältige und

       wahrhaftige Natur zurückzukehren. Möge sie zur Einsicht

       gelangen, welche lebendige und reiche Quellen

       ihr auf dem Boden der heimatlichen Sage, dieser reinsten

       und tiefsten Volkspoesie, entgegensprudeln.

       Fußnoten

       1 Jede weitere Mittheilung von Sagen a u s d e m

       V o l k s m u n d e wird mir willkommen sein; Sagen

       a u s g e d r u c k t e n Q u e l l e n waren mir großentheils

       bekannt und s o leider vergebens mitgetheilt.

       2 A. K u h n und W. S c h w a t z Norddeutsche

       Sagen etc. S. XVIII. Ebendaselbst liest man, wie die

       Gensdarmen »dem Aberglauben« zu Leib gegangen.

       3 K. bayr. Intelligenzblatt von 1814, S. 30. – Aus

       D o c e n s Aufrufe geht hervor, daß er nicht sowohl

       die Ortssagen, als die geschichtlichen Heldensagen

       vor Augen hatte, indem er folgende, als von ihm bereits

       bearbeitete Sagen namhaft macht: die Anklänge

       bayrischer Heldensage im Nibelungenlied, die Sagen

       von A d e l g e r , A m e l g e r , W o l f r a t von

       T e n g e l i n g e n , T h e u d e l i n g e (nach F ü t e -

       r e r ) , K a r l d . G . , Herzog N a y m e s und

       E r n s t von B a y e r n .

       4 Nicht ohne Schuld ihrer süddeutschen Brüder.

       5 Daß ich diesem Buch nicht unrecht thue, kann Ein

       Beispiel statt vieler zeigen. S. 55 wird eine Sage auf

       die L o s b u r g verlegt, welche nicht dem Fichtelge-

       birge, sondern Schlesien angehört, wie zu ersehen in

       H e n e l i i a b H e n n e n f e l d Silesiographia

       renov. c. 11 §. 13 und Ausführl. Beschreib. des Fichtelbergs,

       Leipzig 1716 S. 59.

       6 Zu beziehen von Kollmann in Augsburg.

       7 Z i n g e r l e , Sagen aus Tirol S. III.

       8 Vgl. U e b e r d e n e t h i s c h e n W e r t h d e r

       d e u t s c h e n V o l k s s a g e n . Von L. Bechstein

       1837. Etliche Hauptresultate dieser Schrift: D i e

       K i n d h e i t s t e h t u n t e r E n g e l s c h u t z ;

       d i e U n s c h u l d u n t e r G o t t e s H u t ; T u -

       g e n d f i n d e t i h r e n L o h n , d a s L a s t e r

       s t e t s s e i n e S t r a f e ; n i e m a l t d i e

       e c h t e V o l k s s a g e d a s L a s t e r r e i -

       z e n d ; R e u e v e r s ö h n t , b e d r ä n g t e U n -

       s c h u l d w i r d g e r e t t e t u.s.w.

       9 Wie wenig ist G r i m m ' s Wort verstanden und beachtet

       worden. Kennt unsere » g e b i l d e t e « Jugend

       die Sagen von Hellas und Rom nicht besser als die

       des Vaterlandes? Und doch ist die deutsche Sage gegenüber

       der antiken viel reiner und unschuldiger.

       10 Vgl. eine Bemerkung von K. G ö d e k e Elf Bücher

       deutscher Dichtung I.S. 259. – Meinem Zwecke

       widersprach es nicht, ältere Volkslieder auch nach der

       Erneuerung des W u n d e r h o r n s aufzunehmen, da

       diese Sammlung kein Liedercodex zu sein beansprucht,

       dessen erstes Erforderniß diplomatische

       Treue.

       11 Vgl. S c h a r d im Vorw. zu Aventins Chronik.

       Frankfurt 1566, und A r e t i n s liter. Handb. I., 126.

       12 So haben es die Herausgeber der trefflichen

       Sammlung: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche:

       K u h n und S c h w a r t z gehalten; vgl.

       Vorw. S. XI.

      Kapitel 1

      1. Die Sage vom Untersberg.

       Von A . A . L . F o l l e n . – Der U n t e r s b e r g bei

       B e r c h t e s g a d e n auf B a y e r n s und

       O e s t e r r e i c h s Grenzscheide, gleich dem

       Kyffhäuser ein wahrer Königspalast der Sage. Vergl.

       Frater F e l i z i a n ' s merkwürdige Reise zum Kaiser

       Karl im Untersberg. Salzburg, 1787. Beschreibung vom

       Untersberg. Brixen, 1850. H . F . M a ß m a n n der

       Untersberg. München, 1831. L. B e c h s t e i n

       Volkssagen Oesterr. I., 72. G r i m m deutsche Myth. II.,

       190. L. S t e u b Aus dem bayerischen Hochlande, S.

       161. ff. Wiederholungen der Sage in Gedichten von

       E . v . S c h e n k , J . N . V o g l , T h .

       C r e i z e n a c h , F . G . P o c c i , G . M ü h l

       u . A .

       Nun höret Wunder sagen

       Vom tiefen Untersberg:

       Ihn hat in Heidentagen

       Gehöhlt ein wild Gezwerg;

       Der Wölbung Breit' und Länge

       Ist mächtig ausgespannt,

       Und gehn zwölf Geistergänge

       Hinauf in's deutsche Land.

       Auf unterird'schen Matten

       Dort athmet fremde Luft,

       Wo nie getrübt sich gatten

       Der Blumen Licht und Duft;

       Dort stehn zwei reiche Bronnen

       In Marmel wohlgethan,

       Die treiben recht mit Wonnen

       Thausprudel himmelan.

       Zur Rechten draus und Linken

       In tiefem Wiesengrün

       Die Blumen sieht man trinken

       Und mannigfach erblühn:

       Bis beide Flüss' im Strome

       Zum Marmelbecken gehn,

       Und vor dem goldnen Dome

       Als Silberspiegel stehn.

       Dem Dom genüber spiegelt

       Vier Riesen diese Fluth,

       Die Arme