Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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r ) und beschränke

       mich auf Mittheilung dessen, was sagenhaften

       Ursprungs und Herkommens ist. Deßgleichen

       bleibt auch das M ä r c h e n von dem Bereiche dieses

       Buches ausgeschlossen. Es unterscheidet sich wesentlich

       von der Sage, indem es reines Spiel der Phantasie

       ist, während jene – wenn auch nur mit losen Fäserchen

       – auf historischem Grund und Boden haftet.

       Wie die Vollständigkeit dieser Sammlung ohne

       Abdruck oben verzeichneter Monographieen angestrebt

       wurde, lehrt am Besten der Augenschein. Ich

       bemerke nur Folgendes. Viele der hier gesammelten

       Sagen, die bereits in oben erwähnten Schriften gedruckt

       erschienen, sind doch keineswegs aus diesen,

       sondern aus den ursprünglichen Quellen entlehnt, was

       ganz einfach durch meine Quellenangaben, die bei

       jenen fehlen, erwiesen wird. In Mittheilung neuer, d.h.

       in jenen Monographieen zuerst erzählter Sagen, hielt

       ich verhältnißmäßig das Maaß ein, welches die Verfasser

       dieser Schriften ihren Vorgängern gegenüber

       eingehalten haben. So nahm B e c h s t e i n eine

       Reihe von Sagen aus M o n e ' s Anzeiger (ohne jedoch

       die Quelle zu nennen), deßgleichen P a n z e r

       eine Anzahl aus Bechsteins Sammlung. Häufig wiederkehrende

       Sagen, die auch bereits von Andern gesammelt

       waren und keine neuen und wichtigen Züge

       darboten, sind nur einmal oder auch gar nicht aufgenommen,

       sobald sie namentlich den Charakter alltäglicher

       Spuk- und Gespenstergeschichten trugen12.

       Denn wer da alle Geschichten von verwünschten

       Schätzen, schwarzen Hunden, feurigen Männern, umgehenden

       Geistern auflesen und nacherzählen wollte,

       der würde in jedem Pfarrsprengel sattsames Material

       zu einem Sagenbuche finden. Im Uebrigen verfuhr ich

       meinen Vorgängern gegenüber in der von G r i m m

       (D.S. II., Vorr. S. XXII. u. XXIII.) angedeuteten

       Weise.

       Das äußere Gebiet dieser Sammlung bezeichnen

       die Grenzen des Königreichs Bayern in seiner jetzigen

       Gestalt. Nur wo der Zusammenhang es erforderte,

       oder die jenseits lebende Sage auch diesseits vorkam,

       fand ausnahmsweise Ueberschreitung der politischen

       Grenze statt.

       Bei der A n o r d n u n g konnte das alphabetischtopographische

       Princip zu Grunde gelegt werden. Das

       wäre zum Nachschlagen bequemer, auch für Einsicht

       in den Sagenschatz eines Ortes dienlich gewesen. Dagegen

       war zu bedenken erstens, daß bei solcher Anordnung

       ganze Sagenkreise, wie von Karl dem Großen,

       auseinander fielen; zweitens, daß sehr viele

       Sagen nicht einem bestimmten Orte, sondern einer

       ganzen Gegend, einem Berg- oder Flußgebiete, einem

       Geschlechte u.s.w. angehören.

       Weiter konnten die Sagen nach der inneren Zusammengehörigkeit

       und Verwandtschaft geordnet werden.

       Auch dieses Princip ließ in sehr vielen Fällen keine

       Anwendung zu aus dem einfachen Grunde, weil keine

       Zusammengehörigkeit vorhanden ist. Ich glaube, daß

       auch hier die G r i m m den richtigsten Weg eingeschlagen

       haben, indem sie keine Ordnungsweise,

       weder die örtliche, noch die inhaltliche, noch, bei geschichtlichen

       Sagen, die chronologische steif und

       hartnäckig befolgten, sondern diejenige Anreihung der

       Sagen für die natürlichste und vorteilhafteste hielten,

       »welche überall mit nöthiger Freiheit und ohne viel

       herumzusuchen,« unvermerkt auf einige geheim und

       seltsam waltende Uebergänge führt. Solche Uebergänge

       sind bald innere, bald äußere. Mir schien die

       Rücksicht auf äußere vorwalten zu müssen, weil ein

       Uebergewicht innerer Zusammengehörigkeit die Leser

       ermüden würde, wie wenn z.B. eine große Anzahl

       Zwergsagen oder Wundersagen oder Versteinerungssagen

       zusammengehäuft wäre. Zum Theil aus demselben

       Grunde sind d i e S a g e n e i n e s u n d

       d e s s e l b e n O r t e s n i c h t z u m a l u n d

       z u s a m m e n g e l i e f e r t , was auch weder thunlich

       noch nothwendig war; thunlich nicht, weil alsdann,

       wie schon bemerkt, gewisse Sagenkreise zerrissen,

       auch später einlaufende Mittheilungen dennoch

       nachgetragen werden müßten; nothwendig nicht, weil

       die aus topographischer Zusammenordnung ersprießenden

       Vortheile für Uebersicht und wissenschaftliche

       Benützung ebensowohl durch Register erzielt werden

       können. Solcher Register gedenke ich d r e i am

       Schlusse der Sammlung zu verfertigen. Einmal soll

       ein vollständiges t o p o g r a p h i s c h e s V e r -

       z e i c h n i ß die geographische Vertheilung der

       Sagen sowie den Sagenreichthum jedes Ortes veranschaulichen;

       ferner soll ein S a c h r e g i s t e r die Benützung

       des Materials für wissenschaftliche Zwecke

       erleichtern; endlich soll ein V e r z e i c h n i ß d e r

       D i c h t e r , von welchen die Sammlung Beiträge enthält,

       ein literärgeschichtliches Interesse befriedigen.

       Nach dieser Zusicherung werden die Leser Nichts dawider

       haben, wenn ich sie auf einer Reihe von Wanderungen

       durch die Gauen des Vaterlandes geleite,

       bald dahin bald dorthin ablenkend, bald dem Laufe

       eines Stromes, bald dem Zuge eines Gebirges folgend,

       mit aller Freiheit und Unbedenklichkeit. Nur so konnte

       schon der Erste Band Sagen aus allen Theilen des

       Königreiches liefern, während außerdem die Leser in

       Franken oder der Pfalz nur altbayerische oder schwäbische

       Sagen erhalten hätten. Wenn also die Sagen

       eines Ortes, z.B. Nürnbergs im ersten Bande nur

       theilweise oder gar nicht mitgetheilt worden, so folgt

       daraus nur, daß man sie im nächstfolgenden Bande zu

       erwarten habe.