Christoph Hoenings

Djihad


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Falouf ließ Siddiqui bewusst gewinnen. Nicht ständig, gelegentlich gewann er selbst mal ein paar Geldscheine zurück, aber er spielte so, dass der Gewinn Siddiquis sich stetig erhöhte.

      Siddiquis dunkles Gesicht glänzte vor Stolz und Freude.

      Er war bester Laune.

      Ebenso wie Ahmed schickte Siddiqui den größten Teil seiner Einkünfte nach Hause, nach Pakistan, wo er seine Familie unterstützte. Diese bestand aus seiner unfruchtbaren Frau und aus seiner alten Mutter und mehreren unverheirateten Schwestern. Der Vater, der mehrere Ehefrauen hatte, hatte die Mutter vor einigen Jahren verstoßen und war mit seiner jüngsten Frau nach Karachi verschwunden. Siddiqui hatte noch Kontakt zu seinem älteren Halbbruder Shamin. Obwohl Shamin von einer anderen Ehefrau seines Vaters geboren worden war, hatten sie als Kinder miteinander gespielt und und waren gemeinsam aufgewachsen.

      Zudem sparte Siddiqui heimlich Geld, um irgendwann eine zweite Ehefrau kaufen zu können.

      „Ich wüsste, wie du sehr viel mehr Geld verdienen könntest“, sagte Ahmed Falouf. „Und dafür müsstest du nicht einmal arbeiten.“

      Und dann setzte Ahmed dem immer mehr interessierten Siddiqui auseinander, wie er durch das heimliche Mitschneiden der Telefonate des Admirals zu einem schönen Zusatzverdienst gelangen würde.

      Rupert Graf hatte noch in der selben Nacht ein Treffen mit Scheich Mahmut al Ibrahim in einem von dessen Anwesen in Riad. Neidvoll hatte Graf dem Auto von Oberst Kunzelmann nachgesehen, in dem seine beiden Kollegen zum Hotel gebracht wurden, während einer der Angestellten Mahmuts ihn durch die nächtlichen leeren vielspurigen Straßen Riads chauffierte. Es war mittlerweile halb drei Uhr morgens.

      Graf erkannte, dass das Haus Mahmuts in einer Gegend lag, in der auch zahlreiche Prinzen der Königsfamilie ihre Paläste hatten. Mahmut würde hier mehrere Häuser besitzen, für jede seiner Ehefrauen eines, und vermutlich weitere für Frauen, von denen er sich geschieden hatte.

      Fast alle Grundstücke nahmen jeweils einen ganzen Straßenblock ein. Zumeist waren die Grundstücke von hohen Zäunen umgeben, hinter denen sich großzügige Rasenflächen erstreckten, inmitten derer dann der von hohen Mauern geschützte und von zahlreichen Scheinwerfern angestrahlte eigentliche Gebäudekomplex lag.

      Straßen, Rasenflächen, Mauern und Gebäude waren in helles gelbliches elektrisches Licht getaucht. Energie war nicht etwas, an dem man in diesem Land sparen musste.

      Das Haus, zu dem Graf gefahren wurde, unterschied sich nicht von den anderen Gebäudekomplexen: Viel Marmor, viel Stuck, viele goldfarbenen Verzierungen, trotz moderner Bauweise den arabischen Charakter zum Ausdruck bringend.

      Beinahe hätte Rupert Graf Scheich Mahmut nicht erkannt. Graf sah Mahmut zum ersten mal in arabische Kleidung gehüllt, weißer Burnus, darüber einen goldfarbenen Umhang, als Kopfbedeckung eine strahlend weiße Kufiya. Mahmut erwartete ihn in einem riesigen Wohnraum, an dessen Wänden Sofas und Diwane aufgereiht waren, so dass locker fünfzig Personen hier Platz finden würden.

      Mahmut jedoch war allein.

      Trotz der zahlreichen Bediensteten, die Graf auf dem Weg vom Auto bis in diesen Saal hatte sehen können, war von der draußen vor den Türen herrschenden Geschäftigkeit hier nichts zu hören.

      Vor Mahmut stand ein Tisch, überladen mit Mezze, arabischen Vorspeisen.

      Graf wusste, allein aus Höflichkeit würde er gleich noch davon kosten müssen, obwohl er gerade ein schweres Abendessen zu sich genommen hatte.

      „Was wollen Sie trinken, Mr. Graf?“ fragte Mahmut gutgelaunt. „Whisky, Cognac, Champagner, Wein?“

      Graf entschied sich für Weißwein. Mahmut bellte einige arabische Worte in ein kabelloses Telefon, woraufhin ein Diener erschien und eine Flasche Montrachet für Graf und eine Flasche Black Label für Mahmut brachte.

      Nachdem die Gläser gefüllt und der Diener verschwunden war, prostete Mahmut Graf zu.

      „Ich habe gehört, alles ist zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufen, Mr. Graf. Ich habe sichergestellt, dass unser Konsortium heute Abend noch die Anzahlung erhalten hat. Spätestens morgen früh müsste Ihr Anteil auf den Konten Ihres Unternehmens eingetroffen sein. Damit sind die Verträge in Kraft. Jetzt müssen Sie nur noch liefern!“

      Kein Wunder, dass Mahmut so aufgekratzt war angesichts der Beträge, die heute in seine eigenen Taschen geflossen waren. „Wie geht es nun weiter, Mr. Graf?“

      Während Rupert Graf ihm auseinander setzte, welche Schritte nun unmittelbar erfolgen würden, wunderte er sich, dass Mahmut keinen der Geschäftsführer der Al Salam zu diesem Treffen hinzugezogen hatte. Die hätten ihm das Gleiche erzählen können.

      Was Mahmut insbesondere interessierte waren die Maßnahmen, die Graf ergriffen hatte, um die Lieferzeiten so kurz zu halten wie möglich: Aufbau und Ausrüstung der Fabrikanlage in Dhahran, parallele Fertigung der Bootssektionen in Deutschland, Ausbildung von Schlüsselpersonal der Al Salam auf den Werften in Bremen und ebenso bei Herstellern der Werkzeugmaschinen und der Bootsausrüstungen. Gleichzeitig Beginn der Ausbildung der zukünftigen Besatzungen, hierzu die Hinzuziehung von Experten aus anderen muslimischen Ländern.

      „Was ist mit dem allerersten Boot?“ fragte Mahmut. „Dem, das die pakistanische Marine abgegeben hat?“

      „Dieses wird morgen aufgeschnitten und weitgehend leergeräumt. Ich habe erreicht, dass wir eine Sektion, die eigentlich für einen anderen Kunden bestimmt war, nutzen können, um dort den außenluftunabhängigen Antrieb einzubauen, den das pakistanische Boot bekanntlich noch nicht hatte.“

      „Dann sparen Sie also Zeit?“

      „Mehrere Wochen, die wir zur Herstellung der Sektion benötigt hätten.“

      „Dann können Sie also früher liefern? Wir sind froh um jeden zusätzlichen Tag, an dem die Besatzung mit dem Boot üben kann.“

      Mahmuts gute Laune verringerte sich sichtlich, als Graf darauf verwies, dass diese Maßnahme allein dazu diente, das Zeitpolster der DRRS zu verbessern.

      „Wieviel Zeit sparen wir, wenn Sie in Deutschland die Sektion einpassen und den Druckkörper wieder zusammenschweißen?“ fragte Mahmut. „Wir kümmern uns dann hier um die Aufbauten und um die Zusammensetzung der Anschlüsse im Inneren des Bootes.“

      „Eigentlich gar keine.“

      „Ich möchte dennoch, dass das geschieht. Das gibt uns mehr Zeit, uns mit den Werkzeugmaschinen vertraut zu machen. Ich werde meinen Leuten sagen, sie sollen eine Vertragsanpassung vorbereiten.“

      Während des Gespräches hatte Mahmut zweimal durch Drücken einer Taste auf seinem Telefon den Diener hereingerufen, um ihre Gläser nachzufüllen.

      Jetzt jedoch wurde an die Tür geklopft, ohne dass Mahmut ein Signal gegeben hätte.

      Von dem Diener hereingeführt wurde ein großer schlanker Mann, etwas jünger als Graf, ebenso malerisch gekleidet wie Mahmut, lediglich die Borden seines wehenden Umhangs und seiner Kufiya mit Gold bestickt.

      Mit einer Behändigkeit, die Graf verblüffte, sprang Mahmut auf, um seinen Besucher zu begrüßen. Es folgte ein Schwall von Sätzen auf Arabisch, unterbrochen lediglich durch die respektvollen Küsse Mahmuts auf die Schultern des Mannes, bis Mahmut Graf, der sich ebenfalls erhoben hatte, auf Englisch vorstellte:

      „Königliche Hoheit, Mr. Graf aus Deutschland, Mr. Graf, seine Königliche Hoheit, Prinz Mirin.“

      Der Prinz sagte lediglich: „Freut mich,“ um dann auf Arabisch weiterzusprechen.

      Während des Wortwechsels, der aufgrund der schnellen Sprechweise und der zahlreichen Zischlaute auf einen unbedarften Zuhörer gewirkt hätte, als sei ein heftiger Streit im Gang, hatte Graf eingehend Gelegenheit, Prinz Mirin zu betrachten. Markantes, braungebranntes Gesicht, strahlend weiße ebene Zähne, tiefschwarzer Schnurrbart und unter dem Mund der typische schmale sich zur Spitze des Kinns ziehende Bartstreifen. Ein blendend aussehender Mann!

      Graf