Christoph Hoenings

Djihad


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übernommen, eine Lösung, mit der Rupert Graf gut leben konnte.

      Als sie sich mit dem Champagner zuprosteten, sagte Mahmut:

      „Mr. Graf, schade, dass Sie so ein schwieriger Mann sind. Wir werden wahrscheinlich niemals richtige Freunde sein. Trotzdem sollten Sie wissen, dass unsere Zusammenarbeit die Welt verändern wird.“

      Sabine Sadler saß derweil allein in der Bar des Hotels de Paris.

      Sie war gerne nach Monaco mitgekommen, auch wenn sie wusste, Rupert Graf würde sie wegen seiner geschäftlichen Termine allein lassen müssen.

      Sie hatte sich gleich links hinter dem Eingang der Bar einen Tisch geben lassen, an dem sie ungestört war und ihren Gedanken nachhängen konnte.

      Allein zu sein, war für Sabine Sadler kein Problem. Sie erkundete gerne auf eigene Faust Ortschaften, die sie noch nicht kannte, und Monaco, obwohl klein und übersichtlich, war mit seinem Reichtum und seinem Luxus in so geballter Form für sie etwas völlig Neues.

      Als Rupert Graf ihr empfohlen hatte, mal durch die engen Gassen auf dem Berg Karl zu schlendern und sich dort auch mal das Häuschen der Familie Grimaldi anzusehen, hatte sie ihn zunächst völlig verständnislos angeguckt. Sie hatte lachen müssen, als ihr bewusst wurde, dass er vom Monte Carlo und vom Schloss der monegassischen Fürstenfamilie sprach.

      Sabine Sadler freute sich darauf, dass Rupert irgendwann in der Nacht zu ihr ins Bett kriechen würde. Sie wusste, er war mit arabischen Geschäftspartnern unterwegs, und sie wusste, für die begann der Abend erst gegen 23 Uhr.

      Inzwischen hatte sie oft genug miterlebt, dass Rupert gegen vier Uhr morgens zurück ins Hotel kam, manchmal müde, meistens jedoch überdreht und hellwach.

      Sabine Sadler genoss es in solchen Fällen, ihn zu massieren, ihm Entspannung zu verschaffen und sich irgendwann in den frühen Morgenstunden an ihn zu kuscheln.

      Die Welt, in die Rupert Graf sie geführt hatte, war ihr neu und unheimlich. Sie hatte sich schnell daran gewöhnt, bei längeren Flügen in der ersten Klasse zu reisen und in Hotels erster Kategorie abzusteigen.

      Seit sie mit Rupert zusammen war, hatte sie in Hotels gewohnt, die sie bis dahin nur aus Illustrierten gekannt hatte.

      Woran sie sich nicht hatte gewöhnen können, war Ruperts Rastlosigkeit. Inzwischen begleitete sie ihn nur noch, wenn das Reiseziel neu war oder ihre Arbeit an der Uni es erlaubte, mal ein zwei Tage zu schwänzen.

      Aber Rupert schien ständig unterwegs zu sein.

      Vierzehn Stunden Flug nach Peking. Ankunft am Morgen. Während sie die Verbotene Stadt erkundete und auf dem Platz des Himmlischen Friedens spazieren ging, hatte Rupert irgendwelche Termine. Abends ein Essen mit mindestens zwanzig Gästen. Außer einem Dolmetscher sprach niemand Englisch. Sie verstand nicht einmal, worum es überhaupt ging.

      Am nächsten Morgen Rückflug nach Frankfurt.

      Sie flog weiter nach Düsseldorf, Rupert verabschiedete sich von ihr noch in Frankfurt, weil er nach Abuja weiter musste.

      „Wo zum Teufel ist Abuja?“ hatte sie gefragt.

      „Nigeria.“

      „Und wo genau ist Nigeria?“

      „Zentralafrika. Übermorgen bin ich wieder zuhause.“

      Aber kaum war er zuhause, hieß es, ich muss nach Washington, nach London, nach Paris, nach Rio.

      Sabine Sadler reiste nur mit, wenn die Reisen kurz waren. Zwei, drei Tage höchstens.

      Weder ihre Eltern noch ihr Verlobter hatten die blasseste Ahnung, dass sie nicht im Hörsaal in Düsseldorf saß, sondern einen Mann um die halbe Welt begleitete, der ihr Vater hätte sein können!

      Jedes zweite Wochenende verbrachte sie in Ihrem Heimatort an der Mosel, ein Wochenende im Monat kam ihr Verlobter und besuchte sie in Düsseldorf. Bemerkungen über ihre Sonnenbräune tat sie ab mit: „Sonnenstudio!“, um sich anschließenden lebhaften Diskussionen über die Gefahren des Hautkrebses ausgesetzt zu sehen.

      Hätte jemand sie gefragt, ob sie Rupert Graf liebte, sie hätte diese Frage verneinen müssen. Sie war sich sicher, sie liebte Graf nicht. Sie war allerdings bereit, zuzugeben, fasziniert zu sein von seiner Welt und von seiner Umtriebigkeit. Zu Grafs Unrast und seinem ständigen Aktivitätsdrang gehörte ein aktives Liebesleben, das sie sehr genoss, ihr aber zuweilen auch zuviel wurde. Andererseits führte er sie zu zuvor nie erlebten Höhepunkten. Nie zuvor war sie in der Lage gewesen, so wie bei Rupert Graf alle Hemmungen fallen zu lassen und in ihrer Lust Dinge zu tun, die ihr allein im Traum nicht eingefallen wären!

      Niemals wäre sie bereit gewesen, das Bett mit Ihrem Verlobten und einer Dritten zu teilen. Zuzusehen, wie diese völlig Fremde sich hingab, oder zu erleben, wie diese Frau sich an ihr selbst zu schaffen machte. Und wie sie dies genossen hatte.

      Sabine Sadler hatte lange überlegt, ob sie Rupert Graf nicht doch berichten sollte, dass sie erpresst wurde.

      Der kleine unscheinbare Mann, von dem sie nur den Namen Ariel wusste, hatte sie in dem Gespräch in Düsseldorf in der Studentenkneipe „Ergo Bibamus“ überzeugt, dass es besser für sie war, auf seine Forderungen einzugehen.

      Es war ja nicht viel, was sie tun sollte. Aufzeichnungen machen darüber, wohin Graf reiste, mit wem er sich traf. Sie musste nicht heimlich Unterlagen fotografieren, die Graf mit in seine Wohnung brachte, oder Gespräche belauschen.

      Nur sagen, wann eine Reise anstand und das Ziel nennen. Und wenn möglich, Namen oder Position seiner Gesprächspartner.

      Und dann hatte sie diese Daten per SMS an das Telefon von Ariel zu schicken. Das war alles.

      Zu diesem Zweck hatte Ariel ihr sogar ein eigenes Mobiltelefon gegeben. Er hatte ihr eingeschärft, ausschließlich dieses Telefon für die Mitteilungen an ihn zu benützen, und niemals ihr eigenes. Und sie sollte dieses Telefon niemals für ihre Privatgespräche nutzen!

      In dem Telefon war nur ein einziger Name eingespeichert: Ariel. Keine Nummer. Es wurde auch keine Nummer sichtbar.

      Sabine Sadler war nicht dumm. Entgegen der Anweisung Ariels hatte sie über die Tastatur ihr eigenes Handy angewählt und dieses dreimal klingeln lassen, ohne den Anruf entgegenzunehmen. Dann hatte sie auf ihrem Handy nachgeguckt, ob der verpasste Anruf mit einer Nummer unterlegt war. Da stand aber nur: Unbekannt.

      Wenige Minuten darauf hatte sie allerdings eine SMS von Ariel erhalten, der schrieb:

      „Tun Sie das nie wieder!“

      Etwas lästig war, dass sie dieses Gerät, so winzig es auch war, immer bei sich tragen musste, damit sie jederzeit Ariel benachrichtigen konnte. Außerdem sollte sie mindestens zweimal täglich nachsehen, ob eine Nachricht von Ariel eingegangen war.

      Ob die Informationen, die Sabine Sadler in den vergangenen Wochen an Ariel geliefert hatte, irgendeinen Wert besaßen, konnte sie nicht einschätzen. Ihrer Meinung nach konnte es nicht sonderlich wichtig für jemanden Dritten sein, zu wissen, wohin Graf reiste oder wen, wenn sie das überhaupt herausbekam, er dort traf.

      Und solange sie selbst in Frieden gelassen wurde, und ihre Familie und ihr zukünftiger Ehemann nichts mitbekamen, war ihr alles recht!

      Sabine Sadler war nicht unglücklich, hier allein zu sitzen. Sie hatte auf Empfehlung Grafs in einem Restaurant in Fußweite, Rampoldi, vorzüglich zu Abend gegessen. Das Hotel hatte dort bei der Reservierung von Sabines Tisch hinterlassen, die Rechnung ginge an das Hotel de Paris. Sie hatte ein paar Lehrhefte zu ihrem Studium dabei, die sie unbedingt hatte durcharbeiten müssen und in denen sie sich während des Essens, aber auch jetzt in der Hotelbar noch einige Notizen machte. Sie mochte es, nachts zu arbeiten. Das Stimmengemurmel störte sie nicht, ebenso wenig wie die dezente Musik. In der Bar hatte in der letzten Stunde eine gediegene ruhige Atmosphäre geherrscht, die Sabine Sadler durchaus Gelegenheit gab, ihre Unterlagen zu studieren.

      Diese Ruhe wurde jedoch gegen kurz nach eins sehr plötzlich unterbrochen durch mehrere Pressefotografen, die in die Bar gestürmt