Christoph Hoenings

Djihad


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zu unterbinden. Befehlen von Khalid würden alle Mannschaftsmitglieder aus Khalids Stamm sofort und ohne zu überlegen folgen. Würde jedoch ein Befehl von einem ranghöheren Offizier als Khalid erteilt, dessen Stamm die Soldaten jedoch als niedriger ansahen als den eigenen, so konnte es durchaus zu Befehlsverweigerungen kommen. Insofern, so wusste Hakeem, war Leutnant Khalid trotz seines bescheidenen militärischen Ranges als Sohn eines Stammesführers einer der wichtigeren Männer in der Marine, dem eine steile Karriere bevorstand.

      Als Hakeem sich der Gruppe näherte, verstummte das Gespräch. Hakeem als Sohn eines Admirals war diese Reaktion gewohnt. Auch wenn er der Jüngste in der Runde war, wurde er als Sohn des höchsten Vorgesetzten mit größtmöglichem Respekt behandelt.

      „Was feiert ihr?“ fragte er so unbefangen wie möglich.

      „Khalid ist dank Allah eine große Ehre zuteil geworden,“ rief einer aus der Gruppe. „Er ist ausgewählt worden, der Chef der neuen U-Bootswaffe zu werden!“

      „Die Marine hat doch gar keine U-Boote,“ sagte Hakeem.

      „Sie wird welche bekommen!“ antwortete der Sprecher. „Khalid wird nach Europa gehen, um den Bau der Boote zu überwachen. Er wird dort ausgebildet werden. Und er wird, so Allah will, der erste Kommandant eines U-Bootes der Saudischen Marine. Welche Ehre!“

      Khalid saß mitten in der Runde. Sein Gesicht glänzte vor Stolz.

      „Ist denn der Kauf schon beschlossen?“ fragte Hakeem. Sein Vater hätte bestimmt zuhause etwas darüber erzählt.

      „Es gibt sehr wichtige Befürworter,“ sagte ein anderer aus der Gruppe. „Direkt aus der Königsfamilie.“

      „Und wer soll die Boote liefern?“ fragte Hakeem. „Soweit ich von meinem Vater weiß, ist noch nicht einmal eine Anfrage herausgegangen.“

      „Es kommen vier Länder in Frage. Italien, Frankreich, die Niederlande und Deutschland. In eines dieser Länder wird Khalid gehen. Hat er nicht, Allah sei gepriesen, unglaubliches Glück?!“

      Hakeem bin Zaif klopfte Khalid lachend auf die Schulter. Tatsächlich jedoch wollte er so schnell wie möglich fort von hier. Sobald es die Höflichkeit zuließ, verabschiedete er sich aus der Gruppe und eilte unter die Dusche.

      Nicht einmal eine Stunde später saß er zusammen mit Imam Hadschi Omar und berichtete ihm, was er erfahren hatte.

      Der Imam hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen.

      Trotzdem schien Hadschi Omar es plötzlich eilig zu haben, Hakeem loszuwerden.

      „Herr Graf, kann ich Sie bitte kurz sprechen?“ fragte der Sicherheitsexperte der DRRS, Peter Vogel, der vorsichtig an Grafs Bürotür geklopft hatte. Die Sekretärin, Frau Orlowski, war im Haus unterwegs und Grafs Vorzimmer nicht besetzt.

      „Kommen Sie rein! Was gibt´s?“

      „Ein Problem, Herr Graf. Wir wissen jetzt, Ihr PC und der Ihrer Sekretärin sind angezapft. Nur diese beiden. Keiner der PCs Ihrer Mitarbeiter.“

      „Und was heißt das genau, Herr Vogel?“

      „Dass jemand Ihre Korrespondenz mitlesen konnte. Alles, was Frau Orlowski an Briefen und Mitteilungen geschrieben hat. Alles, was Sie in Ihren PC eingegeben haben. Und natürlich Ihre gesamte elektronische Eingangspost!“

      „Können Sie feststellen, seit wann?“ fragte Graf.

      „Seit rund einem Vierteljahr.“

      „Nicht länger?“

      „Nein. Wir vermuten, dass es zu dem Zeitpunkt angefangen hat, als wir im ganzen Haus Computerproblem hatten und Softwareveränderungen haben aufspielen lassen müssen. Da hat Ihnen jemand einen Virus eingepflanzt!“

      „Dann müsste man doch herausfinden könne, wer sich an unseren PCs zu schaffen gemacht hat. Das ist doch sicherlich protokolliert worden!“

      „Ja ja, Herr Graf. Da sind wir auch bei. Nur, diese Checks werden durch Fremdfirmen durchgeführt. Die haben eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Diese Computerfreaks halten es nirgends lange aus. Die sind in der Branche unterwegs wie die Zigeuner.“

      „Werden Sie den Virus wieder los?“

      „Er ist bereits neutralisiert, Herr Graf. Es besteht ab sofort kein Grund mehr zur Sorge. Sie und Frau Orlowski erhalten völlig neue PCs.“

      „Das sagen Sie, Herr Vogel! Ich fürchte, ich muss jetzt erst mal den gesamten Schriftverkehr des letzten halben Jahres durchsehen, um zu gucken, was da an Sensitivem dabei war! Schöne Scheiße! Was ist mit meinem Büro in Bremen?“

      „Kein Problem. Nur hier!“

      „Bitte untersuchen Sie die Büros hier und in Bremen auf Wanzen! Und meine Wohnungen! Und, Herr Vogel, so schnell wie möglich!“

      Rupert Graf lehnte sich in seinem Sessel zurück, um nachzudenken. Nachzudenken darüber, was er in den vergangenen Monaten geschrieben, diktiert oder gesagt haben könnte, was eines der zur Zeit von ihm verfolgten Projekte gefährden konnte. Und was ihm geschrieben worden war.

      Eine Menge! Jede Menge!

      Rupert Graf geriet ins grübeln. Er arbeitete zur Zeit an Projekten in Argentinien, Nigeria, Brunei. Das waren die heißesten! Natürlich gab es noch eine Reihe anderer Vorhaben, aber die waren noch weit weg.

      Und Saudi Arabien!

      Graf beauftragte zwei seiner Mitarbeiter damit, alles an Korrespondenz auszudrucken und zu sortieren, was in den vergangenen 6 Monaten zu den einzelnen Projekten erhalten oder verschickt worden war.

      Dass seine Wettbewerber mit Hilfe ihrer staatlichen Stellen hinter ihm sein würden wie der Teufel hinter der armen Seele, war ihm in einem immer kleiner werdenden Markt absolut bewusst! Was Rupert Graf als so ungerecht empfand war, dass die einschlägigen deutschen Dienste ihre Industrie bei weitem nicht so unterstützten wie es die Dienste der Wettbewerbsländer taten! Die deutschen Stellen interessierte es nicht, wenn Industriespionage betrieben wurde. Die kamen auch im Traum nicht auf die Idee, Sachverhalte, von denen sie Kenntnis erhielten, an die deutsche Wirtschaft weiterzugeben. Die würden eher die gewonnenen Erkenntnisse dazu benutzen, der Industrie des eigenen Landes noch Steine in den Weg zu räumen!

      Rupert Graf hatte es längst aufgegeben, darüber zu sinnieren, weshalb Mitarbeiter deutscher Behörden die Industrie, die mit ihrem Steueraufkommen und dem ihrer Mitarbeiter immerhin einen Großteil der Beamtengehälter finanzierte, diese Industrie lieber behinderte als sie zu unterstützen.

      Kopfschüttelnd machte er sich an die Sichtung der ihm vorgelegten Unterlagen.

      Als Sabine Sadler den Hörsaal verließ und ihr Mobilphon anknipste, wurde sie von ihrer Mailbox auf eingegangene Nachrichten hingewiesen:

      Einer der Anrufe war von Simone Martins:

      „Glückwunsch! Du bist in der Bunten!“

      Sie rief Simone an.

      „Du bist in der Bunten!“ krähte Simone fröhlich. „In der Bunten Illustrierten!“

      Simone klang ganz hingerissen davon, jemanden zu kennen, der dort Erwähnung fand.

      Sabine Sadler zählte nicht zu den regelmäßigen Leserinnen dieses Blattes, das sich auf flache Klatschberichte über die sogenannten Prominenz stützte. Sie fand das Blatt eher eklig! Trotzdem war sie neugierig.

      „Ja wie? Werde ich irgendwie erwähnt?“

      „Nein, so richtig mit Photo! Musst du dir unbedingt angucken!“

      Der nächste Kiosk, von dem Sabine Sadler wusste, war im Erdgeschoss des Hauptgebäudes der Klinik. Sie angelte sich aus dem Zeitungsständer ein Exemplar der Illustrierten und blätterte es mit spitzen Fingern hastig durch.

      Sie fand kein Bild von sich.

      „Frolleinchen, entweder kaufen Sie die Zeitung oder Sie legen sie zurück! Wir sind hier kein Lesesaal!“ sagte die